# taz.de -- Expertenkreis Muslimfeindlichkeit: Rassismusbericht plötzlich offline
       
       > Das Innenministerium hat den Bericht des Expertenkreises Antimuslimischer
       > Rassismus zurückgezogen. Ein Mitglied nennt das Vorgehen „irritierend“.
       
 (IMG) Bild: Hat das Vorwort zum Bericht geschrieben: Innenministerin Nancy Faeser (SPD)
       
       Berlin taz | Erst beauftragt, nun fallengelassen: Das
       Bundesinnenministerium (BMI) hat den [1][Abschlussbericht des
       Expertenkreises Antimuslimischer Rassismus] aus dem letzten Jahr vorerst
       zurückgezogen. Hintergrund ist ein juristischer Streit: Mehrere im Bericht
       genannte Personen sehen sich ungerechtfertigterweise mit Rassismus in
       Zusammenhang gebracht. [2][Saba-Nur Cheema], damals Mitglied des
       Expertenkreises, verteidigt den Bericht gegen die Vorwürfe und kritisiert
       das Verhalten des Innenministeriums als „irrtierend“.
       
       Geklagt hatte unter anderem der Publizist und Welt-Kolumnist Henryk M.
       Broder, der im Bericht genauso namentlich genannt wird wie der
       CDU-Bundestagsabgeordnete Christoph de Vries und die selbsterklärte
       Islamismus-Expertin Sigrid Herrmann von der hessischen SPD. Sie alle sehen
       sich durch die Namensnennung in die Nähe von antimuslimischem Rassismus
       gerückt.
       
       Broders Klage wurde mittlerweile stattgegeben, eine Entscheidung im Fall
       Hermann steht noch aus. Da das BMI sich nun aber entschieden hat, den
       Bericht nicht mehr zu verbreiten, ihn von seiner Website genommen und auch
       die verbliebenen physischen Ausgaben entsorgt hat, sind weitere
       Gerichtsverfahren wohl vorerst hinfällig. Ein Sprecher des BMI sagte am
       Mittwoch, das Ministerium plane, den Bericht erneut in einer Fassung ohne
       die umstrittenen Namensnennungen zu veröffentlichen.
       
       Der Expertenkreis selbst hat sich 2023 mit Erscheinen des Berichts
       aufgelöst. Das ehemalige Mitglied Saba-Nur Cheema sagt gegenüber der taz,
       bisher habe sich das BMI nicht direkt an die Mitglieder gewandt. Sie hätten
       nur aus der Presse erfahren, dass der Bericht nicht mehr auf der Website
       des BMI zu finden ist, so die Politologin. Die Aussage eines
       Ministeriumssprechers gegenüber dem RBB, wonach es dem Expertengremium
       „selbst überlassen“ sei, für eine Neuveröffentlichung zu sorgen, sei „fast
       schon zynisch“, findet Cheema.
       
       ## Faeser hatte für Berichtvorstellung keine Zeit
       
       Cheema verweist auch auf die große symbolische Bedeutung des Berichts: „Der
       Unabhängige Expertenkreis wurde ja nicht zufällig nach dem rassistischen
       Anschlag von Hanau 2020 einberufen.“ Dass sich die Bundesregierung vom
       Bericht möglicherweise distanzieren wird, sende auch international ein
       falsches Signal. „Der Bericht wurde als Pionierarbeit gelobt und in einigen
       europäischen Ländern werden ähnliche Vorhaben diskutiert.“
       
       Eingesetzt vom damaligen CSU-Innenminister Horst Seehofer, sollten die
       zwölf unabhängigen Mitglieder des Expertenkreises eine Gesamtübersicht zu
       antimuslimischem Rassismus in Deutschland liefern und konkrete
       Handlungsempfehlungen formulieren. Das Ministerium versprach sich davon
       auch praktische Erkenntnisse für den Kampf gegen Diskriminierung. Da der
       Bericht unabhängig erarbeitet wurde, handelt es sich bei ihm aber nicht um
       ein Dokument des Ministeriums selbst, sondern er wurde nur durch dieses
       verbreitet.
       
       Zentrales Ergebnis des Berichts war, dass etwa jede*r zweite Deutsche
       [3][antimuslimische Vorurteile] hat. Muslim*innen seien in fast jedem
       Lebensbereich von Diskriminierung betroffen, gleichzeitig lasse sich das
       tatsächliche Ausmaß der Benachteiligung gar nicht absehen, da es an
       wissenschaftlichen Studien mangele. Die Expert*innen forderten zudem
       eine*n Bundesbeauftragte*n für antimuslimischen Rassismus.
       
       Die amtierende Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte für den
       Bericht zwar das Vorwort verfasst, war der eigentlichen Vorstellung im
       Sommer 2023 aber ferngeblieben. Sie nahm stattdessen an einer Veranstaltung
       in Hessen teil, wo sie sich zu diesem Zeitpunkt als SPD-Spitzenkandidatin
       im Landtagswahlkampf befand.
       
       13 Mar 2024
       
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