# taz.de -- Für ein einfaches Essen: I love my Reiskocher
       
       > Unsere Autorin war lange kein Fan des Küchengeräts. Doch dann tauchte sie
       > in die wundersame Welt der One-Pot-Gerichte ein.
       
 (IMG) Bild: In vielen ost-asiatischen Haushalten der Diaspora ist ein Reiskocher mehr als ein praktisches Küchengerät
       
       Eigentlich stören mich Küchengeräte. Die meisten [1][sind sperrig, unnötig
       und machen fiese Geräusche]. Nur auf Wasserkocher, Espressomaschine und
       Toaster habe ich mich mit mir selbst geeinigt – meine persönliche
       Dreifaltigkeit der verkabelten Küchenhelfer sozusagen. Ihre Anwesenheit auf
       der Arbeitsplatte nehme ich hin, weil ihr alltäglicher Nutzen hoch genug
       ist. Aber Sandwichmaker, Waffeleisen, [2][Thermomix], Knetmaschine?
       Niemals.
       
       Nach einem Auslandssemester habe ich mal hochmotiviert versucht, einen
       Sojamilchbereiter in mein Leben zu integrieren, aber obwohl ich warme
       Sojamilch liebe, musste er nach einem einzigen Winter in seine
       Originalverpackung zurückkehren. Ich war also skeptisch, als ich mich
       Anfang des Jahres dann doch entschied, dem Reiskocher eine Chance zu geben.
       
       Der Reiskocher und ich pflegten bisher eine respektvoll distanzierte
       Beziehung. Begegnete mir einer in der Familie, bei Freunden oder in
       Restaurants, wurde ich meistens auf gute Art melancholisch.
       
       Ich erinnerte mich dann an blinkende Knöpfe, an heißen Dampf im Gesicht und
       an weiße Hügel, die sich aus Porzellanschälchen erhoben wie dicker
       Pulverschnee. Und ich freute mich über Reis, der weder zu körnig noch zu
       matschig war. Einzig das richtige Verhältnis von Wasser und Reis muss
       beachtet werden, dann bringt (bei den meisten elektrischen Modellen) ein
       Heizelement am Boden das Wasser zum Kochen. Wenn alle Flüssigkeit
       aufgesogen worden ist, regelt der Kocher sich automatisch herunter oder
       schaltet sich aus.
       
       In vielen ost-asiatischen Haushalten der Diaspora ist ein Reiskocher zudem
       mehr als ein praktisches Küchengerät. Er ist ein Kulturgut, [3][eine Art
       Verbindung in die alte Heimat], du bist schließlich, was du isst – und das
       ist womöglich noch relevanter, wenn du auf dem Weg in ein neues Leben viele
       andere Teile deiner Identität zurücklassen musstest.
       
       Je nach Land gibt es bestimmte Markennamen, die teils synonym für das Gerät
       an sich stehen, Zojirushi in Japan, Cuckoo in Korea, oder der Tatung auf
       Taiwan. Sie unterscheiden sich teils in ihrer Funktionsweise, aber eine
       Botschaft haben sie gemeinsam: Hier schmeckt's wie zu Hause. Hier wirst du
       satt. Und alle deine Freunde.
       
       Dass ich trotzdem so lange keinen eigenen Reiskocher hatte, liegt neben
       meiner Abneigung gegenüber Küchengeräten auch daran, dass ich in einem
       Topfkochhaushalt aufgewachsen bin.
       
       Als Kind habe ich meiner Mutter dabei zugesehen, wie sie Milchreis von Aldi
       (der kam dem chinesischen Rundkornreis am nächsten) in einen kleinen Topf
       geschüttet und anschließend unter fließendes Wasser gehalten hat. Sie
       tauchte eine Hand hinein und zeichnete ein Unendlichkeitszeichen nach, bis
       das Wasser trüb wurde, goss es ab, und wiederholte den Vorgang, bis die
       Trübung fast verschwunden war. Dann hielt sie ihren kleinen Finger
       senkrecht auf die gewaschenen Körnchen und füllte Wasser auf, bis es zum
       ersten Gelenk reichte.
       
       Mit geschlossenem Deckel kochte der Reis so lange, bis das gesamte Wasser
       aufgesogen war. Das erforderte besonderes Geschick bei der Regulation der
       Hitze, ein einziges Mal durfte der Reis fast überkochen, danach zog er noch
       ein paar Minuten auf kleinster Stufe. Am schönsten war, wenn er unten etwas
       anbrannte und [4][ein Popcornduft] durch die Küche zog.
       
       锅巴 guōbā heißt dieser knusprige, goldgelbe Reis, der dem persischen Tahdig
       ähnelt – und der ist so beliebt, dass es in China seit den Achtzigern guōbā
       -Chips in allen möglichen Geschmacksrichtungen zu kaufen gibt. guōbā lässt
       sich tatsächlich auch in einem Reiskocher mit entsprechender Funktion dafür
       herstellen. Aber in meiner Erinnerung klebt er immer am Boden eines
       einfachen Edelstahltopfes.
       
       Wahrscheinlich habe ich auch deshalb den Ehrgeiz entwickelt, Reis nur im
       Topf zuzubereiten. Es braucht mehr Aufmerksamkeit, man kann ihn nicht
       alleine lassen und er gelingt mir bis heute nicht immer perfekt, und
       dennoch wollte ich an dieser Methode festhalten. Ähnlich, wie ich immer
       überzeugt sein werde, dass Menschen Fremdsprachen lernen sollten, obwohl es
       exzellente Übersetzungstools gibt. Weil Mühe so bereichernd sein kann, wenn
       man sich in immer mehr Lebensbereichen Bequemlichkeit leistet.
       
       So wäre ich vermutlich für alle Zeit beim Topf geblieben. Aber dann fiel
       ich tief in eines dieser berüchtigten rabbit holes, wo man sich von
       Webseite zu Webseite, von Video zu Video klickt, und tauchte ein in die
       wundersame Welt der One-Pot-Reiskocher-Gerichte.
       
       Wie immer im Internet findet man da ziemlich viel Quatsch, manche würden
       sogar von Ketzerei sprechen. Spaghetti Bolognese aus dem Reiskocher.
       [5][Kuchen aus dem Reiskocher]. Glühwein aus dem Reiskocher. Ich muss
       zugeben, dass ich in verzweifeltem, jugendlichen Leichtsinn nach einer
       kalten Wanderung mal Rotwein in einem Hotelzimmerwasserkocher erhitzt habe.
       Man lebt und lernt. Aber die Aussicht auf solche Experimente konvertiert
       noch keine echte Reiskocherskeptikerin. Eine stabile, warme Mahlzeit aus
       drei Komponenten allerdings schon.
       
       Fleisch, Fisch oder Tofu, in schmale Streifen geschnitten und nach Belieben
       mariniert, zum Beispiel in einer Mischung aus dunkler Sojasoße, 豆瓣酱
       dòubànjiàng (eine scharfe Paste aus fermentierten Saubohnen, Chilischoten
       und Sojabohnen), Honig, Birne und Knoblauch. Plus ein Gemüse nach Wahl,
       grüne Bohnen, Brokkoli oder Karotte sind meine Favoriten. Einfach zum Reis
       in den Kocher geben, und die Wassermenge leicht reduzieren, weil das Gemüse
       zusätzlich Flüssigkeit abgibt. Und dann Deckel zu, Knopf drücken, irgendwas
       anderes machen, piep, fertig.
       
       So steht er jetzt also da, auf meiner Arbeitsplatte, mit einem weiteren
       Kabel, das sich die Steckdose mit Espressomaschine und Wasserkocher teilt.
       Aus der Dreifaltigkeit in meiner Küche ist eine Vierfaltigkeit geworden.
       Weil ich gelernt habe, dass mich bei aller Liebe zur Handarbeit in einer
       stressigen Arbeitswoche wenig glücklicher macht, als so ein selbst
       zubereitetes, warmes Reisgericht ohne Betreuungsaufwand. Auch, weil es ganz
       einfach warm gehalten werden kann, sollte das eine Telefonat dann doch noch
       länger dauern als gedacht. Eine Mikrowelle kommt mir nämlich niemals ins
       Haus.
       
       21 Mar 2024
       
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