# taz.de -- Journalist:innen im Nahost-Krieg: Nachrichtenblockade in Gaza
       
       > Der Krieg zwischen Israel und der Hamas ist bisher einer der tödlichsten
       > für Journalist:innen gewesen. Ankläger in Den Haag untersuchen
       > Vorwürfe von Reporter ohne Grenzen (RSF).
       
 (IMG) Bild: Palästinensische Journalisten auf der Flucht vor Schüssen und dem Lärm von Explosionen in Gaza
       
       Weltweit bleiben acht von zehn Verbrechen an Medienschaffenden vollkommen
       straffrei. Deshalb war Karim Khans Nachricht ein erster Erfolg auf dem Weg
       zu mehr Gerechtigkeit. Die gute Nachricht kam am 5. Januar: Khan, der
       Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag (IStGH),
       erklärte gegenüber Reporter ohne Grenzen (RSF), sein Team ermittle auch zu
       Verbrechen an Journalist:innen in Gaza und Israel. Nötig dafür war die
       unablässige Dokumentation der Gräueltaten der Hamas gegen israelische
       Journalist:innen, aber in weitaus größerem Umfang auch mutmaßlich gezielte
       Angriffe der israelischen Armee auf Medienschaffende in Gaza.
       
       Am 31. Oktober und am 22. Dezember 2023 [1][hatte RSF Strafanzeigen vor dem
       IStGH eingereicht], damit dieser mögliche Kriegsverbrechen gegen
       Medienschaffende im Gazastreifen und in Israel untersucht. Nach dem
       Völkerrecht gelten Journalist:innen als Zivilist:innen. Sie sind aber
       wegen der Nähe zum Geschehen – und weil manchmal ganz gezielt ihre Arbeit
       verhindert werden soll – besonders gefährdet.
       
       Die Nachricht von Chefankläger Khan bedeutet deshalb einen ersten Schritt
       hin zu einem auch rechtlich besseren Schutz von Medienschaffenden in
       bewaffneten Konflikten – in Gaza und weltweit.
       
       Seit Beginn des Gazakriegs am 7. Oktober ist der Gazastreifen nahezu
       vollständig abgeriegelt. Seither berichten vor allem palästinensische
       Reporter:innen über das Geschehen.
       
       Israelische Luftangriffe, blockierte Telefon- und Internetverbindungen,
       fehlender Treibstoff, die Angst um sich selbst und Angehörige sowie
       gezielte Kampagnen, die sie und ihre Arbeit diskreditieren sollen, machen
       die Berichterstattung jedoch extrem herausfordernd.
       
       Zudem erschweren die Terrororganisationen Hamas und Islamischer Dschihad
       [2][immer wieder die Arbeit unabhängiger und kritischer Medien].
       Internationale Reporter:innen kommen nur „eingebettet“ mit der
       israelischen Armee in den Gazastreifen und müssen den Streitkräften ihr
       Material vorlegen, bevor sie es veröffentlichen dürfen.
       
       Der Grenzübergang Rafah nach Ägypten ist derzeit die einzige Verbindung
       Gazas mit der Außenwelt. Die israelischen Streitkräfte überwachen dort alle
       Aktivitäten.
       
       Reporter ohne Grenzen fordert ägyptische und israelische Behörden auf,
       [3][den Grenzübergang in Rafah zu öffnen], um den palästinensischen
       Medienschaffenden und auch anderen Zivilist:innen bessere Möglichkeiten
       zu geben, sich zu schützen und Gaza zu verlassen.
       
       Seit dem 7. Oktober sind mindestens 107 Journalist:innen gestorben.
       Reporter ohne Grenzen (RSF) zählt den Tod eines Journalisten oder einer
       Journalistin als verifiziert, wenn er oder sie im Zusammenhang mit der
       Arbeit als Journalist:in getötet wurde (roter Streifen in der Grafik).
       Zugleich erhebt RSF aber auch die Zahl der insgesamt getöteten
       Journalist:innen (blauer Kreis) und versucht, die Todesumstände
       möglichst zweifelsfrei zu belegen. Diese Dokumentation dient auch dazu,
       Material für spätere Gerichtsprozesse zu sammeln.
       
       ## Alltag von Journalist:innen im Gazakrieg
       
       Gemeinsam mit Reporter ohne Grenzen (Reporters sans frontières, RSF) hat
       die taz Panter Stiftung nach Stimmen von Journalist:innen aus der
       Region gesucht, die ihren Alltag beschreiben. Einige sind im Gazastreifen
       geblieben, andere sind geflohen. 
       
       Mohammed Abu Saif, Journalist, ARD-Mitarbeiter: 
       
       Ich habe immer gesagt: Ich verlasse Gaza erst, wenn die Waffen schweigen.
       Sonst würde ich mir zu viele Sorgen um meine Familie und meine Freunde
       machen. Aber mit der Zeit ist es immer gefährlicher und anstrengender
       geworden, als Journalist zu arbeiten. Ich konnte nicht anders: Ich musste
       gehen.
       
       Wenn du zu einem Einsatz fährst, etwa zu einem Bombeneinschlag, weißt du
       nicht, ob vielleicht noch eine Rakete einschlägt. Du weißt nicht, ob es
       vielleicht das Auto vor dir trifft. Ich habe diese Gedanken nicht mehr aus
       meinem Kopf bekommen, und auch meine Familie hatte ständig Angst um mich.
       
       Schon der Alltag ist eine enorme Herausforderung: Du musst für dich selbst
       sorgen, aber du stehst stundenlang für Duschen oder Toiletten an. Ich habe
       tagelang in denselben Klamotten gearbeitet und geschlafen, wochenlang im
       Auto. Zugleich musst du dich um deine Familie kümmern, aber es fehlt an
       allen Ecken und Enden die Zeit. Meine Frau und den Rest meiner Familie
       konnte ich nicht in dem Haus treffen, in dem sie untergekommen waren, weil
       der Besitzer Angst hatte, man könnte uns angreifen – schließlich sei ich
       Journalist.
       
       Das habe ich oft gehört, zum Beispiel auf dem Markt: „Bitte geh, wir wollen
       nicht, dass wir bombardiert werden!“ Journalisten als Ziel? Dabei sollten
       gerade wir Journalist:innen geschützt sein, wie alle Zivilisten.
       Natürlich kenne ich auch Kolleginnen und Kollegen, die getötet wurden.
       Einer war ein Freund aus Kindheitstagen.
       
       Ich bin Journalist, aber mir fehlen die Worte. Ich weiß nicht, wie ich
       meine Gefühle ausdrücken soll. Tagsüber siehst du so viel Chaos und Leid,
       und am Ende des Tages sehnst du dich nach einer positiven Nachricht.
       Irgendetwas. Und dann wird dir gesagt, dass dein Freund getötet wurde.
       
       Das Haus meiner Familie ist zerstört worden. Sie hat in Beit Lahija
       gewohnt, im Norden des Gazastreifens. Ob es meine eigene Wohnung noch gibt,
       weiß ich nicht, und ich will es auch nicht wissen.
       
       Nach fünf Monaten habe ich Gaza verlassen. Ich bin nun sicher, aber
       gleichzeitig bereue ich es, nicht mehr dort zu sein. Über das zu berichten,
       was passiert, ist eigentlich meine Aufgabe, meine Verantwortung. Wenn wir
       alle Gaza den Rücken kehren, wer erzählt dann die Geschichten? Aber ich war
       fünf Monate lang im Krieg. Niemand kann mir sagen, ich hätte keine Opfer
       gebracht.
       
       Aus dem Arabischen: Christopher Resch
       
       Ola al-Zaanoun, Journalistin und RSF-Korrespondentin: 
       
       Um vier Uhr morgens am 13. Oktober, eine Woche nach dem Beginn des
       Gazakriegs, forderte die israelische Armee die Bürger:innen auf, alle
       Gebiete im nördlichen Gazatal in Richtung Süden zu verlassen.
       
       Wir lebten in der Region um Tel al-Hawa, von nun an eine militärische
       Sperrzone. Ich nahm Dokumente, Pässe und ein paar persönliche Sachen mit,
       weil ich anfangs dachte, es ginge nur um einen kurzen Zeitraum. Ich war
       ziemlich verwirrt, sah aber außer der Flucht keine anderen Optionen für
       uns. Ich beschloss, mich mit meinen vier Kindern – Moussa, Ahmad und den
       Zwillingen Alma und Adam – auf den Weg zu machen.
       
       Mein Mann arbeitet für die Nachrichtenagentur AFP. Deren Teams waren im
       24-Stunden-Notfallbetrieb unterwegs. Ihre gesamte Berichterstattung bestand
       aus Tod, Bombardements, Zerstörung, Vertreibung, Verwirrung und Chaos.
       
       Ich habe kein Gleichgewicht gefunden zwischen meiner Tätigkeit als
       Journalistin, die über die zunehmenden Angriffe auf Medienschaffende
       berichtet, und meiner Verantwortung als Mutter. Ich war hilflos und
       außerstande, mich selbst und die Kinder zu schützen.
       
       Wir verließen Gaza-Stadt in Richtung Süden, wohin genau, wussten wir nicht.
       Was zählte, war, dem Tod zu entkommen. Aber wir mussten feststellen, dass
       sich der Tod sehr schnell überall ausbreitete. Israelische Drohungen und
       Bombardierungen wechselten sich ab, nirgendwo schien es sicher zu sein. Aus
       professioneller Sicht wie auch als Familie wurde die Lage immer
       komplizierter.
       
       Viele Journalist:innen, darunter auch mein Mann, nutzten Zelte rund um das
       Nasser-Krankenhaus in Chan Yunis, der zweitgrößten Stadt im Gazastreifen,
       als Unterschlupf für ihre Arbeit. Internet- und Telefonverbindungen fielen
       häufig aus, journalistische Arbeit wurde nahezu unmöglich. Ich konnte dort
       nicht lange bleiben, weil uns die israelische Armee erneut aufforderte, den
       Ort zu verlassen, diesmal sollten wir nach Rafah.
       
       Wie viele andere lebten wir dort drei Monate lang in Zelten. Es war
       schrecklich, weil ich zum einen Angst hatte, wegen meiner Arbeit als
       Berichterstatterin ins Visier genommen zu werden. Zum anderen musste ich
       irgendwie meine Familie versorgen. Als Journalistin zu arbeiten, wurde zu
       einem Ding der Unmöglichkeit.
       
       Jedes Mal, wenn ich einen weiteren getöteten Kollegen melden musste,
       zitterte ich vor Angst, es könnte einer meiner Verwandten sein.
       
       Ich stamme aus einer Journalistenfamilie, mein Mann, meine Brüder und mein
       Sohn sind Journalisten. Es ist sehr bedrückend und schmerzhaft, jeden Tag
       den Tod eines Kollegen zu dokumentieren, mit dem man früher gemeinsam
       berichtet hat. Sich dem rund um die Uhr auszusetzen, hat großen Schmerz in
       mir hinterlassen. Die Angst davor, selbst zur Nachricht zu werden, war
       grauenvoll. In keinem Krieg gab es so viele getötete Journalist:innen.
       Hunderte Verletzte und die Zerstörung aller Medieneinrichtungen kommen
       hinzu.
       
       Diese Realität verfolgte mich, sie ließ mich nicht los, und ich bin auch
       nicht von psychologischen Schäden verschont geblieben. Es grenzt für mich
       an ein Wunder, dass ich jeden israelischen Angriff überlebt habe – bislang.
       
       Ich arbeite seit 15 Jahren als Journalistin und habe mich darauf
       spezialisiert, Angriffe auf Medienschaffende und Verstöße gegen die
       Pressefreiheit zu dokumentieren. Dieser Krieg ist der bislang brutalste
       gegenüber Journalist:innen – sie genießen keinerlei Schutz, weder durch
       Immunität noch durch andere internationale Konventionen.
       
       Aus dem Arabischen: Christopher Resch
       
       Freie Journalistin aus Gaza-Stadt, die anonym bleiben will: 
       
       Zu Beginn des Gazakriegs lebte ich mit meiner Familie in meinem Haus in
       Gaza-Stadt. Ich wurde Zeugin von schweren israelischen Luftangriffen auf
       Gebäude im Flüchtlingslager in der Nähe. Ich erinnere mich noch sehr gut
       daran, wie meine Familie und ich die ganze Nacht nicht schlafen konnten,
       weil die israelischen Bomben so schrecklich klangen. Es war sehr unheimlich
       in der Dunkelheit inmitten des Bombenlärms, ohne Verbindung nach außen und
       ohne Strom.
       
       In der zweiten Nacht wurden wir plötzlich durch Schreie unserer Nachbarn
       geweckt: Sie hatten einen Anruf der israelischen Armee erhalten, der ihnen
       befahl, das Stadtviertel zu verlassen. Wir waren schockiert, da wir nicht
       wussten, wohin wir spät nachts gehen sollten. Wir entschieden uns für die
       Al-Schifa-Klinik, weil wir davon ausgingen, dass die israelische Armee das
       Krankenhaus nicht angreifen würde. Ohne darüber nachzudenken, welche Dinge
       wir mitnehmen mussten, verließen wir das Haus, um einer Evakuierung
       zuvorzukommen.
       
       Im Al-Schifa-Krankenhaus war die Lage katastrophal. Tausende von Familien
       hatten Zuflucht im Hof und im Innern des Krankenhauses gesucht. Inmitten
       dieser fatalen Situation berichteten mir Kollegen, dass Israel alle
       Bewohner:innen von Gaza-Stadt aufgefordert hatte, in den Süden des
       Gazastreifens zu ziehen. Diese Nachricht versetzte mich in Panik, weil ich
       nicht wusste, wohin ich im Süden gehen sollte. Einer unserer Verwandten
       erklärte sich dann bereit, uns in seiner Wohnung in Chan Yunis aufzunehmen.
       
       Im neuen Unterschlupf lebten wir in ärmlichen Verhältnissen – ohne Strom
       und mit begrenzten Mengen an Wasser und Lebensmitteln. Es gab kein
       Internet, weshalb ich journalistische Recherchen aufgeben musste. Ich war
       vollauf damit beschäftigt, Lebensmittel für meine Familie zu organisieren
       und in den Krankenhäusern eine Möglichkeit zu finden, mein Handy
       aufzuladen, um für internationale Medien zumindest über die humanitäre
       Krise im Süden des Gazastreifens zu berichten. Das setzte mich wiederum
       psychisch unter Druck, weil meine Familie um meine Sicherheit fürchtete,
       als sie feststellte, dass ich mit internationalen Medien über das Leid der
       Zivilbevölkerung sprach. Mehrfach bat mich meine Familie, nicht mehr zu
       berichten, da einige Journalisten vom israelischen Militär angegriffen
       worden waren.
       
       Ich beschloss, nach Gaza-Stadt zurückzukehren. Der Weg dahin war sehr
       gefährlich, aber ich sah keine andere Möglichkeit. Als ich in meinem Haus
       in Gaza-Stadt ankam, entspannte ich mich kurzzeitig. Doch dann
       verschlechterte sich die Situation dramatisch, denn Israel hatte
       beschlossen, das benachbarte Al-Schifa-Krankenhaus anzugreifen. Es kamen
       israelische Panzer in mein Viertel, und in der Nähe gab es Feuergefechte
       zwischen bewaffneten palästinensischen Gruppen und der israelischen Armee.
       Ein Geschoss traf mein Haus.
       
       Darum entschieden wir uns, zum zweiten Mal in den Süden umzusiedeln.
       Diesmal war das noch gefährlicher, denn wir waren gezwungen, stundenlang zu
       Fuß zu gehen, weil die israelische Armee den Verkehr auf der Hauptstraße
       Salah al-Din behinderte. Als wir die Mitte des Gazastreifens erreichten,
       fanden wir ein Taxi, das uns nach Chan Yunis brachte.
       
       Der zweite Aufenthalt in Chan Yunis war schrecklich: Jeden Tag waren die
       israelischen Bomben zu hören, und ich konnte mich nicht mehr auf meine
       Arbeit konzentrieren. Es war kalt. Ich schlief auf dem Boden auf einer
       dreckigen Matratze und einem schmutzigen Kissen. Es gab nicht genug Wasser,
       um sie zu waschen. Dann bekam ich eine Grippe, versuchte Medikamente zu
       finden, fand aber keine.
       
       Schließlich baten wir meine im Ausland lebende Schwester um Hilfe. Sie
       unterstützte uns bei der Evakuierung aus Chan Yunis über den Grenzübergang
       Rafah. Vorübergehend leben wir jetzt in einem europäischen Land bei ihr.
       Mein Laptop wurde unterwegs beschädigt, ich kann deshalb nicht arbeiten.
       Wir fühlen uns nun zwar physisch sicher, aber in Gedanken sind wir immer
       noch im Gazastreifen.
       
       Aus dem Englischen: Ole Schulz 
       
       Sami O. Zyara, Produzent für ABC News in Gaza: 
       
       Ich bin ein 50-jähriger Palästinenser und Vater von neun wunderbaren
       Kindern. Seit 1993 arbeite ich als Produzent für ABC News. Im Laufe meiner
       Karriere habe ich professionell über eine Vielzahl historischer Ereignisse
       und Kriege berichtet, bei denen ich unzählige Risiken in Kauf genommen
       habe, um die neuesten Entwicklungen in der palästinensischen Welt
       darzustellen.
       
       Seit dem israelischen Rückzug aus dem Gazastreifen im Jahr 2005 habe ich
       mehrere Kriege im Gazastreifen und Dutzende von Eskalationsstufen verfolgt.
       Für mich persönlich ist der aktuelle Krieg außergewöhnlich und lässt sich
       in Bezug auf das Ausmaß der Zerstörung, die Dauer und die Zahl der Opfer
       nicht mit den früheren Kriegen vergleichen.
       
       Am 7. Oktober sprang ich morgens aus meinem Bett, um zu duschen und mich
       anzuziehen. In der Nacht hatte ich mich um meinen kranken Vater gekümmert.
       Ich bügelte meine Kleidung, trank einen Kaffee – und sah, wie Raketen auf
       Israel den Himmel über Gaza bedeckten. Seitdem befinde ich mich persönlich
       in einer Art Wachkoma, aus dem ich mich nicht befreien kann. Ich ahnte,
       dass wir auf einen heftigen, lang anhaltenden und beispiellosen Krieg
       zusteuerten, und so ist es auch eingetreten.
       
       Ich wohne in einem Haus im nördlichen Gazastreifen, der an Israel grenzt,
       was mich jedes Mal, wenn wir Zeuge von Kämpfen mit Israel werden, zutiefst
       beunruhigt. In jedem der früheren Kriege habe ich bei meinen Kindern
       geschlafen, aber in diesem Krieg habe ich es nicht geschafft, die langen,
       schrecklichen Nächte mit ihnen zu verbringen, damit sie sich angesichts der
       unglaublichen Menge an Bomben, die auf unsere Nachbarschaft niederfielen,
       sicher fühlen konnten.
       
       Im Laufe des Krieges erhielten wir von den Israelischen
       Verteidigungsstreitkräften (IDF) mehrfach den Befehl, in Gebiete zu
       fliehen, die als sichere Zonen ausgewiesen wurden. Wir waren gezwungen, 16
       verschiedene Orte aufzusuchen, um in Sicherheit zu sein. Ich habe
       erschütternde Situationen erlebt und sah, wie Neugeborene, Kinder, Frauen
       und ältere Menschen schwer verletzt oder getötet wurden.
       
       Jedes Mal, wenn ich miterlebe, wie Kinder getötet werden, bin ich völlig
       niedergeschlagen und unfähig, so zu funktionieren, wie ich sollte. Der
       Schmerz raubt mir jede Energie, während ich an meine Kinder denke und mich
       frage, was wäre, wenn ich an ihrer Stelle wäre. Dieser Krieg hat mich
       hilflos gemacht, weil ich die Hoffnung auf ein Überleben oft genug verloren
       habe.
       
       Ich habe zusammen mit meinem Team über die neuesten Entwicklungen in Gaza
       berichtet. Wir zogen von einem Ort zum anderen, um ein wahrheitsgetreues
       Bild der Lage zu zeichnen. Dabei brachten wir uns häufig selbst in Gefahr.
       Jeder Tag war eine echte Herausforderung, denn ich musste meiner Familie
       das Nötigste zum Überleben besorgen, einschließlich Wasser, Lebensmittel,
       Medikamente und Hygieneartikel, und das in einer Zeit, in der es an
       humanitären Hilfsgütern aller Art mangelte. Wir mussten stundenlang in der
       Schlange stehen, um Brot, Dosenbohnen und ein paar Flaschen Wasser zu
       ergattern.
       
       Meine Arbeitskolleg:innen haben ihre Häuser verloren, nachdem sie
       während der israelischen Landnahme zerstört worden waren. Für mich ist das
       Ausmaß der Zerstörung nicht mit früheren Kriegen zu vergleichen. Auch ich
       habe mein Haus, mein Büro und eine Fahrschule verloren, die mir gehört –
       und mein Ackerland wurde komplett zerstört.
       
       Palästinensische Journalist:innen müssen allein arbeiten, nachdem
       Israel ausländischen Journalist:innen im Rahmen der laufenden
       Militäraktion den Zugang zum belagerten Gazastreifen verwehrt hat. Seit
       über fünf Monaten können ausländische Journalist:innen keine
       Augenzeugen der Verbrechen werden, die in Gaza begangen werden.
       
       Im fünften Monat des Krieges ist es mir gelungen, einen Teil meiner Familie
       mithilfe von ABC News aus Gaza zu evakuieren.
       
       Ich bin immer noch hier und kümmere mich um meine Eltern, bin aber kaum in
       der Lage, die täglichen Herausforderungen zu meistern, um zu überleben. Ich
       keuche schwer und altere schnell. Unter diesen Umständen bleiben viele
       journalistische Geschichten unerzählt. Der Krieg ist für mich ein Albtraum,
       doch ich versuche, die Nerven zu bewahren.
       
       Jedes Mal, wenn ich von einem Waffenstillstand fantasiere, überkommt mich
       ein unheimliches Gefühl der Skepsis. Soll ich mich als Überlebenden feiern
       oder mich schuldig fühlen? Soll ich am Friedhof derer stehen, die mir ihre
       Träume anvertraut haben, und für sie ein Klagelied singen?
       
       Das Leben ist zu einer tristen Angelegenheit geworden – in unserer langen
       Geschichte voller Trauer und Melancholie.
       
       Aus dem Englischen: Ole Schulz 
       
       Anmerkung der taz Panter Stiftung: [4][Unterstützen Sie
       Journalist:innen in Not]. Auch im Krieg müssen kritischer Journalismus
       und freie Berichterstattung möglich sein.
       
       16 Mar 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Reporter-ohne-Grenzen-ueber-Gaza-Krieg/!5982676
 (DIR) [2] /Al-Jazeera-im-Nahostkonflikt/!5977556
 (DIR) [3] /Lage-in-Gaza/!5966015
 (DIR) [4] /spenden
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christopher Resch
 (DIR) Mohammed Abu Saif
 (DIR) Sami O. Zyara
 (DIR) Ola al-Zaanoun
       
       ## TAGS
       
 (DIR) taz Panter Stiftung
 (DIR) Israel
 (DIR) Journalismus
 (DIR) Palästina
 (DIR) Schwerpunkt Nahost-Konflikt
 (DIR) GNS
 (DIR) Gaza
 (DIR) Reporter ohne Grenzen
 (DIR) Schwerpunkt Pressefreiheit
 (DIR) Journalismus
 (DIR) taz Panter Stiftung
 (DIR) Reporter ohne Grenzen
 (DIR) Schwerpunkt Pressefreiheit
 (DIR) Medien
 (DIR) Schwerpunkt Pressefreiheit
 (DIR) Schwerpunkt Nahost-Konflikt
 (DIR) Schwerpunkt Pressefreiheit
 (DIR) Schwerpunkt Nahost-Konflikt
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Israelische Angriffe auf Gaza: Können Journalisten Terroristen sein?
       
       Gaza ist ein Friedhof für Journalisten. Doch Israel behauptet immer wieder,
       eigentlich Terroristen zu treffen. Die Unterscheidung ist manchmal schwer.
       
 (DIR) Zwei rechte Zeitungen: Die „Bild“ und das Bibi-Blatt
       
       Die „Bild“ will künftig mit der rechten Zeitung „Israel Hayom“
       zusammenarbeiten. Sie ist in Israel für ihren Kuschelkurs mit Premier
       Netanjahu bekannt.
       
 (DIR) Pressefreiheit in Nahost: Informationskrieg um Gaza
       
       „Embedded“, also vom Militär begleitet, zu berichten, ist im Krieg üblich.
       Doch die Grenzen dieser Praxis müssen offengelegt werden.
       
 (DIR) Tag der Pressefreiheit 2024: Wahrheit, Macht und Wahnsinn
       
       Das erste Opfer im Krieg ist bekanntlich die Wahrheit. Zu den weiteren
       Opfern zählen immer wieder Journalisten, die teilweise gezielt getötet
       werden.
       
 (DIR) Zum Tag der Pressefreiheit 2024: Krieg gegen Medienfreiheit
       
       Kriegführenden Staaten geht es nicht um freien Journalismus, sondern um
       Propaganda. In Kriegszeiten blüht auch in Demokratien die Doppelmoral.
       
 (DIR) Online-Medium für den Nahen Osten: Eine Brücke vor dem Einsturz
       
       Das Online-Magazin qantara.de soll Deutschlands Ruf in der arabischen Welt
       verbessern. Nun droht die Redaktion mit Rücktritt. Was ist da los?
       
 (DIR) Presse in China: Live-Schalte zur Zensur
       
       Nach einer Explosion treffen die Repressionen Chinas sogar eine Reporterin
       der staatseigenen Medien. Es folgt eine Welle der Solidarität.
       
 (DIR) Krieg im Gazastreifen: Ein Grab für Journalist*innen​
       
       Palästinensische Reporter*innen berichten aus dem Gazastreifen von
       Blutvergießen und Zerstörung.​ Dutzende wurden dabei selbst getötet.
       
 (DIR) Palästinensische Reporter in Gaza: Journalisten auf Todeslisten
       
       Für Journalist*innen ist der Nahost-Krieg der gefährlichste seit 30
       Jahren. Die, die Nachrichten überbringen, werden selbst zu Nachrichten.
       
 (DIR) Pressefreiheit im Israel-Gaza-Krieg: Journalist*innen als Zielscheibe
       
       In dem Krieg zwischen Israel und der Hamas wurden bisher mindestens neun
       palästinensische, ein israelischer und ein libanesischer Journalist
       getötet.