# taz.de -- Neues Buch von der „Queen of Crime“: Ein alter schottischer Blutfleck
       
       > Denise Mina erzählt von einem berühmten Mord in Maria Stuarts Königshaus.
       > Sie macht dabei alte Glaubenskonflikte in Schottland erschreckend
       > lebendig.
       
 (IMG) Bild: Die Burg von Edinburgh
       
       Es ist so ziemlich der berühmteste und blutigste Mord in der nicht gerade
       unblutigen Geschichte Schottlands: Am 9. März 1566 überfiel eine
       Hundertschaft bewaffneter Männer eine kleine Tischgesellschaft in den
       Privaträumen von Königin Maria Stuart im [1][Schloss von Edinburgh] und
       ermordete ihren italienischen Privatsekretär David Rizzio. Jeder der
       zahlreichen Verschwörer stach einmal zu.
       
       Mit im Komplott war auch Marys Ehemann Lord Henry Darnley; der
       Zwanzigjährige war überzeugt davon, dass seine Frau ihn mit dem Italiener
       betrog.
       
       David Rizzio hatte sich eigentlich nichts zuschulden kommen lassen, aber er
       war für den Geschmack vieler Adliger einfach zu einflussreich geworden.
       Seine Ermordung war auch eine Stellvertretertat, ein Fanal gegen die
       Regentschaft einer katholischen Königin in einem mehrheitlich
       protestantischen Land. Die politische Lage war extrem angespannt, religiöse
       Eiferer vergifteten das gesellschaftliche Klima, und Menschenleben galten
       wenig.
       
       Die Blutlache, in der Rizzios Leichnam noch stundenlang lag, muss riesig
       gewesen sein, sehr viel größer jedenfalls als der „Blutfleck“, der in
       Schloss Holyrood auch heutzutage noch sorgsam gepflegt wird und über dem
       eine Rizzio-Erklärplakette angebracht ist. Denise Mina schildert die
       Örtlichkeiten in ihrem informativen Nachwort zu „Der Vertraute der Königin“
       und erklärt in diesem Zusammenhang auch, dass [2][Maria Stuarts Räume im
       Schloss] grundrenoviert werden mussten, nachdem man sie jahrhundertelang
       hatte verkommen lassen. Dabei wurde der Fußboden neu gelegt und um 15
       Zentimeter angehoben.
       
       „Der Vertraute der Königin“ ist, obwohl von der schottischen Queen of crime
       verfasst, ganz und gar kein Krimi, sondern in Länge und Form eine
       klassische historische Novelle. Spannend ist sie vor allem in
       psychologischer Hinsicht. Das Erzeugen von handlungsbezogener Spannung ist
       dagegen nicht zentral, denn wir wissen ja schon zu Beginn, was geschehen
       wird.
       
       ## Fühlen in Extremsituationen
       
       Die Autorin, die zweifellos sehr gründlich recherchiert hat, füllt qua
       Einfühlungskraft den historischen Weißraum, der die legendäre Bluttat
       umgibt, mit Leben und macht annäherungsweise vorstellbar, was die
       beteiligten Personen in jener Extremsituation gefühlt, gedacht und gesagt
       haben könnten.
       
       Die ohnehin bereits zerrüttete Beziehung zwischen Mary und ihrem Ehemann
       findet ihren Tiefpunkt im Bild des jungen Lord Darnley, der seine
       schwangere Frau festhält, damit sie den hinter ihr kauernden Rizzio nicht
       mit ihrem Körper gegen die Angreifer abschirmen kann.
       
       Nach dem Mord wird Mary Stuart in ihren Gemächern eingesperrt. Erstaunlich
       ist das Verhalten einer älteren Hofdame, die, obwohl die Königin für den
       Tod von mehreren ihrer Angehörigen verantwortlich ist, zu Mary hält und ihr
       hilft, eine drohende Frühgeburt zu simulieren, um im allgemeinen Chaos
       Botschaften aus dem Schloss schmuggeln zu können.
       
       Ist diese Episode womöglich reine Fiktion, also ein fantasievoll ersonnenes
       Beispiel dafür, dass das Leben im Schottland der Renaissance nach einer
       guten Portion Pragmatismus verlangte und dass angesichts rohester
       männlicher Gewalt weibliche Solidarität manchmal selbstverständlich war?
       
       ## Das erste Tennismatch
       
       Welche Quellen Denise Mina verwendet hat, erfahren wir nicht; aber es sind
       jedenfalls zahlreiche andere Details im Buch historisch zutreffend, die
       zunächst ebenso überraschend anmuten. Zum Beispiel beginnt die Novelle
       [3][mit einem „Tennismatch“] zwischen Henry Darnley und David Rizzio; und
       obwohl diese Szene leicht als effektvoller Autorinneneinfall durchgehen
       würde, fand dieses Ballspiel am Nachmittag des 9. März 1566 tatsächlich
       statt.
       
       Eine Urform des Tennis – allerdings hieß es eigentlich anders – war bereits
       in der Renaissance weit verbreitet und nicht nur am schottischen Hof sehr
       beliebt.
       
       Es gibt keine zentrale Figur, dafür aber eine Vielzahl sehr
       unterschiedlicher Erzählperspektiven in diesem packenden Drama um Macht und
       die richtige Religion. Was Letztere betrifft, so lässt die Autorin keinen
       Zweifel daran, dass auch im Kontext der damaligen Zeit Religion gern
       instrumentalisiert wurde, um nackte Machtinteressen durchzusetzen, und dass
       radikal auftrumpfende Einpeitscher politisch geduldet wurden, weil religiös
       motivierter Terrorismus auf verquere Weise nützlich sein konnte.
       
       Noch in derselben Nacht wie Rizzio im Schloss wird in der Altstadt von
       Edinburgh ein katholischer Mönch ermordet – von einem radikalisierten
       Konvertiten, dessen Hinrichtung wir anschließend aus seiner eigenen
       Perspektive miterleben dürfen.
       
       Die adligen Mörder des Italieners Rizzio hingegen werden nie belangt.
       
       5 Jan 2024
       
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