# taz.de -- Leiter der JVA Tegel über den Knast: „Tegel hatte sehr dunkle Zeiten“
       
       > Im Herbst wird die Männerhaftanstalt in Berlin-Tegel 125 Jahre alt. Ihr
       > Leiter Martin Riemer fühlt sich strikt Recht und Gesetz verpflichtet.
       
 (IMG) Bild: Martin Riemer an seinem Arbeitsplatz: die Justizvollzugsanstalt Berlin-Tegel
       
       wochentaz: Herr Riemer, seit 10 Jahren leiten Sie die Männerhaftanstalt
       Berlin-Tegel, die rund 700 Insassen hat. Glauben Sie noch an das Gute im
       Menschen? 
       
       Martin Riemer: Manche werden im Justizvollzug zum Zyniker, aber das würden
       sie wahrscheinlich auch anderswo. Um dauerhaft in einem Gefängnis arbeiten
       zu können, muss man ein positives Menschenbild haben. Ich glaube, das habe
       ich mir bewahrt.
       
       Haben Sie sich in dieser Zeit überhaupt nicht verändert? 
       
       Ich bin in der Beurteilung von Menschen zurückhaltender geworden. Ich
       versuche mir immer einen zweiten und dritten Eindruck zu verschaffen. Eine
       Mischung aus Empathie und Misstrauen kommt da zum Tragen.
       
       Wie nahbar sind Sie für die Gefangenen als Anstaltsleiter? 
       
       Die Gefangenen sprechen mich an, diejenigen, die länger da sind, kenne ich
       meistens auch. Ich gehe aber nicht hin und begrüße jeden. Dazu gibt es zu
       viele und das ist auch nicht meine Rolle. Und ich bin auch nicht so häufig
       in der Anstalt unterwegs, wie ich es mir wünschen würde.
       
       Wie definieren Sie Ihre Rolle? 
       
       Meine Aufgabe ist, das System zu prägen, durch Regeln, aber auch durch das
       persönliche Vorgeben und Vorleben einer bestimmten Haltung. Von wenigen
       Ausnahmen abgesehen ist es nicht meine Aufgabe, Einzelfallentscheidungen zu
       treffen, bezogen darauf, den Gefangenen etwas zu genehmigen oder zu
       verbieten. Ich vertraue vor allem darauf, dass ich starke, gute
       Führungskräfte in allen Bereichen habe, die sich zu 100 Prozent
       interessieren und einsetzen.
       
       Bestimmte Haltung, was heißt das? 
       
       Ganz strikt Recht und Gesetz verpflichtet. Der Behandlung und dem
       Resozialisierungsziel verpflichtet. An einem humanen Menschenbild
       orientiert auf die Gefangenen zugehend, aber auch die Konfrontation nicht
       scheuend.
       
       Haben Sie ein Beispiel? 
       
       Wenn wir einem Gefangenen eine Lockerung nicht gewähren wollen, weil wir
       sie nicht für vertretbar halten, schöpfen wir den Rechtsweg nötigenfalls
       durch alle Instanzen aus. Ich zeige auch fast täglich Strafgefangene an,
       wegen Bedrohung von Mitarbeitern, Verleumdung und Sachbeschädigung, das
       reicht hin bis zu sexueller Belästigung und Körperverletzung. Wir haben zum
       Beispiel kürzlich einen Strafgefangenen angezeigt, der einer Mitarbeiterin
       aufs Gesäß gehauen hat.
       
       Sind Sie da strikter als Ihre Vorgänger? 
       
       Mein Anspruch ist, dass das hier kein rechtsfreier Raum ist.
       
       Es gibt Leute, die zeichnen von Ihnen das Bild, ein sehr bürokratischer
       Mensch zu sein, einer, der Tegel aus dem Elfenbeinturm regiert. 
       
       Das ist ein sehr grob geschnittenes Bild. Ich trete gegenüber den
       Gefangenen und auch meinen Kolleginnen und Kollegen eher zurückhaltend auf,
       das ist richtig. Ich duze hier ausnahmslos niemanden und bin auch kein
       Schulterklopfer, keiner, der in den Arm nimmt. Das entspräche auch nicht
       meinem Naturell. Ich halte mich aber für kommunikativ und aufgeschlossen.
       
       Ihr persönliches Dienstjubiläum fällt mit dem [1][125. Geburtstag der JVA
       Tegel] zusammen. Im Oktober 1898 wurde die Haftanstalt eröffnet. Ist eine
       Feier geplant? 
       
       Der Geburtstag von Tegel ist kein Anlass zum Feiern. Wir werden einen
       Rückblick auf die Geschichte werfen und einen Ausblick auf die Zukunft
       geben. Tegel hatte sehr dunkle Zeiten. Schon in der Kaiserzeit sind hier
       politisch Unliebsame inhaftiert worden. Auch in der Weimarer Republik
       wurden hier Menschen allein für ihre politische Haltung eingesperrt.
       Prominentester Gefangener dürfte wohl der spätere Friedensnobelpreisträger
       Carl von Ossietzky gewesen sein. Die dunkelste Geschichte hatte Tegel aber
       in der nationalsozialistischen Zeit.
       
       Wie wirkte sich das aus? 
       
       Im Haus III waren Untersuchungsgefangene des Volksgerichtshofs inhaftiert.
       In den 40er Jahren waren hier viele Widerständler des politischen,
       kirchlichen, militärischen und auch gewerkschaftlichen Widerstandes
       inhaftiert. Viele wurden dann [2][in Plötzensee] oder Brandenburg-Görden
       hingerichtet. Zu den bekanntesten Gefangenen des Nazi-Regimes gehörten
       Helmuth James von Moltke, Dietrich Bonhoeffer, Alfred Delp und Bernhard
       Lichtenberg. Wir wissen auch, dass Häftlinge im Anschluss an ihre Strafhaft
       in Konzentrationslager deportiert worden sind.
       
       Wo rangiert Tegel unter den deutschen Gefängnissen? 
       
       Wenn man die Geschichte zurückverfolgt, war Tegel sehr lange das mit
       Abstand größte Gefängnis in Preußen und auch in Deutschland. So lag die
       Belegungsfähigkeit 1914 bei 1.628, die tatsächliche Belegung noch höher.
       Die höchste Belegung in den letzten Jahrzehnten hatten wir im Juni 2006 mit
       fast genau 1.800 Gefangenen. Gefängnisstadt oder Gefängnisfabrik sind
       Begriffe, die man noch in den 80ern und 90ern liest. Seit 2013, als die JVA
       Heidering in Betrieb ging, hat sich das glücklicherweise geändert. Aktuell
       sind wir bei weniger als 700 Gefangenen. Damit spielen wir noch in der
       vorderen Tabellenhälfte der ersten Liga mit, aber wir sind nicht mehr
       Bayern München.
       
       Einige der 1898 in panoptischer Bauweise errichteten Backsteinhäuser stehen
       heute noch. Die Teilanstalt II wird nach wie vor als Zellenhaus genutzt.
       Wie muss man sich die Haftbedingungen dort vorstellen? 
       
       2013, als ich Anstaltsleiter geworden bin, gab es für alle der damals 380
       Gefangenen der Teilanstalt II noch eine große Sammeldusche. Wir konnten
       dann für jeweils 30 Insassen Stationsduschen einbauen. Seither kann man
       dort alleine, ohne Gewalt und Verletzung der Intimsphäre, duschen.
       Unverändert ist aber, dass die Teilanstalt II sehr kleine, 7,8 Quadratmeter
       große Hafträume hat. Gerade noch so groß, dass sie von der Rechtsprechung
       bislang noch für vertretbar erachtet werden. Aber es gibt keine
       abgetrennten Sanitärbereiche. Die Gefangenen essen und schlafen mit dem
       Kopf neben dem Klo. Dazu kommt: Der Bau erschwert wegen der
       Unübersichtlichkeit den Kampf gegen die Subkultur.
       
       Warum wurde an diesen Zuständen nichts geändert?
       
       Weil der vorletzte Justizsenator [3][den bereits fertig geplanten Neubau
       gestoppt] hat. Der aktuelle Berliner Senat hat die Neubaupläne
       erfreulicherweise wieder aufgegriffen, aber bis 2027 werden die
       Inhaftierten und auch das Personal weiter mit den schwierigen Bedingungen
       klarkommen müssen.
       
       Können Sie sich vorstellen, auf 7,8 Quadratmetern zu leben und auf Schritt
       und Tritt reglementiert zu sein? 
       
       Ich habe nur eine abstrakte Vorstellung davon. Wenn die Tür hinter mir
       zugeschlossen würde, wüsste ich, dass sie nach einigen Minuten wieder
       aufgemacht würde. Die größte Belastung für mich wäre vermutlich der Druck
       der Subkultur.
       
       Ein Klima der Angst soll unter den Gefangenen in manchen Haftbereichen
       existieren. Was tun Sie dagegen? 
       
       Offizialdelikte, Körperverletzung oder noch schwerwiegendere Straftaten
       werden von uns selbstverständlich sofort angezeigt, wenn wir davon hören.
       Wenn ich mal eine Szene schildern darf: Zwei Gefangene und ein
       Justizbediensteter sitzen in einem Büroraum im Gespräch. Ein Mitgefangener
       reißt die Tür auf, stürmt wortlos rein und schlägt einem der am Tisch
       sitzenden Gefangenen mit voller Wucht in den Nacken. Das ist kein Fall für
       eine rein pädagogische Aufarbeitung, wie Sie sich vorstellen können.
       
       Gibt es unter den Tegeler Gefangenen eine Hierarchie? 
       
       Na klar.
       
       Wer führt die an? 
       
       Die, die in kriminellen Milieus draußen auch ganz oben wären. Die, die Geld
       haben, Macht und Einfluss, und die auch ein bisschen pfiffiger sind als die
       anderen und weniger Skrupel haben.
       
       Weshalb sitzen die bei Ihnen ein? 
       
       Gewaltdelikte und alles, was Geld bringt, ohne arbeiten zu müssen. Das sind
       die, die in der organisierten Kriminalität unterwegs und auch mit Muskeln
       bepackt sind. Das heißt, die, die auch draußen entsprechend martialisch
       auftreten, Leute einschüchtern.
       
       Wie viele dieser Männer haben Sie in Tegel? 
       
       Die zähle ich nicht. Das ist eine nicht allzu große, aber sehr relevante
       Gruppe. Wir versuchen die Mitgefangenen, die unter Druck gesetzt werden,
       damit sie Gefälligkeiten verrichten, zu schützen. Aber das Personal kann
       nicht überall sein. Subkultur funktioniert häufig sehr subtil, und der
       Einfluss krimineller Milieus reicht weit über die Mauern der Anstalt
       hinaus. Ein Gefangener, der ständig Angst hat, von Mitgefangenen
       misshandelt zu werden, ist für uns nicht so leicht erreichbar.
       
       Gibt es stabilisierende Faktoren? 
       
       Tegel ist geprägt als Langstrafergefängnis. Es gibt sehr hafterfahrene
       Männer, die teilweise auch andere Gefängnisse kennen. Ihr Anspruch ist,
       hier nicht jeden Tag Probleme zu haben, nicht ständig im Alarmfall
       Einschränkungen zu erleiden. Die wollen ihren Knast, wie man so schön sagt,
       in Ruhe abmachen. Die versuchen an der einen oder anderen Stelle auch zu
       stabilisieren. Etwa, wenn es Mitgefangenen nicht gut geht, sie
       gesundheitliche Probleme haben oder jemand vielleicht Suizidgedanken
       äußert. Dann kommen die auch zum Personal und sagen: „Gehen Sie da doch mal
       gucken“.
       
       Trotzdem haben sich in Tegel in diesem Jahr bereits vier Insassen das Leben
       genommen. Was geht Ihnen da durch den Kopf? 
       
       Dass es uns nicht gelungen ist zu erkennen, in was für einer seelischen
       Notlage sich diese Männer befunden haben. Für alle, Gefangene wie Personal,
       ist ein Suizid ein schreckliches Ereignis. Jeder Fall, auch der Versuch,
       wird intensiv nachbereitet.
       
       Haben die Strafanzeigen wegen Gewalt in der Anstalt zugenommen? 
       
       Das Austesten bis an die Grenze der Beleidigung und Bedrohung hat nach
       meiner Wahrnehmung zugenommen. Aber Gewalt gegen Personal hat im
       langjährigen Vergleich abgenommen.
       
       Dass Gewalttaten abnehmen, ist ein gesamtgesellschaftliches Phänomen. 
       
       Die gefühlte Sicherheit der Bevölkerung stimmt mit der
       Kriminalitätsstatistik nicht immer überein. In Berlin haben wir rund 2.000
       Gefangene weniger als noch vor 15 Jahren. Obwohl wir mehr Einwohner haben
       und auch bestimmt nicht weniger soziale Not. In der Pandemie haben sich
       bestimmte Kriminalitätsphänomene verschoben. Das merkt man im Justizvollzug
       und erst recht in Tegel. Bei uns ist die Auslese der Auslese der Auslese
       inhaftiert.
       
       Gefängnisse zu reformieren ist schwierig. Woran liegt das? 
       
       Die Verbesserung von Haftbedingungen ist nichts, wofür Politik, wenn sie
       sich der Wiederwahl stellt, breiten Applaus bekommt. Es gibt positive
       Veränderungen, aber Neuerungen brauchen Zeit. Das heute existierende System
       Strafvollzug ist das Ergebnis von langen Entwicklungen. Diese kann man gut
       über die 125 Jahre der Geschichte Tegels beobachten. Und sehr häufig ist
       der Anstoß zu Veränderungen nicht von der Politik ausgegangen, sondern
       unter dem Druck von Rechtsprechung.
       
       Das hätten wir gern genauer erklärt. 
       
       Wir hätten 1977 kein Strafvollzugsgesetz bekommen. Das hat das
       Bundesverfassungsgericht gefordert. Die [4][Reform der
       Sicherungsverwahrung] geht auf eine Entscheidung des Europäischen
       Gerichtshof für Menschenrechte aus 2009 und des Bundesverfassungsgericht
       aus 2011 zurück. Immer dann, wenn die Politik von den Gerichten die Pistole
       auf die Brust gesetzt bekommen hat, hat sich etwas bewegt. Im Sinne von:
       „Das dürft ihr nicht mehr. Ihr habt eine Übergangsfrist von zwei, drei
       Jahren, das zu ändern.“ Auch jüngst, in der Frage der Entlohnung der
       Gefangenen, ist das so.
       
       Keine 2 Euro beträgt der durchschnittliche Stundenlohn eines Gefangenen.
       Ein Verstoß gegen das Resozialisierungsgebot, [5][hat das
       Bundesverfassungsgericht nun befunden]. Zwei Gefangene aus Bayern und
       Nordrhein-Westfalen [6][hatten Verfassungsbeschwerde erhoben]. 
       
       Der Druck der Rechtsprechung hilft. Das war immer so. Dann sind
       Justizpolitiker in der Lage, Geld einzuspielen und das Parlament und die
       Öffentlichkeit zu überzeugen.
       
       Was halten Sie von der Meinung, Gefängnisse gehörten abgeschafft, weil die
       Insassen kaputter rauskommen, als sie reingekommen sind? 
       
       Wenn ich ein Abolitionist wäre, könnte ich kein Gefängnis leiten. Es gibt
       viele Dinge, die man anders und besser machen könnte. Ich glaube, dass eine
       Gesellschaft Strafe, insbesondere Freiheitsstrafe, immer nur als Ultima
       Ratio einsetzen sollte. Aber ich habe hier in Tegel auch Männer, bei denen
       ich sicher bin, dass es richtig ist, die Gesellschaft vor ihnen zu
       schützen. Und genau zu prüfen, ob sie sich während ihrer Strafe oder
       Sicherungsverwahrung so entwickelt haben, dass man eine Entlassung
       verantworten kann.
       
       Wie groß ist der Anteil, bei denen Sie das für ausgeschlossen halten? 
       
       Es gibt eine kleine Gruppe von Gefangenen, die trotz aller Versuche nicht
       erreichbar sind und die wirklich eine große Gefahr für die Gesellschaft
       darstellen. Männer, die schwerste Taten begangen haben. Die Meinung von
       Vollzugsexperten ist da einhellig, egal ob man mit sehr fortschrittlichen
       oder sehr konservativen Menschen spricht.
       
       Wie nah lassen Sie solche Taten an sich heran? 
       
       Es gibt Dinge in den Akten, bei denen jeder empathische Mensch Abscheu
       empfindet, es einen schüttelt. Ich habe das Privileg, derartiges nur lesen
       zu müssen. Im Unterschied zu den Psychotherapeutinnen und -therapeuten, die
       in Tegel seit vielen Jahren täglich Gewalt- oder Sexualstraftäter in der
       Einzeltherapie haben.
       
       Gesetzt den Fall, Sie könnten in Ihrer Haftanstalt etwas Grundlegendes
       verändern, was wäre das?
       
       Um die Verhältnisse stärker dem Leben draußen anzupassen, könnte ich mir
       vorstellen, dass sich die Gefangenen selbst mit Lebensmitteln versorgen und
       auch selbst kochen. Dass sie nur noch in Ausnahmefällen von uns versorgt
       werden. In der Sicherungsverwahrung praktizieren wir das schon seit vielen
       Jahren. Die Gefangenen haben ein Budget zur Verfügung, davon können sie
       einkaufen.
       
       Was ist das Problem? 
       
       Man müsste eine Kücheninfrastruktur schaffen. In einigen Bereichen ginge
       das, aber da merke ich eine gewisse Zögerlichkeit bei denen, die darüber zu
       entscheiden haben, welche Baumaßnahmen realisiert werden.
       
       War es immer Ihr Ziel, Gefängnisdirektor zu werden? 
       
       Dass ich hier gelandet bin, war reiner Zufall. Genauso, dass ich Jurist
       geworden bin. Ich habe da keine familiäre Vorprägung. Ich stamme aus einer
       Familie von Lehrern, Beamten, sozusagen guten Staatsdienern. Auch Pfarrer
       gab es im familiären Umfeld, also protestantisches Milieu.
       
       Haben Sie als junger Mensch auch mal über die Stränge geschlagen? 
       
       Natürlich.
       
       Und auch mal straffällig geworden? 
       
       Nein. Seit Beginn der Strafmündigkeit mit 14 ist es mir immer gelungen,
       mich soweit zu steuern, dass es nicht zum Äußersten gekommen ist.
       
       Sind Sie denn schon mal selbst Opfer einer Straftat geworden? 
       
       Das schon, aber nie Opfer einer relevanten Gewalttat. Meine
       Kreditkartendaten sind mal gehackt worden. Meine Bank hat mich auf
       merkwürdige Abbuchungen aus Malta aufmerksam gemacht, obwohl ich nicht in
       Malta war. Mein Autoradio ist mal geklaut worden.
       
       In Ihrer Amtszeit gab es einen Ausbruch. 2018 war der und erinnerte [7][an
       den Thriller „Flucht von Alcatraz“]. Ein Gefangener hatte eine Puppe
       gebastelt und in sein Bett gelegt. Er selbst versteckte sich unter einem
       Lebensmitteltransporter und gelangte so ins Freie. Ginge das heute auch
       noch? 
       
       Wir haben das damals sehr gründlich aufgearbeitet. Eine Puppe aus
       Kleidungsstücken kann man natürlich immer noch bauen, aber die Variante,
       unter dem LKW rauszufahren, halten wir für ausgeschlossen.
       
       Was macht Sie so sicher? 
       
       Wir haben zwei Tore. Jedes Fahrzeug, das die Anstalt verlässt, wird dort an
       einen Herzschlagdetektor angeschlossen. Selbst wenn da nur eine Maus drin
       ist, die einen Herzschlag hat – der Detektor schlägt aus.
       
       Das heißt, Sie schlafen ruhig? 
       
       Ich schlafe auch sonst ruhig.
       
       Auch keine Albträume, ob der Last der Verantwortung? 
       
       In einer Institution, die auf Zwang ausgelegt ist, in der so viele
       Straftäter wegen nicht geringer Delikte inhaftiert sind, kann immer etwas
       passieren. Da ist der Drang nach Freiheit, die fehlende Regelorientierung.
       Es kann aber auch sein, dass jemand einfach Feuer legt in seiner
       psychischen Verfasstheit. Aber man muss auch abschalten können. Im
       Gefängnis zu arbeiten ist nichts für ängstliche Menschen. Und ein Gefängnis
       zu leiten noch weniger.
       
       18 Sep 2023
       
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