# taz.de -- Fünf Euro für Venedig: Ein besonderer Tag
       
       > Ab 2024 sollen Tagestouristen für Venedig an bestimmten Tagen Eintritt
       > bezahlen. Die Maßnahme wird keines der drängenden Probleme der Stadt
       > lösen.
       
 (IMG) Bild: Da ist doch noch Platz für einen Tagestouristen
       
       Eintritt für Venedig! Die einen sind empört, die anderen fragen sich, warum
       erst jetzt. Nehmen wir erst mal die nicht nur in Italien immer heißer
       werdende Luft raus: [1][Dortigen Medien zufolge] sollen zwar ab Ostern 2024
       Tagestouristen ein Eintrittsgeld von 5 Euro für Venedig zahlen, aber nur an
       etwa 30 besonders bedrängten Tagen des Jahres, an denen eh kein
       vernünftiger Mensch in die Lagune reist. Die genauen Daten stehen nicht
       fest, die endgültige Entscheidung fällt im Stadtparlament am 12. September.
       
       Wer in Venedig, Mestre oder auf den kleineren Inseln wie dem Lido nächtigt,
       muss den Aufenthalt nicht voranmelden und auch nicht zahlen – dafür wird
       schon Kurtaxe fällig. Die ganze Angelegenheit wurde am Dienstag von der
       venezianischen Stadtregierung erst mal als Versuch charakterisiert, um des
       auf italienisch [2][overturism genannten Phänomens] Herr zu werden, von dem
       alle, die schon mal in Venedig waren, wissen, was gemeint ist: etwa weil
       sie bei dem Versuch, sich auf dem Weg zwischen Bahnhof, Rialto und
       Markusplatz durchzuschlängeln, in das Pizzastück eines am Boden essenden
       Backpackers getreten sind.
       
       An den erwähnten dreißig Tagen ist auch eine Vorbestellung nötig. Für diese
       Reservierung wird ein Internetportal eingerichtet, auf dem ein QR-Code
       ausgegeben wird. Kinder unter 14 Jahren sind frei, die Erwachsenen, die
       ohne Code erwischt werden, zahlen zwischen 50 und 300 Euro. Wovon diese
       Spreizung abhängt, ist unklar, aber wahrscheinlich schadet es nicht, sich
       in der Landessprache herausreden zu können.
       
       Bürgermeister Luigi Brugnaro appelliert an alle, bei den Maßnahmen
       mitzumachen, „um Venedig zu retten und es die älteste Stadt der Zukunft
       werden zu lassen“, wie ihn der Corriere della sera zitiert. Es gehe darum,
       heißt es aus dem Rathaus, das Gleichgewicht zwischen Einheimischen und
       Touristen zu wahren.
       
       ## Weltkulturerbe gefährdet
       
       Da es kein Limit für die Reservierung gibt, ist die Idee, dass schon
       Zahlung und Vorbestellung allein Hunderte von Besuchern täglich abschrecken
       würden, die „Plage“, wie ein Funktionär die Tagestouristen nennt.
       Hintergrund sei die Sorge des Bürgermeisters, die Unesco könne, wenn
       Maßnahmen seitens der Stadtregierung ausblieben, Venedig auf die Liste des
       gefährdeten Weltkulturerbes setzen.
       
       Ende Juli hatten Experten der UN-Kulturorganisation eben das empfohlen, um
       Druck auf die Verantwortlichen auszuüben. Die Experten sehen die Stadt und
       ihre Lagune irreversiblen Veränderungen durch Massentourismus und
       Klimawandel ausgesetzt. Eine Entscheidung hierzu seitens des
       Welterbekomitees der UN-Mitgliedsstaaten steht im September an.
       
       Schon 2021 drohte eine solche Klatsche für die politischen
       Verantwortlichen. Damals ging es um die Zufahrt für die Kreuzfahrtschiffe,
       die die historische Bausubstanz gefährden. Große Kreuzfahrtschiffe dürfen
       deswegen seit dem August 2021 nicht mehr durch Teile der Lagune fahren –
       ein Last-minute-Kompromiss, der von vielen Liebhaberinnen der „Serenissima“
       als oberfaul eingestuft wurde – [3][so etwa in der taz von der seit Langem
       in Venedig lebenden Autorin Petra Reski.]
       
       Naheliegend ist also, dass mal wieder eine Last-minute-Aktion weniger dafür
       sorgen soll, dass sich Venedig dauerhaft als tatsächliches Welterbe
       erhalten kann – dazu würden dann auch die 50.000 echten Einheimischen im
       historischen Zentrum gehören. Vielmehr soll der geschundene Esel Venedig
       einfach munter weiter Gold scheißen: Denn die lächerlichen 5 Euro Eintritt
       könnten laut Corriere della sera gerade mal die nötige Infrastruktur und
       die Kontrolle der Maßnahmen selbst finanzieren.
       
       Venedig steht zweifellos unter einem besonderen Besucherdruck, aber der
       Massentourismus ist dort seit der Etablierung des Karnevals im 17.
       Jahrhundert ein Fakt, von dem die Stadt sehr lange als lebendiger
       Organismus profitieren konnte. Die Stadtregierung unter Bürgermeister
       Brugnaro scheint nicht in der Lage zu sein, ein echtes Zukunftsmodell zu
       entwickeln. Touristen, die sich von venezianischen Gierhälsen nicht als
       „Plage“ diffamieren lassen wollen, sei deswegen eine andere „Serenissima“
       empfohlen, eine von riesigen Problemen gebeutelte, aber dabei
       quicklebendige Großstadt: Genua, der traditionelle Erzfeind Venedigs.
       
       6 Sep 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.ansa.it/veneto/notizie/2023/09/05/ticket-dingresso-a-venezia-si-parte-nel-2024_a8248d6f-0981-431f-abef-b5e6501f421e.html
 (DIR) [2] /Widersprueche-im-Tourismus/!5574029
 (DIR) [3] /Kreuzfahrtschiffe-bei-Venedig/!5781361
       
       ## AUTOREN
       
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