# taz.de -- Klimaschutz-Klagen gegen Konzerne: Gerichte verweisen auf Gesetzgeber
       
       > Umweltverbände versuchen, Konzerne per Gerichtsurteil zum Senken ihrer
       > CO₂-Emissionen zu bringen. Bislang ist das in Deutschland erfolglos.
       
 (IMG) Bild: Können Gerichte Konzerne zu mehr Klimaschutz zwingen als die Politik?
       
       Berlin taz | Shell hat verloren. Die Rechtbank Den Haag, ein
       niederländisches Gericht der ersten Instanz, hat den Ölkonzern im Mai 2021
       dazu verpflichtet, [1][klimafreundlicher zu werden]. Bis 2030 muss er seine
       Treibhausgas-Emissionen dem Urteil nach um mindestens 45 Prozent senken.
       Auch wenn Shell im vergangenen Jahr Berufung eingelegt hat, über die noch
       nicht entschieden ist: Es war ein spektakuläres Verfahren. Und eines, das
       sich Jurist:innen auch in Deutschland zum Vorbild nehmen.
       
       Denn auch hierzulande gärt die Frage, wie man große Unternehmen zum
       Klimaschutz bringen kann, wenn sie klimaschädliche Geschäftsmodelle nicht
       von selbst aufgeben – oder von der Politik dazu gezwungen werden. Besonders
       die Autoindustrie stand hierzulande zuletzt vor Gericht. Bislang geht die
       Strategie aber nicht auf. Erst am Freitag hat das Landgericht Detmold die
       Klimaklage des von Greenpeace unterstützten Biobauern Ulf Allhoff-Cramer
       [2][gegen VW abgelehnt].
       
       Dass sich Klimaklagen überhaupt gegen Unternehmen richten, ist keine
       Selbstverständlichkeit. Eigentlich wird die Klimapolitik ja vom Staat
       gemacht. Er schreibt die Klimaziele vor und ordnet an, wie sie zu erfüllen
       sind. Typischerweise richten sich Klimaklagen deshalb gegen Bundestag oder
       Bundesregierung. Entweder verlangen die klagenden Umweltschützer:innen
       dann, dass der Staat die Anforderungen verschärft oder dass er seine
       eigenen Gesetze zumindest einhält. Zuständig sind dann das
       Bundesverfassungsgericht oder Verwaltungsgerichte.
       
       Großkonzerne wie Daimler oder VW sorgen jedoch auch für gewaltige
       CO₂-Emissionen. Sie haben ökologische Fußstapfen, die größer sind als die
       mancher Staaten. Umweltverbände wollen mit ihren Klagen daher erreichen,
       dass die Autoproduzenten zu Anstregungen gezwungen werden, die über die
       gesetzlichen Vorgaben hinausgehen. Vor allem sollen die Autohersteller ab
       2030 den Verkauf von Autos mit Verbrennermotoren stoppen. Die EU will als
       gesetzliche Grenze für Benzinverbrenner erst das Jahr 2035 festsetzen.
       
       ## Klagen gegen Autokonzerne abgelehnt
       
       In den vergangenen Wochen und Monaten gab es insgesamt vier Urteile, die
       solche Ansprüche gegen Autohersteller jeweils ablehnten. Mitte September
       urteilte das Landgericht Stuttgart über eine Klage der
       Deutschen-Umwelthilfe (DUH) gegen Mercedes. Anfang Februar lehnte das
       Landgericht München I eine DUH-Klage gegen BMW ab. Und schließlich blieben
       zwei Greenpeace-Klagen gegen VW erfolglos. Dabei entschieden Mitte Februar
       das Landgericht Braunschweig und nun am Freitag das Landgericht Detmold.
       
       Als Kläger wurden zwar reale Personen benötigt. Aber bei der DUH klagten
       einfach die Geschäftsführer als Privatpersonen, unter anderen Jürgen Resch.
       Sie machten eine Gefährdung ihrer individuellen Freiheit geltend, wenn
       jetzt das CO₂-Budget vorschnell verbraucht wird und der Staat deshalb
       später zu harten Restriktionen greifen muss.
       
       Bei Greenpeace klagten im einen Verfahren zwar auch die beiden
       Geschäftsführer Roland Hipp und Martin Kaiser. Doch sie beriefen sich auch
       auf Bienenstöcke und Wälder, die durch den Klimawandel gefährdet seien. Im
       zweiten Greenpeace-Verfahren agierte dann der Biobauer Ulf Allhoff-Cramer
       als Kläger, der auf Dürren und Starkregen hinwies, die seinem Hof schon
       schwere Schäden zugefügt hätten.
       
       Zuständig waren in erster Instanz die Landgerichte, die sich zivilrechtlich
       sonst um Miet- und Erbstreitigkeiten oder den Schadenersatz nach einem
       Unfall kümmern. Die DUH-Klagen wurden vom Berliner Anwalt Remo Klinger
       vertreten, die Greenpeace-Klagen von seiner Hamburer Kollegin Roda
       Verheyen.
       
       Sie beriefen sich jeweils auf Verkehrssicherungspflichten der
       Autohersteller. Jene brächten Produkte auf den Markt, die die verschiedenen
       Rechtsgüter der Kläger:innen gefährden würden, und seien daher als
       „Störer“ zur Unterlassung verpflichtet.
       
       Die Argumentation mit der zivilrechtlichen Störerhaftung hatte vor Gericht
       durchgehend keinen Erfolg. Und es machte dabei keinen Unterschied, ob sich
       die Kläger auf den Schutz ihrer Freiheit oder auf den Schutz ihrer Wälder
       und Felder beriefen.
       
       ## Umweltschützer:innen wollen weiterklagen
       
       Drei der vier Gerichte argumentierten jeweils ganz ähnlich, und zwar mit
       den unterschiedlichen Aufgaben von Gerichten und Parlamenten. Die
       Gewaltenteilung im Rechtsstaat sehe vor, dass der Gesetzgeber die
       wesentlichen Entscheidungen trifft und nicht die Gerichte aufgrund der
       Klagen von Einzelpersonen, so etwa das Landgericht Stuttgart. Nur der
       Gesetzgeber sei legitimiert, „das Gesamtwohl“ zu definieren und daraus
       abzuleiten, wer noch welche CO₂-Emissionen ausstoßen darf.
       
       Das Landgericht München I betonte, bei der Klimapolitik gehe es um komplexe
       Abwägungen. Dabei habe der Gesetzgeber derzeit laut
       Bundesverfassungsgericht mit dem vor zwei Jahren [3][nachgebesserten
       Klimaschutzgesetz] seine „Schutzpflichten“ gegenüber den Bürger:innen
       erfüllt. Und BMW halte sich an die vom Gesetzgeber auferlegten Vorgaben. So
       begründete im Ergebnis auch das Landgericht Braunschweig sein Urteil: Der
       Bürger könne von Unternehmen nicht mehr Klimaschutz verlangen als vom
       Staat.
       
       Nur das Landgericht Detmold argumentierte am Freitag rein zivilrechtlich:
       Zwar könne der Biobauer das Unterlassen einer gegenwärtigen rechtswidrigen
       Beeinträchtigung verlangen, wenn diese nicht geduldet werden muss. Damit
       sei aber kein Anspruch auf eine bestimmte Handlung verbunden.
       
       Insbesondere könne der Bauer von VW nicht verlangen, auf den Vertrieb von
       Autos mit „Verbrennungsmotoren“ zu verzichten und stattdessen auf
       „batteriebetriebene Elektromotoren“ zu setzen. Allerdings hatte der Bauer
       von VW gar nicht konkret den Umstieg auf Elektroautos gefordert.
       
       Die Kläger werden in allen vier Fällen in die nächste Instanz gehen, zu den
       jeweiligen Oberlandesgerichten. Anwältin Roda Verheyen zeigte sich weiter
       zuversichtlich: „Es ist völlig normal, dass solche Dinge nicht in der
       ersten Instanz entschieden werden“, sagte sie jüngst. Man könnte das
       Argument aber auch umdrehen: Wenn sich nicht einmal in der ersten Instanz
       ein Gericht findet, das den Ideen der Klima-Anwält:innen folgt, dann wird
       es bei den arrivierterten Richter:innen an den Oberlandesgerichten noch
       schwieriger.
       
       27 Feb 2023
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) [2] /Greenpeace-Klage-gescheitert/!5918150
 (DIR) [3] /Entscheidung-zum-Klimaschutzgesetz/!5763553
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Rath
       
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