# taz.de -- Jürgen Trittin über Parteitagsbeschluss: „Fachlich nicht völlig abwegig“
       
       > Jürgen Trittin hat lange gegen die Atomkraft gekämpft, jetzt hat er der
       > Ersatzreserve zugestimmt. Danach sei Schluss, das müsse die FDP einsehen.
       
 (IMG) Bild: Jürgen Trittin: „Diese Lösung produziert keinen neuen Atommüll“
       
       Herr Trittin, [1][der Parteitag hat einen möglichen Streckbetrieb für zwei
       AKWs beschlossen] – als langjähriger Kämpfer für den Atomausstieg: Sind Sie
       zufrieden mit dem Ergebnis? 
       
       Jürgen Trittin: Rein fachlich ist der Beitrag, den die zwei AKWs zur
       Regelung der Stromstabilität im Süden leisten können, ein außerordentlich
       bescheidener. Ich sehe darin eher einen symbolisches Signal, das sagt: Wir
       versichern euch, im Zweifelsfall greifen wir selbst auf diese Kapazität zu,
       damit es ein stabiles Netz gibt. Nach dem Motto: Wir haben heute schon
       Gürtel und Hosenträger an. Verglichen mit unseren Nachbarstaaten ist unsere
       Versorgungssicherheit exzellent. Und jetzt hängen wir uns zur Sicherheit
       noch ein zweites Paar Hosenträger in den Schrank.
       
       Und: Sind Sie damit zufrieden? 
       
       Es musste ja eine Lösung geben. Diese Lösung produziert keinen neuen
       Atommüll und sie ist fachlich nicht völlig abwegig.
       
       Die Unterstützer*innen des Gegenantrags haben die Sorge vorgetragen,
       dass mit der Entscheidung der Atomausstieg im Ganzen aufgeweicht wird.
       Teilen Sie diese Sorge? 
       
       Einerseits weicht er ihn auf, weil wir bei zwei Kraftwerken nicht fix beim
       Ausstieg am 31.12. bleiben. Auf der anderen Seite ist in den dem
       vorbereiten Gesetzesentwurf klar formuliert, [2][dass die Berechtigung zum
       Leistungsbetrieb für deutsche AKWs am 31.12.22 endet]. Es gibt ein
       Aussetzen dieses Endes für zwei Kraftwerke zur Vorhaltung einer Reserve bis
       zum 15.04.23. Dann erlischt die Berechtigung zum Leistungsbetrieb auch hier
       und die Betreiber beginnen mit dem Rückbau. Das ist also eine relativ
       sichere Regelung.
       
       Hat der Parteitag damit Robert Habeck den Rücken gestärkt oder ihm Fesseln
       angelegt [3][für weitere Verhandlungen mit der FDP]? 
       
       Wir haben erst mal als Partei einen Beschluss gefasst, der fast eins zu
       eins der Vereinbarung der Bundesregierung mit Eon und EnBW entnommen ist.
       Die Betreiber werden ab dem 16.4.2023 unverzüglich den Rückbau der Anlangen
       beginnen.
       
       Das beantwortet aber die Frage nach Robert Habeck nicht. 
       
       Natürlich stützt ihn das, wenn das, was er erarbeitet und mit den
       Betreibern verhandelt hat, auch vom Parteitag gefordert wird.
       
       Aber wie soll es jetzt zu einer Verständigung mit der FDP kommen? 
       
       Das ist relativ einfach: Die FDP kann bei dem bleiben, was sie vor mehr als
       zehn Jahren mit beschlossen hat, also den Atomausstieg am 31.12. diesen
       Jahres. Oder sie kann das Angebot der Grünen mit den [4][beiden Kraftwerken
       im Süden] annehmen, um damit über den Winter zu kommen. Ein Angebot, das ja
       vorher in der Bundesregierung abgestimmt war.
       
       Und wenn die FDP weder dem einen noch dem anderen zustimmt? 
       
       Wenn man sich nicht einigen kann, gilt der Koalitionsvertrag, und da ist
       die Lage ist also klar: Dann gilt der 31.12.
       
       Sie haben mit acht Änderungsanträgen Einfluss auf den Parteitagsbeschluss
       genommen: Was haben Sie damit erreicht? 
       
       Wir haben damit den Antrag des Bundesvorstands kompatibel gemacht mit der
       Einigung der Bundesregierung.
       
       Unklar bleibt dabei, ob der Bundestag am Ende noch einmal zustimmen muss,
       bevor die AKWs als Einsatzreserve wirklich ans Netz gehen. War das nicht
       durchsetzbar? 
       
       Ich habe das bewusst offen formuliert. Es reicht gegebenenfalls auch, wenn
       der Bundestag nicht widerspricht. Als ehemaliges Regierungsmitglied rollen
       sich mir die Fußnägel auf, wenn man erst eine Verordnungsermäßigung erteilt
       und den Ermächtigten dann wieder kontrollieren will. Aber in so einem
       weitreichenden Fall sollten Regierung und Bundestag gemeinsam entscheiden.
       
       15 Oct 2022
       
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