# taz.de -- Steigende Kosten für Berlins Polizei: Weniger Polizei, mehr Sozialarbeit
       
       > Die Polizei in Berlin wird permanent aufgerüstet und ausgebaut, obwohl
       > die Kriminalität zurück geht. Diese Fehlentwicklung gehört gestoppt.
       
 (IMG) Bild: Seit 2010 haben sich Ausgaben und Personalausstattung in der Polizei kontinuierlich vergrößert
       
       Die Polizei löst keine sozialen Probleme, sondern macht vor allem in
       sogenannten Brennpunkten vieles nur schlimmer. Sie traktiert Menschen mit
       [1][psychischen Problemen mit Pfefferspray]. Sie prügelt Obdachlose ins
       Koma, [2][sodass diese später sterben]. Sie erschießt in Extremsituationen
       [3][offensichtlich psychisch verwirrte Menschen], die [4][selbst im
       Ausnahmezustand] sind. Und sie [5][eskaliert Konflikte], wo es den
       chronisch [6][unterbesetzten sozialpsychiatrischen Notdienst braucht].
       
       Immer wieder kommt es in Folge von Polizeieinsätzen in Grenzbereichen
       zwischen sozialen Problemen und Kleinkriminalität zu unnötigen und
       gewalttätigen Maßnahmen, im schlimmsten Fall mit Todesfolge. Die Liste ist
       lang. Und dann haben wir noch gar nicht von [7][Racial Profiling],
       [8][rechtsextremen Chatgruppen] und [9][Verflechtungen mit der extrem
       rechten Szene] gesprochen, geschweige denn von mutmaßlich [10][rassistisch
       motivierten Morden an Menschen im Polizeigewahrsam].
       
       Dennoch wird selbst im rot-grün-rot regierten Berlin die Polizei
       kontinuierlich ausgebaut. Polizeieinsätze sind häufig faktisch die einzige
       Antwort auf komplexe soziale Situationen. Am Kottbusser Tor gibt es
       multiple Problemlagen zwischen Armut, Kleinkriminalität und Drogenkonsum?
       Die SPD-Antwort darauf ist eine [11][überteuerte Polizeiwache] mit
       panoptischem Überblick, gegen die es viele Widerstände gibt. Selbst der
       Kontaktbereichsbeamte, der sich wie kein zweiter vor Ort auskennt, lehnt
       die [12][die Polizeiwache ab].
       
       Kein Wahlkampf kommt ohne die Forderung nach mehr Polizei aus, um ein
       [13][kontrafaktisches Unsicherheitsgefühl] zur Not auch [14][ohne
       Datengrundlage] zu befrieden. In Berlin gab es in den vergangenen zehn
       Jahren keinen Landeshaushalt, durch den nicht mehr Geld in die Polizei
       gesteckt wurde, wie eine Linken-Anfrage diese Woche zeigte ([15][taz
       berichtete]).
       
       ## Es braucht eine Zeitenwende
       
       Ob nun absolut oder relativ gesehen: Im Gegensatz zu prekären
       Beschäftigungsverhältnissen im sozialen Bereich und anderen
       unterfinanzierten Feldern wird die Polizei übermäßig gebuttert und hofiert.
       Seit 2010 hat sich das Budget für die Polizei deutlich vergrößert – zu
       ungunsten von anderen Bereichen im Landeshaushalt. Das dürfte nicht zuletzt
       auch an konstant nörgelnden und omnipräsenten
       Polizeigewerkschafter*innen liegen, die sich permanent über zu
       wenig Personal oder zu wenig Mittel beschweren, wenn sie sich nicht gerade
       mit rassistischem Grundrauschen bei „Bild TV“ äußern.
       
       Die jetzt bekannt gewordenen Zahlen zeigen einmal mehr: Es braucht ein
       Umdenken im Umgang mit in Teilen auch sicherheitsrelevanten sozialen
       Problemen. Es braucht mehr Sozialarbeiter*innen statt
       Polizist*innen, deeskalierende Parkläufer*innen statt Schlägertrupps
       in laufenden Dieselfahrzeugen. Es braucht kommunikative
       Kontaktbereichspolizisten statt rumlungernde Hundertschaften.
       
       ## Ungeprüft übernommene Polizeimeldungen
       
       Politiker*innen wie Journalist*innen wissen eigentlich um den
       simplen Fakt, dass Kriminalitätsraten seit Jahrzehnten rückläufig sind. In
       die Berichterstattung schaffen es trotzdem regelmäßig ungeprüft übernommene
       Polizeimeldungen, die wiederum für ein übertriebenes Unsicherheitsgefühl
       sorgen. Die Polizei bekommt als Belohnung für ihre überbordende
       Social-Media-Arbeit, die den Unsicherheitsdiskurs noch befeuert, eine
       wohlwollende Debatte über Aufrüstung – über Bodycams, Panzerfahrzeuge,
       Taser und sogar Polizeiroboter.
       
       Medien sollten klar benennen, dass es nicht mehr Polizei braucht. Politiker
       sollten Aufrüstungsforderungen der Sicherheitsbehörden mit Hinweise auf die
       Faktenlage abblocken – und in Kriminalitätsschwerpunkten in häufig ärmeren
       Stadtteilen sollten anhaltende Probleme nicht mit mehr Repression gegen
       Betroffene, sondern mit lösungsorientierter Sozialarbeit beantwortet
       werden.
       
       8 Jul 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Nach-Reizgas-Einsatz-der-Polizei/!5527533
 (DIR) [2] /Tod-eines-Obdachlosen/!5859689
 (DIR) [3] /Nach-dem-Einsatz-am-Neptunbrunnen/!5064192
 (DIR) [4] /Gedenkdemo-fuer-Maria-B/!5695403
 (DIR) [5] /Tod-im-Polizeigewahrsam/!5684340
 (DIR) [6] /Kein-Notdienst-in-Neukoelln/!5608611
 (DIR) [7] /Interner-Polizeikritiker-ueber-Mobbing-und-Racial-Profiling/!5833647
 (DIR) [8] /Rechtsextreme-Chatgruppe-in-Berliner-Polizei/!5782550
 (DIR) [9] /Rechte-Anschlagserie-in-Berlin-Neukoelln/!5858231
 (DIR) [10] /Fall-Oury-Jalloh/!5809374
 (DIR) [11] /Polizeiwache-am-Kotti/!5853497
 (DIR) [12] /Debatte-um-Polizeiwache-in-Kreuzberg/!5857926
 (DIR) [13] https://de.wikipedia.org/wiki/Kriminalit%C3%A4tsr%C3%BCckgang#Deutschland
 (DIR) [14] /Kriminalitaet-in-Berlin/!5849968
 (DIR) [15] /Polizeiaufruestung-in-Berlin/!5862411
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gareth Joswig
       
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