# taz.de -- Bedingungsloses Grundeinkommen: Unterschreiben für eine rosa Zukunft
       
       > Ab Freitag sammelt eine Berliner Initiative Stimmen für einen staatlichen
       > Modellversuch zum Grundeinkommen. Es wäre der erste bundesweit.
       
 (IMG) Bild: Auf geht's in die zweite Phase: Wieder wird für den Modellversuch gesammelt (hier 2020)
       
       Berlin taz | Berlins politisches Farbenspektrum wird stetig breiter.
       Nachdem die Initiative Deutsche Wohnen und Co. enteignen auf
       [1][leuchtendes Gelb und markantes Lila] als Erkennungszeichen gesetzt hat,
       folgt ab Donnerstagabend – ausgerechnet – Rosa. Das soll aber nicht, wie
       vielleicht naheliegend wäre, für eine Gender-Debatte stehen, sondern für
       eine sozialpolitische Revolution.
       
       Die [2][Initiative Expedition Grundeinkommen] startet mit ihrer Sammlung
       für einen Volksentscheid, mit dem sie ein vom Land finanziertes
       Modellprojekt zum bedingungslosen Grundeinkommen durchsetzen will. Die
       Grundfarbe der Plakate: rosa, wie La Vie en Rose. Denn würde – irgendwann –
       ein solches Grundeinkommen für jede und jeden eingeführt, wäre es [3][nicht
       weniger als eine sozialpolitische Revolution].
       
       Damit es zum Volksentscheid kommt, benötigt die Initiative 175.000 gültige
       Unterschriften innerhalb von vier Monaten, also bis Anfang September. Keine
       leichte Aufgabe, wie Sprecher Mark Appoh am Mittwoch zum Kampagnenauftakt
       vor der Presse zugab. Zumal das Thema – eine vom Staat finanzierte
       Unterstützung für alle unabhängig von deren wirtschaftlicher Situation und
       ohne Gegenleistung – bisher zwar immer mal wieder diskutiert werde und auch
       Unterstützer*innen in fast allen Parteien habe, „aber noch nicht in
       der Breite angekommen“ sei.
       
       Das möchten Appoh und das Team der Initiative ändern: Denn zur Abstimmung
       wird nicht etwa die Einführung des Grundeinkommens für alle stehen, sondern
       ein wissenschaftlich organisierter und begleiteter Versuch, um empirische
       Daten zu sammeln, wie ein solches Grundeinkommen am besten umzusetzen sei.
       „Es gibt viele Meinungen dazu, aber wenige wissenschaftliche Fakten“,
       erklärt dazu Laura Brämswig von der Initiative. Die sollen aus dem
       Modellprojekt hervorgehen.
       
       Insgesamt 3.500 Menschen sollen im Rahmen dieses Versuchs drei Jahre lang
       ein solches Grundeinkommen erhalten und damit machen können, was sie
       wollen. Wie hoch dieses Einkommen sein wird, steht noch nicht fest: Nach
       Vorstellungen der Initiative wird es mehrere unterschiedlich ausgestattete
       Versuchsgruppen geben, um am Ende Vergleichsmöglichkeiten zu haben, welches
       Modell wie funktioniert.
       
       Weniger als 1.200 Euro monatlich werden es aber nicht sein, sagt Brämswig:
       Das sei derzeit die Untergrenze, damit sowohl die Existenz wie auch die
       Teilhabe am gesellschaftlichen Leben gesichert sei. Fest steht außerdem,
       dass die Kosten für das Land insgesamt 70 Millionen Euro nicht
       überschreiten werden.
       
       Die beiden Krisen derzeit – die Coronapandemie und die globalen Folgen des
       Kriegs gegen die Ukraine – würden zeigen, „dass, obwohl Deutschland ein
       wohlhabendes Land ist, die Menschen nicht genügend abgesichert sind, um
       durch diese Krisen zu kommen“, begründet Brämswig den Zeitpunkt des Starts
       der Unterschriftensammlung für die zweite Phase der direkten Demokratie. Im
       Sommer 2020 hatte rund 35.000 Menschen in der ersten Phase unterschrieben;
       im März 2021 war die Initiative vom Senat für zulässig erklärt worden.
       
       ## Mehr Zeit für Oma?
       
       Expedition Grundeinkommen hat für diese zweite Phase viel von früheren
       Initiativen gelernt. Von DW enteignen etwa übernimmt sie die Idee mit der
       konsequenten Farbgebung auf Westen und Plakaten. 7.000 davon sollen ab
       Donnerstagabend aufgehängt werden.
       
       Die acht Motive der Poster drehen sich um Fragen, die in der Debatte immer
       wieder aufgekommen seinen, etwa: „Mehr Zeit für Oma durch ein
       bedingungsloses Grundeinkommen?“ Schließlich könnte ein solches dafür
       sorgen, dass Menschen freier von Existenzangst und beruflichen
       Verpflichtungen sind.
       
       16.000 Helfer*innen hätten sich gemeldet, um die nötigen Unterschriften
       zusammen zu bekommen, berichtet Laura Brähmswig. Das Ziel seien über die
       erforderlichen 175.000 hinaus sogar 240.000 Unterschriften, betont sie –
       auch dies eine Erfahrung aus früheren Sammlungen: 10 bis 20 Prozent der
       Stimmen sind ungültig, zumeist weil die Unterschreibenden nicht in Berlin
       wahlberechtigt sind.
       
       Vor allem aber steht die Initiative nicht allein da. Sie wird nicht nur von
       anderen Gruppen unterstützt, die sich mit der selben Thematik beschäftigen,
       wie etwa dem Verein Gemeinwohl-Ökonomie Berlin Brandenburg. Sondern auch
       von Initiativen, die ebenfalls einen Volksentscheid anstreben: Berlin
       autofrei und Berlin klimaneutral, dessen Ziel der rot-grün-rote Senat erst
       am Dienstag die Unterstützung versagt hat.
       
       Die Kooperation geht so weit, dass die drei Gruppen sogar einen gemeinsamen
       Termin für ihren Volksentscheid anstreben, wie Brämswig sagt. Das macht
       Sinn, denn die nächste Wahl ist – planmäßig – erst die Europawahl 2024. Und
       ohne parallel stattfindende Wahl steigt die Gefahr, dass ein Volksentscheid
       am Quorum scheitert.
       
       4 May 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Deutsche-Wohnen-und-Co-enteignen/!t5562213
 (DIR) [2] http://expedition-grundeinkommen.de/modellversuch/
 (DIR) [3] /Debatte-Grundeinkommen/!5563736
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bert Schulz
       
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