# taz.de -- Ermittlungen wegen Hass im Netz: Ein Terrorist ist kein Pimmel
       
       > Der Journalist Patrick Gensing wird von Rechten als „Mitglied der
       > linksterroristischen Antifa“ bezeichnet. Interessiert das die
       > Staatsanwaltschaft?
       
 (IMG) Bild: Ist Gensing überhaupt Mitglied der Antifa, nur weil Rechte das behaupten? Kann er sich ausweisen?
       
       Hamburg taz | Wer öffentlich von Nazis beleidigt wird, hat meistens einiges
       richtig gemacht. Ob jemand die Bezeichnung „Mitglied der
       linksterroristischen Antifa“ überhaupt als Beleidigung oder üble Nachrede
       empfindet, dürfte allerdings individuell unterschiedlich sein. Der
       Investigativ-Journalist und Leiter der ARD-Onlineplattform
       „[1][Faktenfinder]“, Patrick Gensing, fand aber, dass sie zumindest ein
       Anlass für die Hamburger Staatsanwaltschaft sein sollte, wegen „übler
       Nachrede“ zu ermitteln. Jedenfalls vor dem Hintergrund, dass die Behauptung
       „Du bist so 1 Pimmel“ gegenüber Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) ein
       [2][Grund für eine Hausdurchsuchung] war. Es müsste ja nicht gleich
       bewaffnet um 6 Uhr morgens sein.
       
       Die mutmaßlichen Verfasser, die Gensing in einem Beitrag auf ihrer Homepage
       ein „Mitglied der linksterroristischen Antifa“ nannten, sind in diesem Fall
       die Mitglieder der „Staats- und Wirtschaftspolitischen Gesellschaft e.V.“
       (SWG). Der Verein existiert seit 1962 und ist einer der ältesten extrem
       rechten Vereine Hamburgs. Er organisiert Veranstaltungen und gibt
       halbjährlich ein Magazin heraus, das Deutschland Journal. Die Artikel darin
       tragen Überschriften wie „Masseneinwanderung zerstört unseren Wohlstand“
       oder „Traditionswürdiges der Wehrmacht“.
       
       Der Gründer des sich konservativ gebenden Vereins, Hugo Wellems, war unter
       Josef Goebbels Referent im Propagandaministerium. Über sich selbst schreibt
       der Verein: „Wir werben dafür, daß wir Deutschen selbstbewußt zu unserer
       über 1.100-jährigen Kultur und ihrem ‚spezifischen Beitrag zur
       Weltzivilisation‘ stehen und damit zu unseren Tugenden, die ein wichtiger
       Teil unserer Eigenart sind.“
       
       [3][Dass Journalist*innen zur Zielscheibe von rechter Hetze werden],
       ist alles andere als eine Seltenheit – vor allem, wenn sie bei
       öffentlich-rechtlichen Medien arbeiten und gerade, wenn sie zu
       Rechtsextremismus recherchieren. Über Gensing schrieb die SWG in einem
       Artikel vom März 2018: „Eine Recherche belegt, dass sich Patrick Gensing,
       Chef der geistig völlig verwahrlosten Propagandakompanie, bereits 2015 als
       eingefleischtes Mitglied der linksterroristischen Antifa outete.“
       
       ## Kleine und große Hürden bei den Ermittlungen
       
       Gensing meldete das am 10. September 2021 der Polizei, also zwei Tage nach
       dem Pimmelgate. Die Innenbehörde hatte damals beteuert, die
       Hausdurchsuchung bei der Ex-Freundin des Verfassers des Pimmel-Tweets habe
       nichts mit einer Vorzugsbehandlung des Senators zu tun, sondern sei auf ein
       grundsätzlich hartes Vorgehen gegen Hatespeech zurückzuführen.
       
       In der Realität widerspricht die Erfahrung von Betroffenen dem meistens.
       „Jeder, der mit Beleidigung im Netz konfrontiert wird, weiß, dass da seit
       Jahren nichts passiert“, sagt Gensing. Er habe testen wollen, wie ernst die
       Ansage der Behörde nach dem Pimmelgate gemeint war – allerdings ohne
       jegliche Erwartung.
       
       Die Staatsanwaltschaft schickte Gensing per Post eine Zeugenbefragung an
       die von ihm angegebene Adresse des NDR. Allerdings war Gensing
       pandemiebedingt im Homeoffice und wusste nichts von dem Brief. Als seine
       Antwort ausblieb, stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren am 17.
       Dezember ein. Der Grund: Es habe kein Täter ermittelt oder keine Straftat
       festgestellt werden können.
       
       Ob die Zeugenbefragung zwingend notwendig gewesen wäre, um den Täter zu
       ermitteln, ist allerdings fraglich, angesichts des öffentlich einsehbaren
       Impressums auf der Homepage der SWG. Auch die Frage, an welcher Stelle des
       Artikels Gensing als Terrorist bezeichnet werde, lässt sich mit einem Blick
       auf die Überschrift schnell beantworten. Zudem fragte die
       Staatsanwaltschaft Gensing, ob er denn nun Mitglied der Antifa sei und das
       öffentlich geäußert habe, etwa bei Twitter.
       
       ## „Üble Nachrede“ ist keine Beleidigung
       
       Auf die Frage, ob die Behörde Andy Grote auch gefragt habe, ob er
       tatsächlich ein Pimmel sei und dies öffentlich geäußert habe, verwies die
       Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Liddy Oechtering, auf den juristischen
       Unterschied zwischen den beiden Fällen: „Für den Tatbestand der üblen
       Nachrede muss die Tatsache, die über das Opfer verbreitet wurde, ‚nicht
       erweislich wahr‘ sein. Insoweit ist es von Bedeutung, inwieweit die
       behauptete Tatsache zutreffend ist.“ [4][Bei einer Beleidigung] wie
       „Pimmel“ ist es hingegen irrelevant, ob sie zutrifft.
       
       Als Gensing die Zeugenaussage verspätet abschickte, nahm die
       Staatsanwaltschaft die Ermittlungen wieder auf und überwies sie an die
       Polizei. Gensing sagt, er habe zwar gelacht, als er gelesen habe, dass die
       Staatsanwaltschaft keinen Täter ermitteln konnte, aber so lustig finde er
       das eigentlich gar nicht. „Wenn die sich nicht mal die Mühe machen, ein
       Impressum zu lesen, stärkt das nicht gerade das Vertrauen in staatliche
       Stellen“, sagt er. Es zeige zudem, dass Betroffene rechter Hetze nach wie
       vor alleingelassen werden.
       
       26 Jan 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.tagesschau.de/faktenfinder/
 (DIR) [2] /Hausdurchsuchung-wegen-eines-Tweets/!5799732
 (DIR) [3] /Rechte-Hetze-gegen-Journalistinnen/!5649945
 (DIR) [4] /Polizist-klagt-wegen-Beleidigung/!5807327
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Katharina Schipkowski
       
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