# taz.de -- Digitalisierung des Gesundheitssystems: Wenn der Patient digitaler wird …
       
       > Elektronische Patientenakte, E-Rezept: 2022 soll das Jahr werden, in dem
       > der Papierkrieg mit der Medizin endet. Wie genau?
       
 (IMG) Bild: Schöne Zeiten, als der Gips zur Dokumentation allerlei Informationen diente
       
       Was ändert sich in diesem Jahr? 
       
       Es soll 2022 ein paar entscheidende Schritte bei der Digitalisierung des
       Gesundheitswesens geben. Einer der wichtigsten ist die elektronische
       Patientenakte (ePA). Die gibt es zwar schon in einer Rumpfform. Doch ab
       diesem Jahr könnte die Nutzung für Versicherte interessant werden. Das
       liegt vor allem an zwei Neuerungen: Erstens müssen nun sämtliche Arztpraxen
       und Krankenhäuser daran teilnehmen. Zweitens können Versicherte nun
       entscheiden, welche Mediziner:innen auf welche Dokumente zugreifen
       dürfen. Sie können also beispielsweise festlegen: Die Hausärztin bekommt
       Zugriff auf alles, die Orthopädin darf aber nicht sehen, was der Psychologe
       eingestellt hat.
       
       Bislang galt ein Ganz-oder-gar-nicht-Prinzip: Wer sich für die ePA
       entschied, konnte nicht festlegen, welche:r Behandler:in auf welche
       Dokumente zugreifen darf. Das sorgte für massive Kritik unter anderem des
       Bundesdatenschutzbeauftragten Ulrich Kelber. Patientenseitig blieb das
       Interesse an der ePA bislang überschaubar: Laut der Gematik, das ist die
       Gesellschaft für die Digitalisierung des Gesundheitssystems, lag die Zahl
       der Nutzer:innen Stand Anfang Januar bei 336.178.
       
       Warum überhaupt eine elektronische Patientenakte?
       
       Medikationspläne, Befunde, Impf-, Allergie- und Mutterpass – so ziemlich
       alles, was an Daten im ärztlichen Umfeld anfällt, soll in der
       elektronischen Patientenakte abzulegen sein. Für manches davon, wie
       Medikationspläne und Impfpass, ist das schon jetzt möglich, für anderes wie
       Laborwerte erst in Zukunft. Auch Hebammen und Physiotherapeut:innen
       sollen im Laufe des Jahres Anschluss an die ePA bekommen. Die Krankenkassen
       und das Bundesgesundheitsministerium betonen, dass Patient:innen so
       mehr Kontrolle über ihre Daten hätten und den Ärzt:innen der Austausch
       von behandlungsrelevanten Informationen erleichtert würde. Auch Arne
       Weinberg, Gesundheitsreferent bei der Verbraucherzentrale
       Nordrhein-Westfalen, sieht die ePA positiv: „Sie vermeidet
       Doppeluntersuchungen und baut Bürokratie ab.“ Weinberg rät allerdings dazu,
       sich mit dem Rechtemanagement zu beschäftigen und zu überlegen, welche:r
       Behandler:in was sehen soll. Auch eine Befristung von Zugriffsrechten
       sei möglich.
       
       Wird mein:e Ärzt:in also begeistert sein, wenn ich mit der ePA komme? 
       
       Nicht unbedingt. Denn für die Behandler:innen bedeutet die zunehmende
       Digitalisierung nicht nur finanziellen und zeitlichen Aufwand, sondern auch
       zusätzliche Haftungsrisiken, die nichts mit ihrer eigentlichen Tätigkeit zu
       tun haben – etwa was Datenschutz und IT-Sicherheit in der Praxis angeht.
       
       Wie sieht es denn bei der ePA mit Datenschutz und Sicherheit aus ? 
       
       Die Gematik betont in ihren Informationen für Versicherte: „Daten sind in
       der ePA sicher.“ Tatsächlich klingen die Rahmenbedingungen gut:
       Ende-zu-Ende- und Transportverschlüsselung, Zwei-Faktor-Authentifizierung
       und die Server stehen in Deutschland. Allerdings [1][gelang es Redakteuren
       der IT-Zeitschrift ] c’t kürzlich auf einen Hinweis hin, eine zip-Datei in
       einer ePA zu platzieren. Das darf eigentlich nicht sein, weil diese Dateien
       leicht Schadsoftware transportieren können. Die Sicherheitslücke schloss
       die Krankenkasse schnell, doch die Lücke ist kein Einzelfall. [2][Auch
       Hacker:innen des CCC deckten in den vergangenen Jahren] [3][immer]
       [4][wieder Sicherheitsprobleme rund um die Telematik-Infrastruktur] auf,
       die die Basis für die Digitalisierung des Gesundheitssystems ist.
       Problematisch ist auch, dass vor allem eine ePA-Nutzung über das Smartphone
       promotet wird. Denn gerade Android-Smartphones werden häufig nicht mit
       aktuellen Sicherheitsupdates versorgt. Das sind leichte Einfallstore für
       Hackerangriffe. Immerhin gibt es laut der Gematik ab diesem Jahr auch eine
       Software für die Nutzung am Computer. Verbraucherschützer Weinberg wünscht
       sich noch mehr: Terminals, etwa in Krankenhäusern und bei den
       Krankenkassen, an denen Versicherte ihre Akte ohne digitales Endgerät
       verwalten können.
       
       Wie lange liegen die Daten in der Akte ? 
       
       Wenn Nutzer:innen sie nicht selber löschen – lebenslang. Und damit länger
       als es die gesetzlichen Aufbewahrungspflichten bei Ärzt:innen
       vorschreiben. Die sehen für die meisten Daten einen Zeitraum von 10 Jahren
       nach der letzten Behandlung vor – und bleiben auch unberührt. Doch für die
       ePA müssen Patient:innen eigenverantwortlich entscheiden, wie lange sie
       die Dokumente aufbewahren wollen.
       
       Was muss ich tun, wenn ich keine ePA will ? 
       
       Gar nichts. Umgekehrt muss aktuell aktiv werden, wer eine elektronische
       Patientenakte will und das der Krankenkasse mitteilen. Für das Befüllen
       müssen Patient:innen dann die Ärzt:innen entsprechend anweisen.
       
       Was passiert dieses Jahr noch in Sachen Gesundheitsdigitalisierung?
       
       Auch das elektronische Rezept soll in diesem Jahr Standard werden.
       Ursprünglich war das schon zum 1. Januar geplant, doch es hakte bei der
       Technik. Patient:innen sollen in den Praxen dann in der Regel keine
       Zettel mehr ausgehändigt bekommen und diese in die Apotheke tragen.
       Stattdessen soll die Übermittlung digital ablaufen. Auch die
       Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wird nun digital. Seit Jahresanfang soll
       sie von den Praxen elektronisch an die Krankenkassen übermittelt werden, ab
       Juli auch an den Arbeitgeber.
       
       Hat die Ampelkoalition noch zusätzliche Ideen? 
       
       Die Koalition aus SPD, Grünen und FDP hat in ihrem Koalitionsvertrag
       festgehalten, das Prinzip, nach dem es eine ePA nur auf Antrag gibt,
       umzudrehen. Sie wünscht sich, dass alle Patient:innen die elektronische
       Akte standardmäßig eingerichtet bekommen – wer nicht will, muss
       widersprechen. Diese Forderung kommt vor allem von den Krankenkassen, die
       hoffen, mit der elektronischen Patientenakte Kosten zu sparen, etwa wenn
       Doppeluntersuchungen vermieden werden. Doch auch Verbraucherschützer
       Weinberg befürwortet diese Lösung – aber nur, wenn es um das reine Anlegen
       der ePA angeht. Für das Befüllen mit Dokumenten sei wichtig, dass
       Patient:innen bei jeder Praxis gesondert zustimmen müssen.
       
       7 Jan 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.heise.de/news/c-t-deckt-auf-Sicherheitsluecke-in-elektronischer-Patientenakte-6304671.html
 (DIR) [2] https://www.ccc.de/de/updates/2019/neue-schwachstellen-gesundheitsnetzwerk
 (DIR) [3] https://media.ccc.de/v/rc3-11342-tut_mal_kurz_weh_neues_aus_der_gesundheits-it
 (DIR) [4] https://media.ccc.de/v/36c3-10595-hacker_hin_oder_her_die_elektronische_patientenakte_kommt
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Svenja Bergt
       
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