# taz.de -- Doku über erste Filmregisseurin der Welt: Die wiederentdeckte Visionärin
       
       > Die Dokumentation „Sei du selbst: Die Filmpionierin Alice Guy-Blaché“
       > erzählt von der ersten Filmregisseurin. Sie war nahezu vergessen.
       
 (IMG) Bild: Die Regisseurin Alice Guy-Blaché erkannte als eine der ersten das erzählerische Potenzial von Filmen
       
       Als [1][am 22. März 1895 die Brüder Lumière Bekannte und Freunde zur ersten
       Vorführung ihres neuen Filmapparats] einladen, ist eine junge Frau mit
       dabei: Alice Guy. Sie ist Anfang zwanzig, die Sekretärin von [2][Léon
       Gaumont, Foto- und Filmunternehmer,] als solcher Freund und Konkurrent der
       Lumières.
       
       Sie ist von den neuen Möglichkeiten des Bewegtbilds so fasziniert, dass sie
       im Jahr darauf selbst einen ersten, kurzen Film dreht, „La fée aux choux“:
       Eine Fee zaubert auf einer Terrasse aus Kohlköpfen neugeborene Kinder
       hervor. Dieser Film ist verschollen, es gibt mehrere Remakes aus den Jahren
       danach, aber er gilt heute als wohl erster Film mit erzählerischen
       Elementen.
       
       Anders als die Lumières glaubt Léon Gaumont an die wirtschaftliche und
       ästhetische Zukunft des neuen Apparats. Er investiert in Filme und Kinos
       und macht Alice Guy zur Chefin der Produktion.
       
       Im Pariser Stadtteil Belleville, gleich neben dem Parc des Buttes-Chaumont,
       baut er ein Studio, unter der Regie, nach Büchern von Alice Guy wird hier
       ein Film nach dem anderen gedreht, Jungs beim Baden, Schleiertänze, die
       wundersamen Wirkungen von Absinth, erste Tonfilme auch (Gaumont hat dafür
       ein Patent), manchmal geht es auch hinaus auf die Straße, ein Bett, das in
       aller Öffentlichkeit ins Rutschen gerät, eine Matratze, die sich kugelt,
       eine Frau kugelt mit.
       
       Hunderte Filme dreht Alice Guy, 1906 entsteht als Dreißigminüter eine
       Version des Lebens Jesu in den vertrauten Stationen, das Bibelepos mit mehr
       als 300 Statist*innen wird ein großer Erfolg. Sie lernt den Kameramann
       Herbert Blaché kennen, heiratet ihn, bekommt Kinder.
       
       ## Der erste Film mit einem ausschließlich schwarzen Cast
       
       Blaché wird zum Chef der Gaumont-Produktion in den USA, nach einer Pause
       dreht Guy-Blaché weiter, sie gründet 1910 eine eigene Firma, Solax, in Fort
       Lee in New Jersey, dem Geburtsort der amerikanischen Filmindustrie, steht
       das Solax-Studio neben mehr als einem Dutzend anderen, auch denen von Fox
       Film und Goldwyn. [3][1912 dreht sie etwa „A Fool and His Money“, eine
       Komödie, es ist der erste Film mit einem ausschließlich schwarzen Cast].
       
       Nach dem Ende von Solax geht sie nach Hollywood, ein paar Abenteuerfilme
       dreht sie dort noch, aber nach mehreren Flops und der Trennung von ihrem
       Mann kehrt sie Anfang der zwanziger Jahre nach Frankreich zurück. Die
       Filmindustrie dort will jedoch nichts von ihr wissen. Ihre Filme sind lange
       Jahre fast alle verschollen, in den ersten Filmgeschichten taucht sie
       höchstens als Randnotiz auf.
       
       Von Guy-Blachés einzigartigem Leben als Filmpionierin, aber auch von der
       Zeit danach erzählt Pamela B. Green in ihrem engagierten Dokumentarfilm
       „Sei du selbst: Die Filmpionierin Alice Guy-Blaché“. Sie hat dafür
       ungezählte Stimmen versammelt, von Jodie Foster (die Erzählerin im
       Original) über Ava DuVernay bis Geena Davis, von Peter Bogdanovich bis
       Catherine Hardwicke, Filmhistoriker*innen berichten, sie selbst geht
       Spuren nach, es gibt zum Glück Film- und Tonaufnahmen aus Guy-Blachés
       späten Jahren.
       
       Green macht Funde, inszeniert das Suchen und Finden mit etwas hektischem
       Pathos, überhaupt prägen den Film Tempo und überbordender Enthusiasmus.
       
       Ganz so vergessen, wie der Film einem weismachen will, ist Alice Guy-Blaché
       schon seit einer Weile nicht mehr. Durch Greens Dokumentation (der Film ist
       von 2018) hat sich das Interesse eines breiteren Publikums an der Pionierin
       des Kinos aber noch einmal deutlich verstärkt. Und da heute doch einige
       ihrer Filme auf DVDs und auch auf Youtube zugänglich sind, kann man sich
       endlich wieder ein Bild von ihrer Kunst machen. Sie zeigt sich dabei als
       äußerst vielseitig, in vielen Genres und in allen Aspekten des frühen Kinos
       versiert.
       
       Die Fachleute wissen inzwischen um ihre wichtige Rolle; Pamela B. Greens
       Doku sammelt das vorhandene Wissen, das ist kein geringes Verdienst.
       
       17 Dec 2021
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ekkehard Knörer
       
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