# taz.de -- Nachfolge von Regula Lüscher: Architekten wollen mitreden
       
       > Wer wird Senatsbaudirektorin in Berlin? In einem offenen Brief fordern
       > Fachleute und Aktivisten ein transparentes Verfahren.
       
 (IMG) Bild: Regula Lüschers Schatten ist lang
       
       Berlin taz | Ein bisschen unkonkret ist es schon, was SPD, Grüne und
       Linkspartei zu Berlins kommender Großbaustelle [1][in ihren
       Koalitionsvertrag] geschrieben haben: „Für den [2][Molkenmarkt] streben wir
       eine kleinteilige Bebauung mit vielfältiger Nutzung und sehr guter
       Architektur an.“ Was aber ist das, „sehr gute Architektur“?
       
       Vierzehn Jahre lang war Senatsbaudirektorin Regula Lüscher für Antworten
       auf Fragen wie diese zuständig. Unterstützt wurde die Schweizer Architektin
       dabei von ihrem [3][Baukollegium], einem beratenden Gremium von Expertinnen
       und Experten aus den Bereichen Architektur, Städtebau und
       Landschaftsarchitektur.
       
       Als Lüscher am 31. Juli in den Ruhestand ging, hat Bausenator Sebastian
       Scheel (Linke) ihre Stelle nicht nachbesetzt. Ein fairer Akt, mit dem die
       Entscheidung über die künftige Architektur und den Städtebau in Berlin in
       die Hände der neuen Koalition gelegt werden sollte.
       
       ## Offener Brief an Giffey
       
       Inzwischen wollen aber auch andere bei der Personalie ein Wörtchen
       mitreden. In einem [4][offenen Brief] an die designierte Regierende
       Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) und den SPD-Fraktionsvorsitzenden
       Raed Saleh fordern renommierte Architektinnen und Architekten, aber auch
       zahlreiche Stadtinitiativen ein transparentes Verfahren bei der
       Nachbesetzung der Nachfolge von Lüscher.
       
       Wichtig sei es, so heißt es in dem Brief, „dass diese Position mit einer
       integrativen Persönlichkeit besetzt wird, die nicht nur über eine große
       fachliche Kompetenz verfügt, sondern die auch bei allen relevanten
       stadtpolitischen Akteuren und Parteien Anerkennung findet“. Unterzeichnet
       haben den Brief unter anderem der frühere Bauhauschef Philipp Oswalt, der
       [5][Urban-Catalyst]-Mitbegründer Klaus Overmeyer und die [6][Initiative
       Stadtneudenken]. Ähnliche Forderungen hatte vergangene Woche bereits die
       [7][Berliner Architektenkammer] erhoben.
       
       Auch die Linkspartei unterstützt die Forderung. Nach der Ära Lüscher
       fürchtet die stadtentwicklungspolitische Sprecherin Katalin Gennburg mit
       der Besetzung des Bauressorts durch die SPD einen möglichen Rollback nicht
       nur bei der Mietenpolitik, sondern auch im Städtebau. Gerade am
       Molkenmarkt, so Gennburg, werde sich zeigen, ob letztlich Investoren
       darüber entscheiden, was „sehr gute Architektur“ ist.
       
       Beigetragen zur Sorge der Architektinnen und Architekten hat nach
       Informationen der taz auch die Tatsache, dass der Architekt [8][Tobias
       Nöfer] in den Koalitionsverhandlungen teilgenommen hat. Er verhandelte für
       die SPD etwa den Bereich Stadtentwicklung. Der 54-Jährige gilt als ein
       Verfechter der „kritischen Rekonstruktion“, die Berlins erster
       Senatsbaudirektor Hans Stimmann der Stadt nach der Wende verordnet hat. Nun
       fürchten manche, dass sich Nöfer bei den Verhandlungen für den Posten des
       Senatsbaudirektors warmgelaufen hat.
       
       Welche Vorstellungen Nöfer von „sehr guter Architektur“ hat, lässt sich
       unter anderem am Spittelmarkt beobachten. 2001 hatte unter anderem sein
       Büro den städtebaulichen Entwurf für das Quartier vorgelegt, den die
       damalige Baustadträtin Dorothee Dubrau eine „Katastrophe“ nannte.
       Inzwischen ist diese Realität geworden, überall sind durch private
       Investoren neoklassizistische „Residenzen“ entstanden, denen wie in den
       [9][„Beuth-Höfen“] von Tobias Nöfer aber meist die Erdgeschosszonen fehlen.
       Städtebau ohne Gewerbe? Die Investoren mögen das, aber darf das auch die
       Position der Politik sein?
       
       ## Nöfer will es nicht
       
       Aber man täte Nöfer unrecht, wenn man ihm unterstellte, dass die Vorgaben
       eines Investors sich mit den Vorstellungen seines Architekten decken. Für
       das [10][„Pankower Tor“] etwa hat er einen Entwurf eingereicht, der bei der
       Online-Präsentation viel Zuspruch bekam. Auch der Internationale
       Ideenwettbewerb Berlin Brandenburg 2070, den er als Vorsitzender des
       Architekten- und Ingenieurvereins Berlin mit ausgelobt hat, hat der Debatte
       über die Planung der Hauptstadtregion viele Impulse gegeben.
       
       Nöfer selbst schloss gegenüber der taz am Montag aus, Senatsbaudirektor
       werden zu wollen. Die Debatte aber geht weiter. Denn während der
       Koalitionsverhandlungen hat sich die SPD auch auf das Baukollegium
       eingeschossen. Das Gremium Lüschers war den Sozialdemokraten schon immer
       ein Dorn im Auge.
       
       Lüscher selbst bekannte in ihrem Abschiedsinterview in der taz, welche
       unterschiedlichen Vorstellungen SPD und Linkspartei von „sehr guter
       Architektur“ haben: In der SPD seien viele, für die Politik ein Beruf sei.
       „Bei der Linken hab ich viel mehr das Gefühl, dass das Überzeugungstäter
       sind“, sagte sie.
       
       14 Dec 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Rot-gruen-roter-Koalitionsvertrag/!5815671
 (DIR) [2] https://molkenmarkt.berlin.de/
 (DIR) [3] https://www.stadtentwicklung.berlin.de/staedtebau/baukultur/baukollegium/index.shtml
 (DIR) [4] https://archplus.net/de/offener-brief-zur-neubesetzung-des-senatsbaudirektors-der-senatsbaudirektorin/
 (DIR) [5] https://www.urbancatalyst.de/de/aktuell.html
 (DIR) [6] https://stadtneudenken.net/
 (DIR) [7] https://www.ak-berlin.de/fileadmin/user_upload/Pressemitteilungen/Pressemitteilungen_2021/22_PM_Findungs-_und_Auswahlkommission_zur_Besetzung_der_Position_der_Senatsbaudirektion.pdf
 (DIR) [8] https://www.noefer.de/
 (DIR) [9] /Reich-aber-nicht-sexy/!222068/
 (DIR) [10] /Sechs-Entwuerfe-fuer-ein-Stadtquartier/!5750434
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Uwe Rada
       
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