# taz.de -- Parität im Kabinett: Nicht mehr nur Gedöns
       
       > Weder die Minister*innenriege noch die der
       > Staatssekretär*innen ist in der Koalition paritätisch.
       > Gleichstellung ist aber nicht nur Quantität.
       
 (IMG) Bild: Verteidigungsministerin wird mit Christine Lambrecht zum dritten Mal eine Frau
       
       Der Mann, den wir neuerdings Bundeskanzler nennen, schummelt. [1][Olaf
       Scholz] hat ein paritätisch besetztes Kabinett versprochen, und sich selbst
       dabei einfach nicht mitgezählt. Möglicherweise hat er sich eine neue Art
       von Relativitätstheorie ausgedacht, bei der Männer schneller gezählt werden
       als Frauen. Für alle, die auf herkömmliche Weise rechnen, sind es neun
       Männer und acht Frauen im neuen Kabinett. Das ist nicht paritätisch.
       
       Schaut man sich die Staatssekretär*innen an, kann man erst recht kein
       Bemühen erkennen, die Hälfte der Macht den Frauen zu überlassen. Der große
       Feminist und neue Vizekanzler [2][Robert Habeck] etwa, hat die begehrten
       Posten mit drei Männern und einer Frau besetzt. Das ist nur dann
       paritätisch, wenn man Frauen doppelt sieht oder zählt. Jedenfalls könnte
       auch er Nachhilfe in einfacher Mathematik gebrauchen. Dennoch ist die neue
       Bundesregierung aus feministischer Sicht bemerkenswert.
       
       Zwar ist Parität wichtig, aber sie als Maß aller Dinge anzusehen, hat sich
       als Irrweg herausgestellt. Gerade in der Sozialdemokratie wird zwar seit
       Längerem darauf geachtet, dass Frauen in ausreichender Zahl berücksichtigt
       werden. Doch bisher hatten sie meist wenig zu sagen. Bedacht wurden sie
       tendenziell mit Posten, die nicht mit allzu viel Macht ausgestattet waren
       und die [3][Altkanzler Gerhard Schröder] gerne als „Gedöns“ bezeichnete.
       Das ist dieses Mal anders.
       
       Erstens hat Scholz das männlichste aller männlichen Ressorts, das
       Verteidigungsministerium, mit [4][Christine Lambrecht] besetzt. Das ging
       schon deshalb nicht anders, weil man schlecht hinter der CDU zurückbleiben
       konnte. Angela Merkel hat schließlich schon zwei Mal
       Verteidigungsministerinnen ernannt. Zweitens hat der Bundeskanzler die
       zweitwichtigste Männerdomäne, das Bundesinnenministerium, weiblich besetzt.
       
       [5][Nancy Faeser] ist Deutschlands erste Frau auf diesem Posten – dazu noch
       eine, die als Erstes dem Rechtsextremismus den Kampf ansagte. Beides so
       bedeutend wie überfällig. Drittens haben wir mit der Grünen Annalena
       Baerbock zum ersten Mal eine Außenministerin. Man darf schon gespannt sein,
       wie man in Ländern wie Saudi-Arabien oder Iran auf ihre Forderung reagieren
       wird, dass Frauenrechte immer und überall gelten müssen.
       
       Bedauerlicherweise haben die Grünen die Chance verpasst, ein
       „Gedöns“-Ministerium wie das für Familien, Frauen, Senioren und Jugend an
       einen Mann zu vergeben. Doch alles in allem macht das neue Kabinett mit
       drei Schlüsselministerien in Frauenhand deutlich, dass es bei der
       Gleichstellung um mehr geht als nur Quantität. Um welche Ressorts es geht,
       spielt eine genauso wichtige Rolle. In diesem Sinne kann man tatsächlich
       von Fortschritt sprechen.
       
       Nächster Halt: Finanzministerium.
       
       11 Dec 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://twitter.com/olafscholz/status/1368856599889084417?lang=de
 (DIR) [2] /Robert-Habeck-im-Wahlkampf/!5798232
 (DIR) [3] /Vor-der-Scholz-Wahl-zum-Kanzler/!5809695
 (DIR) [4] /Debatte-um-gegenderte-Sprache/!5801233
 (DIR) [5] /Nancy-Faeser/!t5582481
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Silke Mertins
       
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