# taz.de -- Getötete Radfahrerin in Berlin: Es geht einfach so weiter
       
       > Wieder ist eine Radlerin von einem rechtsabbiegenden LKW totgefahren
       > worden. Radinitiativen werfen der Politik Nichtstun vor.
       
 (IMG) Bild: Einer dieser tödlichen Unfälle: Rechts abbiegender LKW tötet Radler*in, hier im März 2021
       
       Berlin taz | Zeitungsleser*innen neigen dazu, Texte zu ignorieren, die
       mit „Es ist immer dasselbe“ beginnen. Sie befürchten, nichts Neues zu
       erfahren. Trotzdem fängt dieser Bericht genau so an.
       
       Es ist immer dasselbe: Erneut ist eine Radfahrer*in gestorben, weil ein
       Lastwagen sie beim Rechtsabbiegen offenbar übersehen und überrollt hat. Der
       Unfall geschah am Freitag in der Nähe des Gesundbrunnens im Wedding; die
       29-Jährige starb trotz Reanimierungsversuchen noch am Unfallort. Am
       heutigen Sonntag findet um 18 Uhr an der Ecke Schönwalder
       Straße/Reinickendorfer Straße eine Mahnwache statt, organisiert vom
       Radlobbyverein Changing Cities.
       
       Die Frau ist die neunte getötete Radlerin in diesem Jahr in Berlin. Im
       Schnitt wurde etwa [1][die Hälfte der tödlichen Radunfälle] in den
       vergangenen Jahren von rechtsabbiegenden Lastwagen verursacht – trotz aller
       Mahnungen, Proteste und umfassender Berichte in den Medien. Insgesamt sind
       2021 in Berlin bisher 17 Menschen im Fuß- und Radverkehr getötet worden.
       
       Weil sich offenbar nichts an der Gefahr für Radler*innen durch rechts
       abbiegende LKW ändert – es also wirklich immer dasselbe ist –, wirft
       Changing Cities der Politik in Bund und Land Versagen und Ignoranz vor.
       „Nichts zu tun ist offenbar am einfachsten“, sagte die Sprecherin des
       Vereins, Ragnhild Sørensen, am Sonntag der taz. Sie forderte das Land auf,
       flächendeckend Tempo 30 einzuführen, um die Straßen sicherer für alle zu
       machen.
       
       ## Ampelschaltungen verändern
       
       Doch es gebe noch weitere Möglichkeiten, so Sørensen. Die Ampelschaltungen
       an Kreuzungen könnten so geändert werden, dass abbiegende Fahrzeuge und
       geradeaus fahrende Radler*innen nie gleichzeitig grün haben. Teilweise
       wird das [2][bereits gemacht].
       
       Auch rechtlich wäre mehr möglich, betont die Sprecherin des Vereins. London
       könne dabei ein Vorbild sein: Dort habe die Stadt selbst eigene Vorgaben
       für LKW festgelegt, darunter größere Glasflächen an der Beifahrertür, damit
       die Fahrer*innen eine bessere Sicht haben. Auch die eigenständige
       Einführung eines verpflichtenden elektronischen Abbiegeassistenten, der ein
       Rechtsabbiegen bei Gefahr verhindert, sei möglich. „Ich sehe keinen Grund,
       warum das nicht gehen sollte. Es ist offensichtlich politisch nicht
       gewollt“, sagte Sørensen unter anderem an die Adresse der Grünen, denn die
       Senatsverwaltung für Verkehr wird seit fünf Jahren von der grünen Senatorin
       Regine Günther geleitet.
       
       Auch der verkehrspolitische Sprecher der Grünenfraktion im
       Abgeordnetenhaus, Stefan Taschner, sieht Handlungsbedarf. „Was die
       veränderten Ampelschaltungen angeht, müssen wir deutlich schneller werden“,
       sagte er der taz. Derzeit werden die Ampeln von einer externen Firma
       gesteuert und gewartet; die Zusammenarbeit mit ihr gilt bisweilen als
       schwierig und kompliziert.
       
       Auf eigene Faust in Berlin einen verpflichtenden elektronischen
       Abbiegeassistenten einzuführen, sei jedoch nicht möglich, sagt Taschner und
       verweist auf ein Gutachten im Auftrag der Verkehrsverwaltung. Laut
       EU-Verordnung gilt diese Pflicht für einen Teil der LKW erst ab 2024.
       Immerhin habe Berlin einen großen Teil des eigenen Fuhrparks inzwischen mit
       der Technik ausgestattet.
       
       Taschner setzt für die Zukunft auf einen Mix unterschiedlicher Maßnahmen
       baulicher wie juristischer Art – und auf mehr Polizei. Denn seit der
       jüngsten Überarbeitung der Straßenverkehrsordnung dürfen LKW eigentlich nur
       noch im Schritttempo rechts abbiegen: „Das muss die Polizei viel stärker
       kontrollieren.“
       
       ## Hoffen auf grüne Regierungsbeteiligung im Bund
       
       Zudem hofft Taschner auf die anstehenden Koalitionsverhandlungen und eine
       künftige Bundesregierung mit Beteiligung der Grünen, damit die
       Verkehrswende auch im Bund ankomme. Stefan Gelbhaar teilt diese Hoffnung.
       „Das Thema Verkehrssicherheit gehört auf jeden Fall in die
       Koalitionsverhandlungen“, sagte der bisherige verkehrspolitische Sprecher
       der grünen Bundestagsfraktion, der am 26. September seinen Wahlkreis Pankow
       direkt gewonnen hat.
       
       Eine neue Bundesregierung müsse sich zudem für Nachbesserungen auf EU-Ebene
       einsetzen, was die Pflicht für elektronische Abbiegeassistenten angehe.
       Bisher gelte die Pflicht nicht für Bestands-LKW. „Für diese Fahrzeuge
       braucht es eine Lösung“, sagte Gelbhaar am Sonntag. Auch die rechtliche
       Möglichkeit für Deutschland, eigene Regeln dafür aufzustellen, müsse noch
       einmal geprüft werden. Drittens müsse dringend über eine umfangreiche
       Förderung für die Umrüstung solcher Fahrzeuge nachgedacht werden, so
       Gelbhaar.
       
       3 Oct 2021
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bert Schulz
       
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