# taz.de -- Diskriminierung im Netz: Hass als Endgegner
       
       > Mit der steigenden Nachfrage kommen Hass und Hetze in die Gaming-Szene.
       > Plattformen, Pädagog:innen und Community halten dagegen.
       
 (IMG) Bild: Onlinespiele haben auch das Potenzial, als Lernorte zu fungieren
       
       Der Ton im Netz ist rau. Das ist kein Geheimnis. Twitter, Facebook, Youtube
       – je nach Absender:innen, Tweet und Post ist Hass sozusagen eingepreist.
       Auch wer online zockt, nimmt bei Video- und Computerspielen den rauen
       Umgang als Teil des Spiels hin. Beleidigungen, sexistische, rassistische
       oder andere menschenfeindliche Äußerungen fallen schnell. Aus Ärger über
       die Gegner:in im Spiel, aus Wut über das nicht erreichte Level. „Anders
       als im Fußball fehlt in der Games-Szene eine Fankultur, die eine
       gewaltfreie Sprache fordert“, sagt Romina Nölp. Sie leitet die Abteilung
       Digitaler Notfall bei der Organisation Digitale Helden.
       
       Mit der Coronapandemie, im Lockdown, fand zwangsläufig ein Großteil des
       Alltags digital statt. Die Gaming-Szene hat wenig überraschend nicht nur
       hohe Umsätze gemacht, sondern neue Fans bekommen. Mit der Zunahme der
       Angebote steigt auch das Bewusstsein für [1][Angriffe aus dem Netz]. „Vor
       allem Frauen und Mädchen, die ihr Geschlecht im Spiel outen, erleben
       Attacken“, sagt Nölp. Es geht um sexistische Bemerkungen, um verbale
       Übergriffe. Es handelt sich um Einzeltäter:innen, aber auch um
       orchestrierte Angriffe.
       
       Zu Nölp kommen in der Regel Lehrkräfte, Pädagog:innen,
       Schulsozialarbeiter:innen. Sie werden mit digitaler Gewalt unter
       Schüler:innen konfrontiert, mit Cybermobbing, Sexting, Verbreitung von
       Diffamierungen in Chatgruppen. Die Folgen digitaler Gewalt sind statistisch
       nicht ausreichend belegt. Es fehlt schlicht die Datengrundlage. Aber
       Tatsache ist, dass die virtuellen Attacken im wirklichen Leben Spuren
       hinterlassen. Die Folge ist oft Rückzug aus der Netzwelt und damit
       Ausschluss aus einem sozialen Raum.
       
       Dank der Erfahrungen mit digitalem Unterricht in der Pandemie wird nun
       verstärkt darüber nachgedacht, Lerninhalte auf digitale Formate
       umzustellen. Die Bereitschaft ist hoch, Onlinespiele als Lernorte zu
       etablieren. Mit den neuen Anforderungen müssen sich auch die pädagogischen
       Fachleute mit den negativen Effekten in den Spielen auseinandersetzen.
       
       ## Gamer:innen wagen sich aus der Deckung
       
       Mehr Hass und Häme in Onlinespielen hat Felix Falk vom Games Verband in der
       Coronapandemie nicht beobachtet. Ganz im Gegenteil. „Spiele wurden und
       werden als sozialer Raum gesehen, in dem normalerweise freundlich
       kommuniziert wird“, sagt Falk. Allerdings sind sich sowohl der
       Branchenverband als auch die Mitgliedsunternehmen bewusst, dass es auch
       Probleme gibt. „Wenn Millionen Menschen spielen, dann sind natürlich auch
       die schwarzen Schafe dabei, so wie in anderen Bereichen der Gesellschaft.
       Dabei geht es um Beleidigungen oder Sexismus, aber zum Glück nur sehr
       selten um wirklich strafbewehrte Inhalte.“
       
       Anonyme Kommunikation trage auch in Games dazu bei, dass Beleidigungen
       schneller im Spielchat formuliert würden. In einer gemeinsamen Erklärung
       haben sich rund 1.400 Spieleunternehmen dazu verpflichtet, sich für
       Vielfalt einzusetzen und gegen Sexismus oder Rassismus, Hass und
       Menschenfeindlichkeit.
       
       Auch Gamer:innen wagen sich verstärkt aus der Deckung. Sie machen
       Anfeindungen öffentlich, schließen sich mit anderen Spieler:innen
       zusammen. Eine – vorsichtig ausgedrückt – problematische Kommunikation wird
       nicht länger totgeschwiegen, sondern diejenigen, die sie erleben, machen
       sie sichtbar. Unterstützung durch die Community spielt dabei eine
       entscheidende Rolle.
       
       Aber was tun bei einem Angriff? Aussteigen? Ignorieren? „Wer sich unwohl
       fühlt, sollte versuchen, Gegenrede zu leisten und sich Unterstützung zu
       holen“, sagt Nölp. Am besten direkt über den User. Wichtig sei, hier
       sachlich zu bleiben und sich nicht provozieren zu lassen. Gehe das nicht,
       sei das Gespräch beendet.
       
       ## Inhalte werden selten moderiert
       
       Aber die Digitalexpertin empfiehlt auch, die Vorfälle direkt bei den
       Spielebetreiber:innen zu melden. Leider ist das nicht immer ganz
       einfach. Oft fehlen Gesprächsregeln, und auch der Weg dahin, wie und wo
       Attacken gemeldet werden können, ist nicht immer ersichtlich. Reicht es,
       wenn ich eine Mail schreibe mit dem Nutzernamen? Brauche ich einen
       Screenshot vom Chatverlauf? „Es gibt noch viele Hürden. Viele wissen nicht,
       wie Täter:innen gemeldet werden können“, sagt Nölp.
       
       Aus ihrer Erfahrung heraus ist der [2][Widerstand gegen Hassreden] noch
       nicht ganz oben auf der Agenda der Spieleentwickler:innen angekommen.
       Schließlich wollen sie auf keinen Fall User:innen vertreiben.
       Seitenbetreiber:innen haben oft nicht die personellen Ressourcen, um
       schnell einschreiten zu können. Werden solche Inhalte gemeldet, dauert es
       oft einige Zeit, bis die Betroffenen eine Antwort erhalten oder überhaupt
       etwas passiert.
       
       Dies bestätigt die Initiative jugenschutz.net. In einer Erhebung zum Thema
       Rechtsextremismus und Gaming kommen die Expert:innen zum Schluss, dass
       einige Plattformbetreiber Inhalte nur selten moderieren und kaum auf
       Hinweise reagieren. Teilweise sind deutlich zu wenig Mitarbeiter:innen
       für diesen Bereich eingesetzt, den Moderationsjob übernehmen in einigen
       Fällen auch User:innen im Ehrenamt, heißt es dort. Anfragen via E-Mail
       würden oft sehr spät oder gar nicht beantwortet.
       
       Falk vom Gamesverband unterscheidet zwischen den Spielen selbst und
       Plattformen, auf denen über Spiele und andere Themen gefachsimpelt wird.
       Games-Anbieter haben gesetzlich vorgeschriebene Meldesysteme, und etliche
       sanktionieren darüber hinaus problematische Kommunikation, indem sie Konten
       zeitweise sperren oder gar löschen. Für regelmäßige Spieler:innen sei
       das ein „scharfes Schwert“. Wer Punkte verliert, die über einen langen
       Zeitraum angesammelt wurden, müsste mit einem neuen Account wieder ganz von
       vorn anfangen.
       
       Von Forderungen, Games über das Netzwerkdurchsetzungsgesetz zu regulieren,
       hält Falk nichts. „Die Kommunikation in Spielen ist flüchtig und wird gar
       nicht gespeichert. Das NetzDG verlangt aber, dass Inhalte gelöscht werden.
       Der Chat im Spiel wirkt aber nur für den Spielmoment.“ Das NetzDG könne
       dort also nicht greifen, weil die Gefahr einer Weiterverbreitung von
       Spielen gar nicht ausgehe.
       
       ## Mehr Akzeptanz von Spielen als Lernorte
       
       Anders sieht es bei Plattformen wie Reddit aus, auf denen sich über
       Spielinhalte ausgetauscht wird. Diese Angebote werden bereits über das
       NetzDG reguliert. Strafbewehrte Inhalte sowohl in Spielen, in Chatverläufen
       als auch auf den Plattformen müssten natürlich an die zuständigen Behörden
       gemeldet werden. Aber: Falk zufolge fehlt es dort häufig an digitalen
       Kompetenzen, um die Fälle schnell zu bearbeiten. Er empfiehlt,
       Diffamierungen jeglicher Art über das Profil der Täter:innen direkt dem
       Betreiber zu melden. Oder sich an den Jugendschutzbeauftragten, der
       verpflichtend im Impressum anzugeben ist, zu wenden.
       
       Auch Patrick Breyer, EU-Abgeordneter der Piratenpartei und Digitalexperte,
       kritisiert, dass angezeigte strafbare Äußerungen im Netz nicht konsequent
       verfolgt, sondern Verfahren häufig eingestellt werden. Dazu müssten auch
       die Kapazitäten der Ermittlungsbehörden und Justiz aufgestockt und
       spezialisierte Einheiten aufgebaut werden, wie es sie noch längst nicht
       überall gibt, sagt Breyer der taz. Aus seiner Sicht heraus müsse endlich in
       die dauerhafte Finanzierung von zivilgesellschaftlicher Arbeit gegen
       Menschenfeindlichkeit und in Interventionsprogramme zur Deradikalisierung
       im Netz investiert werden.
       
       Nölp von den Digitalen Helden setzt ebenfalls nicht ausschließlich auf
       verschärfte Gesetze wie eine Erweiterung des NetzDG, um Plattformen stärker
       in die Pflicht zu nehmen. Sie fordert mehr gesellschaftliche Akzeptanz von
       Computer- und Videospielen als Lernorte und pädagogische Konzepte, die es
       Hassredner:innen schwer machen. Also ansprechen, Bewusstsein dafür
       schaffen, dass in der digitalen Welt nicht alles erlaubt ist und ein
       verletzender Ton nicht hingenommen wird.
       
       Schließlich werden Spiele als Instrumente, um zu lernen, verstärkt Einzug
       halten. Nicht nur im Schulunterricht, sondern auch in der
       Erwachsenenbildung. Es geht also bei Weitem nicht um ein Hobby zum
       Zeitvertreib. Das entbindet Anbieter:innen aber nicht von ihrer
       Verpflichtung. Denn gleichzeitig müssten Hassposts schneller und leichter
       gemeldet werden können, um Betroffene zu unterstützen.
       
       14 Oct 2021
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tanja Tricarico
       
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