# taz.de -- Friedensnobelpreis für JournalistInnen: Zwei, die nicht kapitulieren
       
       > Der Friedensnobelpreis geht an zwei Medienschaffende: Maria Ressa von den
       > Philippinen und Dmitri Muratow aus Russland.
       
 (IMG) Bild: Eine der beiden Ausgezeichneten: Journalistin Maria Ressa von den Philippinen
       
       Moskau/Berlin taz | Meinungsfreiheit sei „eine Voraussetzung für Demokratie
       und dauerhaften Frieden – so begründete die Vorsitzende des norwegischen
       Nobelkomitees, Berit Reiss-Andersen, am Freitag die Entscheidung in Oslo:
       [1][Maria Ressa] (58) und [2][Dmitri Muratow] (59) „stehen stellvertretend
       für alle Journalisten, die dieses Ideal in einer Welt verteidigen, in der
       Demokratie und Pressefreiheit immer ungünstigere Bedingungen vorfinden“.
       
       Mit der Auszeichnung der beiden hat wohl kaum jemand gerechnet, auch wenn
       beide in ihren Ländern und darüber hinaus für ihren Mut bekannt sind.
       Andererseits hatte die Organisation [3][Reporter ohne Grenzen], die sich
       für die beiden wie auch andere verfolgte Journalisten einsetzt, zu den
       diesjährigen Favoriten der Preisvergabe gezählt.
       
       Dmitri Muratow ist Chefredakteur der Nowaja Gaseta. Die Zeitung gilt als
       eines der letzten Flaggschiffe des unabhängigen Journalismus in Russland.
       Trotz Bedrohungen und Einschüchterungen gelingt es den JournalistInnen seit
       fast 30 Jahren, eine eigene Stimme zu bewahren. Sechs ihrer
       JournalistInnen, darunter Anna Politkowskaja, wurden bei der Ausübung ihrer
       Arbeit getötet. Am Donnerstag hatte sich der Anschlag auf sie zum
       fünfzehnten Mal gejährt.
       
       Die Nowaja Gaseta wurde schon in den Vorjahren als potenzielle
       Preisträgerin genannt. Die innenpolitische Entwicklung Russlands und
       Moskaus Aggression nach außen waren für das Nobelkomitee nun wohl Anlass zu
       handeln. Auch der inhaftierte Oppositionelle Alexej Nawalny wurde in diesem
       Jahr als Empfänger gehandelt. Mit der Entscheidung für Nowaja wurde
       zugleich auch sein mutiger Kampf gewürdigt.
       
       ## Der Kreml lässt sie noch immer gewähren
       
       Die Zeitung hat in den drei Jahrzehnten Gewalt und Korruption angeprangert,
       ungerechtfertigte Festnahmen, ethnische Benachteiligungen beschrieben und
       zuletzt über die Manipulation bei russischen Wahlen berichtet.
       Verwunderlich ist, dass der Kreml sie noch immer gewähren lässt – einen
       Namen machte sich die Zeitung auch mit Berichten aus Tschetschenien und
       dem Nordkaukasus. Offensichtlich verfügt sie in der Bürokratie noch über
       Befürworter, die Wert auf ungeschminkte Nachrichten legen. Auch
       Friedensnobelpreisträger Michail Gorbatschow zählt zu den Förderern des
       Blattes. Im Jahr 2006 erwarb er 49 Prozent der Anteile an dem Blatt,
       zusammen mit dem Oligarchen Alexander Lebedew.
       
       Wie wird sich die Auszeichnung auf das Blatt auswirken? Der russische
       Chefpropagandist, Dmitri Kiseljew, kommentierte die Verleihung umgehend:
       „Der Friedensnobelpreis ist eine der umstrittensten Nominierungen des
       Nobelkomitees. Derartige Entscheidungen entwerten die Auszeichnung. Sich
       daran zu orientieren, ist schwierig“. Doch der Pressesprecher des Kremls
       gratulierte: Muratow sei talentiert und mutig, sagte Dmitri Peskow.
       
       Die zweite diesjährige Preisträgerin, Maria Ressa, ist die bedrängte
       Mitgründerin, Geschäftsführerin und Chefredakteurin des investigativen
       philippinischen Nachrichtenportals [4][Rappler]. Sie ist zugleich die erste
       Person aus den Philippinen, die mit einem Nobelpreis ausgezeichnet wird.
       Früher war die Starjournalistin fast zwanzig Jahre für den US-Sender CNN
       tätig gewesen, deren Büros in Manila und Jakarta sie geleitet hatte.
       
       Ihre kritische Berichterstattung über den vom populistischen Präsidenten
       Rodrigo Duterte entfachten „Krieg gegen die Drogen“, in dessen Verlauf
       Schätzungen zufolge 30.000 Menschen außergerichtlich getötet wurden, machte
       sie zur Zielscheibe zahlreicher politisch motivierter Klagen wegen
       angeblicher Verleumdung und Steuerhinterziehung. Allein zehn Haftbefehle
       sind auf sie ausgestellt worden, die Existenz des Nachrichtenportals
       Rappler ist bedroht. Derzeit befindet sich Ressa nur gegen Kaution auf
       freiem Fuß.
       
       Die Philippinen sind formal eine pluralistische Demokratie mit lebendiger
       Presse. In der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen ist
       das Land jedoch in den letzten Jahren ständig abgesunken und liegt derzeit
       auf Platz 138 von 180 Nationen. Vor allem in den Provinzen werden
       Journalisten von lokalen Machthabern immer wieder bedroht und nicht selten
       von angeheuerten Killern getötet.
       
       Präsident Duterte erklärte gar Morde an Journalisten für legitim, da die
       meisten getöteten Reporter seiner Meinung nach korrupt gewesen seien. An
       der Aufklärung von Journalistenmorden hat der Präsident, der bereits den
       größten Fernsehsender des Landes zum Schweigen bringen ließ, keinerlei
       Interesse – von den Pressekonferenzen seiner Regierung sind Maria Ressa
       und die Nachrichtenplattform Rappler bereits seit einiger Zeit
       ausgeschlossen.
       
       „Präsident Dutertes Apologeten werden jetzt wieder argumentieren, dass
       Rapplers mutige Stimme doch der Beweis für die Lebendigkeit der
       Pressefreiheit in den Philippinen sei“ kommentierte die frühere Vorsitzende
       des philippinischen Journalistenverbandes, Inday Espina-Varona, den
       Nobelpreis auf Facebook. In Wahrheit beruhe diese Lebendigkeit allerdings
       lediglich darauf, dass Ressa und ihre Mitstreitenden nicht kapitulieren.
       
       8 Oct 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Philippinische-Journalistin/!5573371
 (DIR) [2] /Giftanschlag-auf-kremlkritische-Zeitung/!5754761
 (DIR) [3] https://www.reporter-ohne-grenzen.de/
 (DIR) [4] http://www.rappler.com
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Klaus-Helge Donath
 (DIR) Sven Hansen
       
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