# taz.de -- Journalismus in China: Einfach weg
       
       > Die Investigativ-Journalistin Sophia Huang Xueqin wollte ein Studium in
       > Großbritannien antreten. Bei ihrer Abreise wird sie am Flughafen
       > festgenommen.
       
 (IMG) Bild: Sophia Huang Xueqin mit einem #MeeToo-Transparent in ihrer Wohnung im Dezember 2017
       
       Mumbai taz | Was es bedeutet, in der chinesischen Gesellschaft nicht
       willkommen zu sein, lernte die Journalistin Sophia Huang Xueqin früh
       kennen. Sie wurde als zweites Kind im damaligen „Ein-Kind-China“ geborgen
       und zunächst von ihrer Familie versteckt gehalten. Allerdings schlug sich
       Xueqin später oft freiwillig auf die unbequeme Seite.
       
       Sophia Huang Xueqin brachte 2018 die Metoo-Debatte in China unter dem
       #WoYeShi mit ins Rollen. Sie ermutige andere Frauen, sich gegen sexuelle
       Belästigung am Arbeitsplatz stark zu machen. Die Bewegung gewann so sehr an
       Einfluss, dass die chinesische Regierung nach Protesten ankündigte, gegen
       sexuelle Belästigung an chinesischen Universitäten einzuschreiten. 
       
       Nun wollte die 33-Jährige das Land für einen Neuanfang verlassen. Über
       Hongkong sollte es nach Großbritannien gehen, um ein Chevening-Stipendium
       an der Universität von Sussex für einen Master in Entwicklungsstudien
       anzutreten. Doch am Sonntag wurden der befreundete Gewerkschafter Wang
       Jianbing und sie mutmaßlich am Flughafen festgenommen. (Wang begleitete sie
       bei ihrer Verabschiedung.)
       
       Seit Metoo stand Xueqin unter Beobachtung. Als sie 2017 mit einem
       Stipendium in Singapur ankam, fasste sie den Entschluss, etwas gegen das
       Problem in China zu unternehmen, das sie in der Ferne erkannte. Xueqin
       machte ihren eigenen Fall von Belästigung unter Klarnamen publik. So machte
       sie sich zunehmend bei den Behörden in ihrer Heimat unbeliebt.
       
       ## Plötzlich verschwunden
       
       Es ist nicht das erste Mal, dass Xueqin plötzlich verschwindet. 2019 wurde
       [1][die Investigativ-Journalistin] bereits einmal in Polizei-Gewahrsam
       genommen. Sie war Monate im „Residential Surveillance at a Designated
       Location“, kurz RSDL, von der Öffentlichkeit abgeschnitten.
       
       RSDL ist eine Form von Haft, die von der chinesischen Regierung gegen
       Personen verhängt wird, die „eine Gefährdung der Staatssicherheit“
       darstellen. Ihr Verbrechen war, dass die auf ihrem Blog neben
       Diskriminierung von Frauen in China über die prodemokratischen Proteste in
       Hongkong berichtete. Die offizielle Anklage lautet Störung der öffentlichen
       Ordnung. Zu diesem Zeitpunkt befand sie sich in Hongkong, wo sie Jura
       studierte.
       
       Als Xueqin zu einem Familienbesuch in ihre Heimat in Südchina zurückkehrte,
       wurde ihr der Pass entzogen. Vergebens wartete sie darauf, ihr Studium
       fortführen zu können. Das Stipendium der britischen Regierung wäre für sie
       die erste Möglichkeit gewesen, das Land seit Ausbruch der Coronapandemie zu
       verlassen.
       
       Wie lange sie diesmal von Freunden und Familie abgeschottet ist, weiß
       derzeit niemand. Ihre Ehe scheiterte bereits mit der ersten Festnahme, auch
       wenn sie im Januar 2020 gegen Kaution freigelassen wurde.
       
       ## Den Kampf fortführen
       
       Einem engen Freund gegenüber äußerte sich Xueqin, dass sie zuvor nicht
       körperlich gefoltert, aber Versuche unternommen worden seien, sie zu
       manipulieren. Ihr sollte klargemacht werden, dass das „chinesische Modell“
       besser sei als die westliche Vorstellung von Demokratie. Xueqin vertrat
       aber bis zuletzt die Meinung, dass das Fehlen von Demokratie und
       Meinungsfreiheit in China nicht ewig funktionieren werde. Sie hielt sich
       allerdings bis vor ihrer Abreise bedeckt, wollte den Kampf gegen Unrecht
       aber nicht aufgeben.
       
       „Wir sind besorgt über die Sicherheit und den Verbleib unserer Studentin“,
       sagten ein Sprecher der Universität Sussex, und Freunde von Xueqin
       gegenüber der taz. Auch die internationale Journalisten-Föderation IFJ fand
       mahnende Worte. „Die IJF ist solidarisch mit Huang, die ständig von den
       chinesischen Behörden schikaniert wird, weil sie auf wichtige Themen im
       öffentlichen Interesse aufmerksam macht.“
       
       24 Sep 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /China-verschaerft-Kontrolle-der-Presse/!5745253
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Natalie Mayroth
       
       ## TAGS
       
 (DIR) China
 (DIR) Repression
 (DIR) Journalismus
 (DIR) Schwerpunkt #metoo
 (DIR) GNS
 (DIR) China
 (DIR) Schwerpunkt Pressefreiheit
 (DIR) Schwerpunkt Pressefreiheit
 (DIR) China
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Pleite des chinesischen Konzerns Evergrande: Aufstieg und Fall des Xu Jiayin
       
       Das Immobilienunternehmen Evergrande steht vor einem Schuldenberg. Gründer
       Xu hat eine bewegte Geschichte hinter sich.
       
 (DIR) Pressefreiheit in China: Journalisten als Sündenböcke
       
       In China kam es jüngst zu einer Hetzjagd auf ausländische Korrespondenten.
       Der Vorfall offenbart den aufkeimenden Nationalismus in der Volksrepublik.
       
 (DIR) Globaler Medienkonflikt: Chinas mediale Vergeltung
       
       Chinas Rundfunkbehörde erteilt dem britischen Sender BBC ein Sendeverbot.
       Das ist auch eine Warnung an westliche Medien.
       
 (DIR) China verschärft Kontrolle der Presse: Schluss mit Nische der Freiheit
       
       Journalisten in der Volksrepublik müssen für den Presseausweis nun auch
       ihre Profile in den sozialen Netzwerken staatlich prüfen lassen.