# taz.de -- Lobbyarbeit gegen Enteignungen: Desinformation und Gutachterei
       
       > CDU und Immobilienlobby bieten im Kampf gegen Enteignung Tricks und ein
       > neues Gutachten auf. Das Volksbegehren hält dagegen.
       
 (IMG) Bild: Berlin darf am Wahlsonntag über die Zukunft von privaten Wohnkonzernen entscheiden
       
       Berlin taz | Auf den letzten Metern hin zur Abstimmung über den
       Volksentscheid Deutsche Wohnen & Co enteignen am Sonntag zeigt das scheue
       Reh Kapital die Zähne: Während die Deutsche Wohnen trotz Wohnungsnot |
       jahrelang in Prenzlauer Berg [1][Wohnungen leer stehen lässt], fürchten CDU
       und Immobilienlobby offenbar das laut Innenverwaltung rechtlich zulässige
       Volksbegehren, das private Wohnkonzerne mit mehr als 3.000 Wohnungen
       vergesellschaften will.
       
       Die CDU treibt ihre Desinformationskampagne auf die Spitze: Nachdem sie
       lange [2][faktenresistent und wahrheitswidrig] behauptet hatte, auch
       [3][Genossenschaften seien von Enteignungen betroffen], greift sie jetzt
       sogar zur Wähler-Verwirrungstaktik: Die CDU-Fraktion verschickte
       Infomaterial, das vom Aussehen erstaunlich an amtliche Wahlunterlagen
       erinnerte – die Schriftarten ähneln sich, ebenso prangt das Berliner
       Stadtwappen auf dem Umschlag, in dem das vermeintliche Infomaterial
       verschickt wurden. Erst auf dem zweiten Blick wird deutlich, dass es sich
       um eine Kommentierung der CDU-Fraktion handelt.
       
       Der Verein Mehr Demokratie e. V. kritisiert die Aktion: „Wenn die
       Information der amtlichen Mitteilung zum Verwechseln ähnlich sieht, ist das
       eine bewusste Täuschung der Abstimmenden!“ Michael Efler,
       direktdemokratischer Sprecher der Linken im Abgeordnetenhaus meldete sogar
       Zweifel an, ob die Aktion rechtskonform ist. Er sagte der taz: „Das
       Abstimmungsgesetz lässt den Einsatz öffentlicher Mittel vor
       Volksentscheiden nur begrenzt zu.“ Explizit sei es nur dem Abgeordnetenhaus
       und dem Senat erlaubt, angemessene öffentliche Mittel einzusetzen. Die
       Fraktionen seien nicht erwähnt, so Efler: „Von daher sind erhebliche
       Zweifel angebracht, ob das Vorgehen der CDU-Fraktion gesetzeskonform ist“.
       
       Die Unionsfraktion sagte auf taz-Anfrage, die Sendungen seien an über
       100.000 Haushalte gegangen. Man habe vorab ein Gutachten dazu mit dem
       Rechnungshof abgestimmt, alles sei rechtmäßig abgelaufen. Der
       [4][Rechnungshof wiederum teilte ergänzend mit], man könne die Aktion nicht
       abschließend bewerten, weil das Informationsangebot nicht vorgelegen hätte.
       
       ## Schwere Geschütze auch von der Immo-Lobby
       
       Auch die Immobilienlobby greift kurz vor Torschluss zu schweren Geschützen:
       Der immobilienwirtschaftsnahe Verein [5][Neue Wege für Berlin]
       veröffentlichte ein Gutachten, das die Verfassungswidrigkeit eines
       möglichen Vergesellschaftungsgesetzes belegen soll und medial [6][ohne zu
       viel störende kritische Einordnung] [7][aufgegriffen wurde]. Erstaunlich
       dabei: Der Gutachter, der emeritierte Staastrechtler Ulrich Battis, hatte
       noch vor gut einem Jahr nicht nur in der taz die Auffassung vertreten, dass
       die [8][Sozialisierung nach Art. 15 GG zulässig sei].
       
       Auf taz-Anfrage sagte Battis zu seinem Meinungsschwenk: „Es ist eine
       Position, die ich im Laufe der Zeit entwickelt habe.“ Wie viel das
       Gutachten gekostet habe, wisse er nicht. Das habe eine beteiligte
       Anwaltskanzlei ausgehandelt. Im Übrigen halte Battis das Volksbegehren für
       sinnvoll, um politischen Druck aufzubauen. Der Volksentscheid sei rechtlich
       zulässig, ein Vergesellschaftungsgesetz aus seiner Sicht allerdings
       verfassungswidrig, so Battis.
       
       Moheb Shafaqyar, ein Sprecher vom Volksbegehren, sagte dazu: „Das Gutachten
       vom Immobilienanwalt Battis ist kurios“, weil dieser selbst vor zwei Jahren
       Vergesellschaftung für unumstritten rechtmäßig gehalten habe. Shafaqyar
       verwies deswegen auf „unabhängige Gutachten“, etwa [9][der
       wissenschaftlichen Dienste des Abgeordnetenhauses], des [10][Bundestages]
       und [11][drei vom Senat beauftragte Gutachten], die eindeutig anderer
       Meinung seien. Shafaqyar sagte: „Da kann sich nun jede Person selbst ein
       Bild davon machen, wie ernst zu nehmend die Gefälligkeitsgutachten von
       Battis sind.“
       
       Zuvor hatten CDU und Immobilien-Verbände ausdauernd und wahrheitswidrig
       behauptet, dass auch Genossenschaften enteignet werden sollen, obwohl dies
       niemals geplant war und [12][rechtlich ausgeschlossen werden kann], wie
       auch ein [13][Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des
       Abgeordnetenhauses bestätigt]. Dennoch raunte die Immo-Lobby bis zuletzt
       von Gefahren für Genossenschaften. Blöd nur, wenn ein selbst [14][vom
       Immo-Verband BBU in Auftrag gegebenes Gutachten] zum Schluss kam, dass
       Genossenschaften nicht von Enteignungen betroffen wären. Der Verband hat
       dann einfach vor der Abstimmung noch ein Gutachten nachgeschoben, dass
       erstaunlicherweise zum gegenteiligen Schluss kam.
       
       24 Sep 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Leerstand-in-Prenzlauer-Berg/!5798127
 (DIR) [2] https://www.rbb24.de/politik/wahl/volksentscheid-wohnen/beitraege/deutsche-wohnen-enteignen-angst-genossenschaften-gutachten.html
 (DIR) [3] /Deutsche-Wohnen--Co-enteignen/!5798017
 (DIR) [4] https://www.tagesspiegel.de/berlin/wenige-tage-vor-dem-volksentscheid-berliner-cdu-fraktion-provoziert-mit-flyer-zu-enteignungen/27641342.html
 (DIR) [5] /Volksinitiative-Neue-Wege-fuer-Berlin/!5659671
 (DIR) [6] https://www.tagesspiegel.de/berlin/ungeheure-naivitaet-gutachter-battis-haelt-deutsche-wohnen-enteignung-fuer-verfassungswidrig/27639376.html
 (DIR) [7] https://www.morgenpost.de/berlin/article233400129/Jurist-haelt-Enteignungsplaene-fuer-nicht-umsetzbar.html?utm_source=+CleverReach+GmbH+%26+Co.+KG&utm_medium=email&utm_campaign=BM_NL_Morgenpost&utm_content=Mailing_12996163
 (DIR) [8] /Volksinitiative-streitet-mit-Senat/!5697334
 (DIR) [9] https://www.parlament-berlin.de/C1257B55002B290D/vwContentByKey/W2BFNGZZ691WEBSDE/$File/20190821-Forderungen_Initiative_Deutsche_Wohnen.pdf
 (DIR) [10] https://www.bundestag.de/resource/blob/591138/56a3abe5d99481d9f72144aeae96bfce/wd-3-445-18-pdf-data.pdf
 (DIR) [11] https://www.stadtentwicklung.berlin.de/wohnen/wohnraum/vergesellschaftung/
 (DIR) [12] https://www.rbb24.de/politik/wahl/volksentscheid-wohnen/beitraege/deutsche-wohnen-enteignen-angst-genossenschaften-gutachten.html
 (DIR) [13] https://www.parlament-berlin.de/C1257B55002B290D/vwContentByKey/W2BFNGZZ691WEBSDE/$File/20190821-Forderungen_Initiative_Deutsche_Wohnen.pdf
 (DIR) [14] https://bbu.de/sites/default/files/press-releases/bbu-sodan-rechtsgutachten-2019-endfassung.pdf
       
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 (DIR) Gareth Joswig
       
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