# taz.de -- Kunst und Ideologie in der jungen BRD: Spätere Karriere inbegriffen
       
       > In der Nachkriegszeit waren auch Künstler erfolgreich, die schon die
       > Nazis hofiert hatten. Das Deutsche Historische Museum geht dem nun nach.
       
 (IMG) Bild: Enthüllung von Hermann Kaspars „Die Frau Musica“ in der Meistersingerhalle Nürnberg, 12. Januar 1970
       
       Lässt man die gerade im Deutschen Historischen Museum in Berlin (DHM)
       eröffnete Ausstellung zur „Liste der ‚Gottbegnadeten‘. Künstler des
       Nationalsozialismus in der Bundesrepublik“ auf sich wirken, so drängen sich
       Fragen auf. 14 der in der Liste genannten Protagonisten der Kunst im
       Nationalsozialismus galt eine Recherche zu ihrer künstlerischen Tätigkeit
       in der Nachkriegszeit. Die Ergebnisse werden nun in Skulpturen, Gemälden,
       Dokumenten sowie Fernsehinterviews vorgestellt.
       
       Diese Erkundung des Kunsthistorikers und Kustos Wolfgang Brauneis ist
       verdienstvoll, weil sie aussagekräftiges Material zusammenträgt, das jedoch
       der weiteren wissenschaftlichen Einordnung bedürfte.
       
       Zum Beispiel der bekannteste [1][Hofkünstler „des Führers“, der Bildhauer
       Arno Breker:] Seit 1938 lehrte er als Kunstprofessor an der Berliner
       Kunsthochschule und er war mit zahlreichen Werken während des Dritten
       Reiches an der „Großen Deutschen Kunstausstellung“ (GDK) im „Haus der
       Deutschen Kunst“ in München beteiligt. Er modellierte 1939 einen Kopf
       Richard Wagners, der auf der GDK von 1941 zu sehen war.
       
       Der Beitrag Wagners zur „deutschen Kunst“ erhielt in diesen Jahren eine
       überragende Bedeutung. Breker gab dem – im NS-Verständnis – geistigen
       „Heroen“ eine für den Kunstgeschmack der NS-Elite ausdrucksstarke
       symbolische Form. Der Kopf wurde 1955 neben der Villa Wahnfried in Bayreuth
       aufgestellt, um dem Schöpfer des Festspielhauses auch am Ort ein Gesicht zu
       geben. Aber vermittelt sich der politische Gehalt der Porträtskulptur von
       1939 in seiner Formensprache noch heute? Wohl kaum, nicht nur weil die
       meisten Passanten die Signatur des Werkes gar nicht lesen.
       
       ## Porträtaufträge in Bayreuth
       
       In den siebziger Jahren erhielt Breker weitere Porträtaufträge für
       Bayreuth, privat von Winifred Wagner, der Freundin Hitlers, und einen aus
       öffentlichen Mitteln der Stadt finanziert, für einen Kopf Cosima Wagners,
       der 1979 im Festspielpark aufgestellt wurde. Der Ausstellungskatalog
       dokumentiert dieses Werk mit einer Fotografie, ohne dass die politischen
       und kulturellen Zusammenhänge erläutert werden. An diesem Beispiel
       erscheinen die Bezüge der Kultur dieser Jahrzehnte in ihrem inneren
       Zusammenhang augenfällig.
       
       In der Liste der „Gottbegnadeten“ steht Breker ganz oben. Sie entstand im
       Kriegsjahr 1944, als die Verluste der deutschen Truppen sehr hoch wurden.
       Ausgefertigt hat sie die Reichskulturkammer im Auftrag von Hitler und
       Goebbels. Die unter den Rubriken Schrifttum, Bildende Kunst und Musik
       Genannten galten in ihrer „göttlichen“ Begabung – eine seit der Antike
       bekannte Chiffre des Künstlerruhms – als unersetzlich und wurden deshalb
       vom Arbeits- und Kriegseinsatz freigestellt.
       
       Diese Maßnahme zielte darauf, sie vor dem „Heldentod“ zu bewahren und ihnen
       ungestört ihre „künstlerische Tätigkeit“ zu ermöglichen, weil dies für die
       Kultur des deutschen Volkes wichtiger sei.
       
       Auf dieser Liste wurden 114 arrivierte Bildhauer und Maler erfasst,
       darunter Werner Peiner, Hermann Gradl, Hermann Kaspar, Paul Mathias Padua,
       aber auch Wilhelm Gerstel, Paul Plontke oder [2][Georg Kolbe].
       
       ## Einordnung als Mitläufer
       
       Alle diese Künstler waren im Kunstbetrieb des Dritten Reichs bekannt,
       jedoch mit unterschiedlicher politischer Relevanz. Von ihnen durchliefen
       selbst die arrivierten Nazi-Künstler 1947/48 die vorgeschriebene
       „Entnazifizierung“ durch die Spruchkammern, meist jedoch nur mit einer
       Einordnung als Mitläufer mit geringer Geldstrafe. Nach dem Wegfall ihrer
       Staatsaufträge 1945 konnten sich diese in der Nachkriegszeit auf das
       vermögende Bürgertum und „Industriekreise“ als Käuferpublikum stützen.
       
       Daher ist es außerordentlich informativ, in der Ausstellung auch kurze
       Fernsehinterviews zu sehen, entstanden zwischen 1965 und 1981. In ihnen
       wurden die exponierten Künstler wie Werner Peiner, Hermann Kaspar oder Arno
       Breker vor allem zu ihrem Selbstverständnis um 1970 befragt, aber auch zu
       ihrer Arbeit und ihrem Selbstverständnis während des Nationalsozialismus.
       
       1974 gestaltete der Kunsthistoriker Georg Bussmann im Frankfurter
       Kunstverein die erste Ausstellung zur NS-Kunst, in der auch zwei Gemälde
       von propagandistischer Bedeutung des Malers Paul Mathias Padua hingen. Die
       davon ausgelösten Emotionen bildeten den Anlass, diesen profilierten
       NS-Künstlers in die Sendung „3 nach 9“ von Radio Bremen einzuladen. Im
       Gespräch mit der Moderatorin Marianne Koch äußerte er sich über das
       Zustandekommen der beiden Bilder. Vom Reichsrundfunk hatte er den Auftrag
       erhalten, den damals mit der Produktion des „Volksempfängers“ erweiterten
       Zugang zum Medium Rundfunk bildlich darzustellen.
       
       ## Propaganda am Volksempfänger
       
       Das [3][Gemälde „Der Führer spricht“], das in unser Bildgedächtnis zur
       Nazi-Kunst prominent eingegangen ist, zeigt seine Nachbarsfamilie, die für
       70 Reichsmark einen Volksempfänger erworben hatte und die Rundfunkrede des
       Diktators nun im Wohnzimmer gespannt mitverfolgte. An der Wand hing ein
       Plakat, dessen Slogan zum Bildtitel wurde. Im zweiten Gemälde, mit der
       Angriffsszene eines Sturmtrupps, gestaltete er ein Kriegserlebnis zu dem
       heroischen Bild „10. Mai 1940“. Padua behauptete, er sei als Augenzeuge
       dabei gewesen, ob als Soldat oder – was wahrscheinlicher ist – als
       Kriegsmaler im „Westfeldzug“, blieb offen.
       
       In den sechziger und siebziger Jahren lebte auch dieser Maler von
       Porträtaufträgen sehr gut, so von Franz Josef Strauß, den Komponisten Boris
       Blacher und Werner Egk, sowie weiteren Prominenten. Während dieses
       Gesprächs sprach der kritische Rechtsanwalt Heinrich Hannover seine
       gemischten Gefühle aus, weil es so einfach sei, diesem Maler vorzuhalten,
       dass er im nationalsozialistischen Unrechtsstaat, trotz dessen
       Massenverbrechen, „mitgemacht“ habe. Hannover wies empört darauf hin, dass
       dagegen die zahlreichen Juristen, die Regimegegner zum Tode verurteilt
       hatten, gerade weil diese sich dagegen gestellt hatten, weiter völlig
       unbehelligt in ihren Berufen präsent seien und sich nur in wenigen
       Einzelfällen rechtfertigen mussten.
       
       Die Ausstellung versammelt Werke und Dokumente zum Weiterwirken der
       „Künstler des Nationalsozialismus“, wie der Kurator dies unscharf nennt.
       Dieser Begriff unterscheidet nicht zwischen den politisch im Sinne des
       Nationalsozialismus Arbeitenden und denjenigen, die nach 1933 ihre
       künstlerische Berufspraxis und Lehrtätigkeit fortführten, wie etwa der
       bedeutende Bildhauer der Berliner Kunsthochschule Wilhelm Gerstel.
       
       Gerstel schuf in seinem Umfeld einen kreativen Raum, in dem sich
       künstlerische Begabungen wie [4][Fritz Cremer], Gustav Seitz oder Waldemar
       Grzimek in den dreißiger Jahren entwickeln konnten, die in der
       Nachkriegszeit für die künstlerische Kultur der antifaschistischen Linken
       als Bildhauer mit ihren Werken hervortraten. Erst diese Unterscheidung
       könnte vertiefte Einsichten in die Handlungsspielräume der
       Künstlerindividuen eröffnen.
       
       ## Mythos Neuanfang
       
       Kürzlich wurde mit der Parallelausstellung „[5][documenta. Politik und
       Kunst“ im DHM] die Öffentlichkeit mit der Tatsache konfrontiert, dass die
       Legende der Nachkriegszeit falsch ist, es habe auf Initiative der
       „unbelasteten“ Organisatoren mit der ersten documenta von 1955 den
       Neuanfang zu einer weltoffenen Kunst der Expression und Abstraktion
       gegeben. Geschaffen wurde dieser Mythos als eine Wende zum „Guten“
       wesentlich in den fünfziger Jahren von Werner Haftmann, der gleichzeitig
       die Kunst des Abbildes zur „Nichtkunst“ erklärte. Dies entsprach einem
       Bedürfnis der Selbstentlastung durch Abwendung.
       
       Die Entdeckung, dass auch Haftmann während des Dritten Reiches im
       Kunstbetrieb gearbeitet hatte, Parteimitglied war, zudem als Soldat in
       Italien in die sogenannte „Bandenbekämpfung“ verstrickt war, zertrümmerte
       diesen Mythos. Ihm wurde die Folterung gefangener Kämpfer des italienischen
       Widerstandes vorgeworfen. Die seit den fünfziger Jahren lange Zeit so klar
       erscheinenden Fronten zwischen der angeblichen „Nichtkunst“ des Abbildes,
       die pauschal als Nazi-Kunst diffamiert wurde, und der expressionistischen
       Moderne sind ins Schwanken geraten. Hoffen wir auf eine selbstreflexive
       Moderne.
       
       31 Aug 2021
       
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