# taz.de -- Lichtgutachter über Außenbeleuchtungen: „Ohne Rücksicht auf Verluste“
       
       > Lichtexperte Peter Reuff kritisiert, dass oft zu helle Leuchten in
       > falscher Lichtfarbe eingesetzt werden. Nun hofft er aufs
       > Bundesnaturschutzgesetz.
       
 (IMG) Bild: Intensive Beleuchtung von Vorgärten nicht nur in der Weihnachtszeit
       
       taz: Herr Reuff, welche Rechte haben Menschen, die sich durch Licht in der
       Nachbarschaft sehr gestört fühlen? Zum Beispiel an einem nachträglich
       angebauten Fahrstuhlturm? 
       
       Peter Reuff: Das Thema Licht ist im Bundesimmissionsschutzgesetz
       aufgenommen, aber es gibt dort keine Grenzwerte dazu. Deshalb wird in
       solchen Fällen eine Richtlinie der Länderarbeitsgemeinschaft
       Immissionsschutz, kurz LAI-Richtlinie, herangezogen.
       
       Und was besagt diese Richtlinie? 
       
       Es gibt beim Licht zwei Phänomene zu beurteilen. Das eine ist die
       Raumaufhellung. Und es gibt die Blendung. Für beides gibt es Grenzwerte,
       die bei Außenbeleuchtungen eingehalten werden müssen. Ist ein Grenzwert
       überschritten, dann tritt eine Störung nach LAI-Richtlinie ein. Das darf
       nicht sein.
       
       Kommt das oft vor? 
       
       Ich erlebe als Gutachter häufig, dass eine Außenbeleuchtung zu Störungen
       führt. Wenn in einem Gebäude das Wohnen erlaubt ist, gelten auch diese
       Grenzwerte der LAI-Richtlinie. Dort sind schutzwürdige Räume definiert,
       etwa Wohnzimmer, Schlafzimmer, Kinderzimmer. In den Nachtstunden, ab 22
       Uhr, ist dieser Grenzwert sehr niedrig. Es ist schon ganz schön schwer, den
       einzuhalten.
       
       Was heißt das? 
       
       Diese niedrigen Grenzwerte dürfen nicht überschritten werden. Es kommt zum
       Beispiel vor, dass Nachbarn einen Strahler durch einen Elektrotechniker
       anbringen lassen, der zu hell ist und die falsche Lichtfarbe hat. Der
       deshalb auch noch besonders Insekten anzieht.
       
       Welche Lichtfarbe ist denn günstig? 
       
       Geeignet sind warmweiße Lichtfarben, so wie sie früher die Glühlampen
       hatten. Oft wird im Außenbereich aber eine neutralweiße Lichtfarbe
       verwendet mit einem leicht bläulichen Licht. Das empfindet das menschliche
       Auge in der Nacht als heller und es wirkt störender.
       
       Und kann man das auch messen? 
       
       Ich muss einräumen: Es gibt einen Unterschied zwischen dem, was ich
       wahrnehme und was messtechnisch erfasst wird. Ich hatte Anfang des Jahres
       einen Fall, wo Licht aus der Nachbarschaft ins Schlafzimmer fiel. Wir haben
       das gemessen. Ich empfand es auch als störend. Aber messtechnisch war es
       unter diesen Grenzwerten. So was passiert eben auch.
       
       Oh. Wie erklärt sich das? 
       
       Man kann streiten, ob die Grenzwerte noch zu hoch sind. Es soll ja zum Ende
       des Jahres das Bundesnaturschutzgesetz geändert werden. Da soll dann
       endlich die Lichtimmission mit aufgenommen werden. Ich weiß nicht, ob dabei
       auch Grenzwerte geändert werden. Aber dann hat das endlich mal
       Gesetzeskraft. Bisher ist es ja nur eine Richtlinie.
       
       Warum kann ein einzelnes Licht so stören? 
       
       Ein helles einzelnes Licht ist störend, besonders nachts. Denn das Auge
       blickt immer in Richtung der Störlichtquelle. Fahren Sie zum Beispiel
       nachts auf der Landstraße Auto und es kommt ein aufgeblendeter
       Scheinwerfer, dann guckt man genau in dieses Licht, obwohl man weiß, das
       blendet und ich müsste woanders hingucken. Hinzu kommt, dass es heutzutage
       eher stört, weil LED-Leuchten eingesetzt werden. Was viele Elektriker
       nicht begreifen, und da greife ich jetzt auch mal bewusst einen Großteil
       der Berufsgruppe an: Es wird auf „Leistung“ installiert und nicht auf die
       lichttechnische Größe „Lichtstrom“.
       
       Was heißt das? 
       
       Die früheren Glühbirnen hatten eine Leistung von 60 Watt, die Halogenlampen
       bis 35 Watt. Das wird fälschlich auf die LEDs übertragen. Diese Leuchten
       gibt es ja auch mit zwei, drei, fünf Watt. Dann sagt jemand, guckt mal,
       vorher hatte ich 35 Watt, jetzt brauche ich nur noch fünf Watt, ich spare
       ja ganz viel ein. Nur: Man vergisst, dass diese fünf Watt viel Licht mit
       LED-Technologie erzeugen können. Das ist der sogenannte Lichtstrom, von dem
       wir fachtechnisch sprechen. Da kommt eine Menge Licht aus der Leuchte. Uns
       reicht in Nachtstunden aber relativ wenig Licht, um Dinge noch erkennen zu
       können. Das vergessen die meisten.
       
       Aber gibt es nicht Vorschriften für helles Licht, zum Beispiel am
       Fahrstuhl? 
       
       Stimmt. So ein Fahrstuhl ist ja ein Gefahrenübergang. Da gibt es eine Norm,
       nach der muss es so und so hell sein. Nur muss man abwägen: Wie viele
       Personen benutzen einen Aufzug überhaupt in der Nacht? Also kann das Licht
       nur dann einschalten, wenn er benutzt wird? Das ist mit LED-Technologie
       unproblematisch. Schalte ich das Licht ein, ist das Licht sofort da. Aber
       die Frage ist, wie hell muss ich überhaupt beleuchten? Neben dem Menschen
       ist auch die Natur zu schützen. Wir als Lichttechnische Gesellschaft, LITG,
       sind gerade dabei, das viel stärker aufzugreifen. Denn durch die
       LED-Umrüstung wurde leider auch Schindluder getrieben.
       
       Wie kamen Sie denn auf das Thema? 
       
       Wir hatten als [1][LITG] 2019 in Hamburg eine interdisziplinäre
       Zukunftskonferenz für alle, die mit Licht zu tun haben. Dort referierten
       Biologen über die Naturschutzaspekte von Lichtimmission. Seitdem beachte
       ich das bei allen Planungen. Es betrifft uns alle, angefangen im eignen
       Garten mit Bienen und Hummeln, die leiden, denn sie stehen mit nachtaktiven
       Insekten in Verbindung.
       
       Es gibt auch Fledermäuse in der Stadt. 
       
       Ja, es gibt viele Arten von Fledermäusen, einige Arten sehen das Licht als
       eine Wand und bewegen sich dort nicht mehr. LED verbraucht zwar weniger
       Energie für das Licht, das ist gut für den Klimaschutz, aber für den
       Naturschutz ist es wichtig, das Licht richtig einzusetzen. Das heißt auch
       zu überlegen: Brauche ich es überhaupt zu bestimmten Zeiten?
       
       Helfen Fotos, um Immission einzuschätzen? 
       
       Ein Foto verfälscht etwas, aber man kann dort erkennen, ob eine zu hohe
       Leuchtdichte der Lichtquelle vorhanden ist, die in Richtung der Fenster der
       schutzwürdigen Räume fällt. Und wie gesagt: Ab 22 Uhr gilt ein verschärfter
       Grenzwert. Übrigens zählt bis 22 Uhr auch eine Terrasse als schutzwürdiger
       Raum. Das wird von vielen ignoriert, nach dem Motto: Wir gucken mal, ob
       sich jemand meldet. LED-Beleuchtungen, die ja auch im Baumarkt zu kaufen
       sind, werden recht schmerzfrei eingesetzt, ohne Rücksicht auf Verluste.
       
       Im Frühling schwächt sich das Problem ja etwas ab, weil die Bäume Blätter
       bekommen. 
       
       Deswegen messen wir lieber im Herbst und Winter. Die Vegetation darf laut
       der LAI-Richtlinie nicht berücksichtigt werden. Ich als Fachplaner für
       Licht muss den Kunden immer sagen: Wenn du das und das machst, kannst du
       Ärger mit deiner Nachbarschaft bekommen.
       
       Berlin hat für seine Bürger ein Umweltportal, wo sie auch Lichtimmissionen
       melden können. Warum haben Großstädte wie Hamburg das nicht? 
       
       In Hamburg muss ich mich als betroffene Person bei Lichtimmissionen von
       Privatgrundstücken selbst kümmern. Was bedeutet, wenn die andere Seite
       sagt: „Ja, und, beleg mir das mal“, dann kann ich ein Gutachten erstellen.
       Aber das muss ja nicht heißen, dass dann was passiert. Also läuft es häufig
       auf einen Gerichtsstreit hinaus. Der kann Jahre dauern. Das heißt, auch
       Insekten und Vögel sind dieser Störung jahrelang ausgesetzt. Obwohl man sie
       schnell beseitigen könnte, durch einen anderen Strahler, eine andere
       Position oder eine andere Lichtfarbe. Das kostet etwas mehr. Aber man kann
       beleuchten, ohne dass störende Immission entsteht.
       
       Also, was müsste passieren? 
       
       Wir müssen jetzt mal gucken, was die Änderung des Naturschutzgesetzes
       bringt. Lichtimmission wird dort mit aufgenommen, aber keiner weiß derzeit,
       wie die Grenzwerte dann sein werden. Aber wenn die dort aufgenommen sind,
       dann wird es richtig spannend. Dann müssen sich alle, die mit
       Außenbeleuchtung zu tun haben, wirklich mit der Sache beschäftigen. Dann
       muss ich nachweisen, dass von der Beleuchtung, die ich plane, keine
       störende Lichtimmission ausgeht.
       
       Gar keine Immission, geht das? 
       
       Das nicht. Die Grenzwerte sind ja nicht null. Eine gewisse Lichtimmission
       muss ich ertragen. Aber es gibt Beleuchtungskörper, die minimieren die
       Immission. Ich habe zum Beispiel für einen Kunden eine Gartenbeleuchtung
       erstellt. Wir haben eine bernsteinfarbene LED eingesetzt, die den
       Naturschutz berücksichtigt. Die gibt zwar die Farben nicht so schön wieder
       im Garten und war etwas teurer, aber die illuminiert den Baum und stört
       ganz, ganz wenig die Natur. Und den Menschen auch nicht, der ist nachts
       nicht so empfindlich für dieses Lichtspektrum. Es gibt Beleuchtung mit
       geringer Lichtimmission. Ich schränke damit auf den Straßen, Parks und
       Gehwegen auch nicht die Sicherheit ein.
       
       Gibt es da keinen Interessengegensatz? 
       
       Nein. Ich muss nur gezielter beleuchten und nicht nur die Umgebung. Es gibt
       auch Beleuchtung, die angeht, wenn jemand vorbeiläuft. Da gibt es viel
       Potenzial und Handlungsbedarf. Aber es fehlt derzeit noch an Bewusstsein.
       Das kommt immer erst, wenn eine Störung auftritt.
       
       6 Jun 2021
       
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