# taz.de -- Interessenkonflikte von Politikern: Der Bock ist immer der Gärtner
       
       > Wir statten unsere VolksvertreterInnen mit Vollzeitstelle plus Bahncard
       > 100 aus. Trotzdem dürfen sie Nebenjobs annehmen. Muss das immer gutgehen?
       
 (IMG) Bild: Schwarze Schafe gibt es auch in der Politik
       
       Meine Tochter lässt sich neben mir aufs Sofa fallen. „Worum geht´s da?“,
       fragt sie mit Blick auf den Fernseher, wo „heute“ läuft: Der
       [1][Maskenskandal im Bundestag]. „Abgeordnete sollen Geld dafür bekommen
       haben, dass sie zwischen Behörden und Firmen vermittelt haben, die
       Coronamasken herstellen“, sage ich. „Und? Ist das strafbar?“, fragt meine
       Tochter. „Das weiß man noch nicht“, sage ich. „Man redet von Korruption,
       aber noch ist nichts klar.“
       
       Mit Gaunern und Verbrechern kennt die 19-Jährige sich aus. Sie macht gerade
       ein Praktikum bei der Staatsanwaltschaft und verbringt ihre Tage im
       Gerichtssaal mit Räubern, Mördern und Vergewaltigern. Die Fälle sind
       strafrechtlich ziemlich klar, die moralischen Fragen manchmal
       komplizierter. Bei den „Raffke-Abgeordneten“ ist es umgekehrt: Die
       moralische Empörung ist groß. Juristisch ist die Sache oft schwierig. Nicht
       jede Form der Korruption ist strafbar.
       
       Wir lassen unseren VolksvertreterInnen in diesem Bereich erstaunlich viel
       durchgehen: Sie bekommen von uns eine Vollzeitstelle plus Bahncard 100 und
       dürfen trotzdem Nebenjobs annehmen und ihren Bauernhof oder ihre
       Anwaltskanzlei weiterführen.
       
       Keiner fragt, wie viel Zeit sie eigentlich genau dem deutschen Volke widmen
       und wie viel ihrer Privat-Karriere. Dabei machen die meisten einen guten
       Job. Sie arbeiten rund um die Uhr, hetzen von Termin zu Termin und
       verbringen die Wochenenden auf einem zugigen Marktplatz, wo sie sich als
       „Volksverräter“ beschimpfen lassen müssen.
       
       ## Interessenkonflikt? Nie gehört
       
       Aber erstaunlich ist es schon, wie gleichmütig wir ihre alltäglichen
       Interessenkonflikte (um hier mal das K-Wort zu vermeiden) hinnehmen. Die
       zeigen sich vor allem beim Retten und Nichtretten der Welt: Wenn [2][der
       Agrarausschuss des Bundestags mit einem Drittel Bauern besetzt] ist, die
       über die Zahlungen an Bauern abstimmen. Wenn im Untersuchungsausschuss zum
       Dieselskandal viele Abgeordneten aus Landkreisen mit Autowerken kommen, die
       die heimischen Jobs und Steuereinnahmen sichern. Wenn über die Zukunft der
       Kohle Abgeordnete bestimmen, bei denen zu Hause Kraftwerke und Kohlegruben
       stehen und über die Förderung von Solarkraft und Biogas, wenn sich ihre
       Nachbarn damit ihr Einkommen sichern. Wenn ein Ex-Kanzler zum russischen
       Gas-Lobbyisten und ein Ex-Ministerpräsident und Co-Chef der Kohlekommission
       zum Kohlemanager wird. Wenn Gesetze in letzter Minute so geändert werden,
       dass die eigene Klientel davon auf Steuerkosten profitiert. Wenn es eher
       die Regel als die Ausnahme ist, dass der Bock zum Gärtner wird. Alles
       legal.
       
       Erstaunlich viele Abgeordnete sind übrigens auch Mitglieder bei
       Umweltverbänden, Amnesty International oder anderen Weltrettern. Dass diese
       Lobby der Öko-Diktatoren skrupellos Blühstreifen, Radwege und
       Effizienzhäuser durchsetzt, passiert aber eher selten. Vielleicht liegt es
       ja daran: 2019 betrugen die Budgets von Greenpeace, WWF, Nabu und BUND
       zusammen 266 Millionen Euro. Nur fürs Marketing gab dagegen allein VW 265
       Millionen aus.
       
       19 Mar 2021
       
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