# taz.de -- Attentäter von Hanau: Psychogramm eines Killers
       
       > Vor einem Jahr tötete der rechtsextreme Bankangestellte Tobias R. zehn
       > Menschen. Eine Analyse von Tätern, die mit den Spaltungen des Ichs nicht
       > klarkommen.
       
 (IMG) Bild: Gefährliche Wahnvorstellungen: wenn Männer zu Killern werden
       
       Entscheidend ist der Entschluss, zu töten. „Morden oder nicht morden“ ist
       hier nicht die Frage. Die Entscheidung ist gefallen – seitens derer, die
       bald darauf als Attentäter ins Licht der Öffentlichkeit(en) platzen.
       
       Irgendwer oder irgendwas hat aus der Welt zu verschwinden – zentraler Punkt
       jedes rechtsradikalen Forderungskatalogs. Ziel: die Elimination dessen, was
       sie „bedroht“.
       
       Bedrohung ist immer. Irgendwer/irgendwas nimmt dem „guten Rechten“ den Raum
       zum Leben. Der Hanauer – wie auch der von Halle und der von München und der
       von Utøya und der von Christchurch und der von Charleston und der von
       Philadelphia undundund – leb(t)en sämtlich in einer schwer bedrohten Welt.
       
       Alle Sorten Faschisten handeln grundsätzlich aus Notwehr. Die Welt (= der
       Sumpf, soweit diese Welt weiblich ist) will ihnen ans Leder, ans
       Geschlecht, ins Gehirn, ans Eingemachte. Sie müssen sich wehren. Ihr Tun
       ist damit immer frei von Schuld.
       
       Warum muss eliminiert werden? Ihre Welt („Volk“, „Nation“, „Rasse“,
       „Natur“, die „Geschlechterordnung“, der „Glaube“) müssen gerettet werden
       vor dem Untergang. Das geht nur mit Gewalt. An dieser haben sie Spaß.
       
       [1][Der Hanauer Tobias R. listet mehr als zwei Dutzend Länder auf, deren
       „Völker komplett vernichtet werden müssen“:] Staaten im arabischen und
       asiatischen Raum, von Marokko bis zu den Philippinen. Seine Heimat dagegen
       sei „ein Land, aus dem das Beste und Schönste entsteht und herauswächst,
       was diese Welt zu bieten hat“.
       
       Die Deutschen „hätten die Menschheit als Ganzes emporgehoben“. Allerdings
       seien nicht alle Bundesbürger „reinrassig und wertvoll“, er erwäge „eine
       Halbierung der Bevölkerungszahl“. Er würde „diese Menschen alle
       eliminieren, auch wenn es dabei um mehrere Milliarden geht“.
       
       Wann ein solcher Typ den Entschluss fasst, zu töten, ist für andere nicht
       leicht absehbar; wohl aber für die Killer selbst. Die Morde von
       Einzeltätern, die wir aus den letzten Jahrzehnten kennen – verübt von
       Männern –, sind immer über einen längeren Zeitraum vorbereitet worden.
       Waffen und Sprengstoffe sind zu beschaffen, das richtige Fahrzeug zu
       besorgen, dann Ortserkundungen, der richtige Zeitpunkt; die Vorsorge für
       die Tatverbreitung im Netz: Bekennerbriefe, Pamphlete, Videos, live
       gestreamt. Die Szene der Follower ist zu beglücken. Und die Restwelt ist zu
       belehren über die Notwendigkeit der Tat. Harte Arbeit.
       
       Woraus sich ergibt: Der allerunpassendste Begriff für solche Morde ist das
       Wort Amok. [2][Dennoch taucht es regelmäßig auf in Print- und anderen
       Medien zur Bezeichnung solcher Attentate.] Die Struktur solcher Taten und
       Täter einer „breiteren Öffentlichkeit“ begreifbar(er) zu machen, ist
       offenbar nicht ihr Ziel. Festzuhalten also: Der Killer plant.
       
       Näher heran als Amok [3][führt die Formel von den Lone Wolves.] Sie sagt,
       es handele sich um ein mensch-animalisches Wesen, das es nicht geschafft
       habe, in tragenden sozialen oder persönlichen Bindungen zu leben. Bei fast
       allen Kommentatoren der Satz: „Seinem Internetpamphlet nach lebte der
       gebürtige Hanauer stets allein und hatte nie feste Beziehungen.“ Lone Wolf
       ist auf Mord und Selbstauslöschung angelegt.
       
       Tobias R. hatte eine Ausbildung zum Bankkaufmann hinter sich, ein
       erfolgreiches BWL-Studium und mehrere Berufsjahre; von 2013 bis 2018 bei
       einem Finanzdienstleister in München. Arbeitswütig und ehrgeizig, sagen die
       Kollegen, aber ohne Kontakt. Danach für eine Softwarefirma im Taunus, die
       ihm angeblich wegen mangelhafter Leistung kündigte.
       
       Eine Frauenbeziehung während des Studiums war gescheitert. Sein
       Internetpamphlet hält fest: seit 18 Jahren keine Beziehung zu einer Frau;
       seit Alter 25 also. 2018 zurück im Elternhaus in Hanau; die Familie war in
       finanziellen Schwierigkeiten, die Mutter krank. Der Vater seit einiger Zeit
       arbeitslos. Die Schuld daran gaben beide Männer den Einflüssen ungreifbarer
       „Geheimorganisationen“ auf ihr Leben.
       
       Immer sind merkwürdige Kräfte bei all diesen Tätern mit am Werk. Geheime
       Zirkel, Verschwörungen, Geheimdienste, die die Welt steuern; mal benannt
       als jüdisch, mal als islamisch, mal als kulturmarxistisch; in jüngster Zeit
       oft als queer-feministisch: verschlingende, aussaugende Organisationen.
       
       ## Auserwählte, die die Welt retten
       
       Diese vom Rest der Welt unerkannt arbeitenden Kräfte würden seine Ideen
       stehlen und umsetzen, findet R.; etwa seine Ideen und Konzepte für die
       größten Hollywood-Blockbuster und die erfolgreichsten TV-Serien; auch
       Erfolgsstrategien des Deutschen Fußball-Bunds stammen von ihm sowie der
       Plan für den Bau einer Mauer an der US-Südgrenze.
       
       Er – der Attentäter, der alle geheimen Aktivitäten durchschaut – ist ein
       Auserwählter. Auserwählt als Kämpfer wider solche Machenschaften. Damit die
       Welt von all dem erfahre, muss er, will er schießen: In zwei Shisha-Bars in
       der Nähe seiner Wohnung erschießt er neun Menschen; fünf von ihnen mit
       deutschen Pässen, aber mit den Herkünften kurdisch, türkisch, bosnisch,
       rumänisch, bulgarisch, polnisch, darunter drei Roma.
       
       Dem Killer von Halle war wichtig, dass Juden die Opfer zu sein hätten; für
       den von Charleston mussten es „Schwarze“ sein. Für den von Christchurch
       Muslime. Für Islamisten „Ungläubige“; für die vom Bataclan Leute, die zur
       falschen Musik öffentlich feiern. Für den von Utøya junge Anhänger des
       sozialdemokratischen Kulturmarxismus (womit er zum Retter des
       abendländischen Christentums avanciert). Das Spektrum der Opfer ist breit;
       die Auswahl geschieht in der Regel über Gruppenzugehörigkeit, nicht einzeln
       individuell. Entscheidend ist jeweils der Entschluss, massenhaft zu töten.
       
       ## Lieber Sarg als Couch
       
       Seine Mutter, Hausfrau – sie kommt im Pamphlet des Sohns nicht vor – hat R.
       nach seinem Attentat erschossen und dann sich selber. Die Mutter hatte
       Parkinson, ein Pflegefall, um den sich die beiden Männer und ein
       Pflegedienst kümmerten. Sie fuhren sie aus im Rollstuhl, machten
       Besorgungen. Gut möglich, dass der Sohn sie „erlösen“ wollte, zumindest sie
       nicht belasten mit seinen neun Morden.
       
       Täter wie R. legen sich (und andere) ja lieber in einen Sarg zum Erzählen
       ihrer Storys als auf eine Couch. Sie hatte acht Jahre lang ehrenamtlich in
       einer Kita gearbeitet und dort benachteiligte Kinder in der
       Hausaufgabenhilfe unterstützt. Die Angehörigen der Opfer schließen sie
       heute in das Gedenken an ihre ermordeten Familienmitglieder ein.
       
       Der Vater zeigte sich in der Tatnacht als ein wirrer Beschützer des Sohns:
       Eine Geheimdienstorganisation habe seinen Sohn ermordet, die Leiche im
       Elternhaus abgelegt; die Morde in den Shisha-Bars habe ein als sein Sohn
       verkleideter Agent begangen. Der Name seines Sohns und seiner Familie werde
       beschmutzt.
       
       Bei Hanauer Behörden galt er als „Querulant“. Im März 2017 zum Beispiel
       eine Beschwerde seinerseits beim „Bürgerbüro“ über „Afrikaner, Polen und
       Türken“ in seinem Viertel. Er will nur mit Angestellten sprechen, die „rein
       deutsch“ sind. Unter Berufung auf die „Fachliteratur“ des Herrn Thilo
       Sarrazin beklagt er, dass „mein Land abgeschafft ist“. Der Vater verlangt
       gerichtlich die Entfernung aller Gedenktafeln, die die Opfer des Hanauer
       Attentats zeigen.
       
       ## Er ist der Arzt. Wir sind die Kranken
       
       „Genauso verrückt wie der Sohn“, sagen die Medien. Gut; auf „verrückt“ kann
       man sich einigen. Aber auf welche Sorte? [4][Eine der ersten
       Begutachterinnen, Britta Bannenberg, Professorin für Kriminologie an der
       Justus-Liebig-Universität Gießen] – befasst mit der „interdisziplinären
       Erforschung von Amoktaten und Amokdrohungen“ –, antwortete: „Als Ursache
       dieser Taten würde ich die paranoide Schizophrenie betrachten.“ Sie sagt
       noch einiges mehr, aber dies ist ihre Formel.
       
       Worin besteht die „Verrücktheit“ der Killer? PsychoanalytikerInnen wären
       sicher in der Lage, das genauer zu beschreiben, würde dieser Typ das Label
       „Patient“ akzeptieren. Das tut er aber nicht. Im Gegenteil: er ist Retter,
       er ist Heiler. Wir – die andern, die nicht sind, wie er – sind die Kranken.
       Er der Arzt.
       
       Wir – die andern – entnehmen aus dem Kompendium der weltweiten Attentate
       klar: Es handelt sich um „schwer gestörte“ oder auch „zerstörte“ Typen.
       [5][Psycho-Zugänge sind also unbedingt zu suchen. Was aber sagt „paranoide
       Schizophrenie“?] Das war mal ein Wort für die sogenannte
       „Bewusstseinsspaltung“, völlig unspezifisch und heute im diagnostischen
       Gebrauch längst ersetzt durch aufgefächert Präziseres. Es sagt im Grunde
       nicht mehr als: der Kerl ist (nach irgendwie ärztlichen Maßstäben) total
       verrückt. Leider ist dies in den meisten solcher Fälle jedoch die Formel
       der Wahl seitens psychiatrischer Experten.
       
       Nicht anders steht es um eine weitere üblich gewordene Etikettierung:
       „Narzissmus“ für solche Täter. [6][Selbst die zu Recht sehr geachtete
       forensische Psychiaterin Nahlah Saimeh benutzt beide für den Fall des
       Hanauers: die „paranoid-halluzinatorische Schizophrenie“ sowie die „schwere
       narzisstische Persönlichkeitsstörung“]: Soll heißen: Die Kerle sind
       beziehungsunfähig, emphatieunfähig, nur an sich selbst interessiert,
       selbstverliebt, angefüllt mit Größenfantasien.
       
       ## Wer schizophren sagt, will nicht nachdenken
       
       Für Menschen, die die Erdbevölkerung ein wenig kennen, liegt aber auf der
       Hand, dass diese Zuschreibungen auf Hunderte Millionen Menschen passen;
       alles „Narzissten“ also. Womit dieser Begriff nicht spezifisch sein kann
       für die paar hundert Killer, die damit analytisch beschrieben sein sollen.
       Wer „Schizophrenie“ sagt, wer „Narzissmus“ sagt, sagt schlicht: „Hab keine
       Lust, groß drüber nachzudenken.“
       
       Natürlich sind sie nicht ahnungslos. Sie sind versierte Fachleute. Sie
       hängen nur an einer überholten Vorstellung, was das „Ich“, das „Ego“, was
       das „Subjekt“ sei; für sie etwas „Einheitliches“ unter Bezeichnungen wie
       „Charakter“, „Persönlichkeit“, „Individuum“.
       
       Mensch ist heute aber ein in vieler Hinsicht mehrfach gespaltenes Gebilde
       und lebt in einer Körperlichkeit, die sich unter einem dieser Begriffe
       vernünftig nicht fassen lässt. Ich nenne das heute vorkommende ein
       „Segment-Ich“, das aus vielerlei Spaltungen sich zusammensetzt, mit denen
       es alltäglich umgeht, ohne dass eine Zuschreibung wie „Schizophrenie“,
       „Paranoia“ oder „Narzisst“ irgendeinen Sinn dafür machen würde. Die
       Spaltungen sind Alltag. Das „Individuum“ ist ein Split-Ego, jeden Tag, und
       konkret beschreibbar.
       
       Die Verrücktheit der Killer besteht (unter anderem) darin, dass sie genau
       damit nicht klarkommen. Sie fordern die Wiederherstellung der nicht mehr
       haltbaren Einheitlichkeit des Subjekts unter Einheitlichkeitstermini wie
       Nation, Rasse, Natur, Geschlecht. Den tatsächlichen Untergang von deren
       Relevanz durchleben sie im eigenen Körper, können ihn aber nicht
       verarbeiten. Sie werden davon zerrissen und leben in Panik. Hilfe
       verspricht allein Gewalt. Zerstörung jener, die in den neuen
       Uneinheitlichkeiten und Abspaltungen leben können; und das auch noch
       feiern.
       
       ## Die Halluzinationen der Täter
       
       Eine fundiertere Sorte psychoanalytischen Zugangs kann ich hier nur kurz
       anreißen. Es geht um unerträgliche Körperzustände. [7][Bei den
       Untersuchungen eines bestimmten soldatischen Killertyps, der den hier
       aufgeführten Killern gleicht, habe ich als einen der gemeinsamen Hauptzüge
       festgestellt:] Sie leben und handeln in einer weitgehend halluzinativ
       wahrgenommenen Welt.
       
       Begriffe wie den des „Fragmentkörpers“ oder die Termini „Entlebendigung“
       und „Entdifferenzierung“ zur Bezeichnung zerstörerischer Akte bestimmter
       junger „schwer gestörter“ Männer habe ich dabei aus der Kinder- und
       Jugendlichen-Psychoanalyse, wie Margret Mahler, Melanie Klein, die
       Ethnologin Mary Douglas, oder D. W. Winnicott sie begründet haben,
       übernommen und weiterentwickelt.
       
       Die bestimmenden Körperzustände all derer, die sich in ihren Taten und
       begleitenden Pamphleten als „mörderische Verrückte“ zeigen, sind massive
       Ängste; körperzerreißende Ängste. Ihre Bedrohungen – jedenfalls die
       zerreißendsten – kommen aus ihrem Inneren.
       
       Grundlagen der Entwicklung eines „Fragmentkörpers“: Ohne Zuwendung im
       frühen Kindesalter – und auch später – wächst kein Körper heran, der in
       irgendeiner Weise beziehungsfähig ist. Grobe oder anders negative
       Behandlung minimiert die Entwicklung seiner Beziehungsfähigkeit, seiner
       Liebespotenz, seiner Zuneigungsenergie.
       
       ## Körperpanzer, Bedrohungsgefühle, Halluzinationen
       
       Der Mensch, der sich negativ behandelt fühlt, zieht seine Lebensenergien –
       psychoanalytisch: seine Libido – in seinen Körper zurück. Der betroffene
       Körper besetzt seine Außengrenzen nicht lustvoll; er entwickelt sie nicht
       als Verbindungsorgane zur Außenwelt, sondern benutzt sie zur Absetzung vom
       Außen; bildet sie aus als Grenzziehungsgebilde; bildet einen Panzer aus
       nach außen, aber auch gegen eigene unintegrierte Gefühle.
       
       Gefühle werden unintegrierbar durch häufige oder dauernde negative
       Behandlung: etwa durch Prügel, die in Angst vor Körperzerstörung münden bis
       hin zur Todesangst. Aber auch schon die Abwehr des heranwachsenden Babys
       durch den Mutterkörper kann kleine heranwachsende Körper, die das physisch
       und psychisch mitbekommen, belasten und überfordern. Ihre Körper füllen
       sich nicht mit Lüsten, sondern mit Ängsten, mit einem verfolgenden
       unstrukturierten Bedrohungspotenzial.
       
       Unter emotionalem Druck kommt ihr inneres Diffuses hoch und sie können es
       nicht kontrollieren. Sie haben eine vermischte Wahrnehmung aus ihren
       inneren Ängsten und dem, was von außen auf sie zukommt: „halluzinativ“.
       Haltbare, belastbare Beziehungen zu anderen lassen sich schwer daraus
       entwickeln. So ordnen sie die Welt zwanghaft hierarchisch.
       Gleichheitsforderungen (Spezialität „der Frauen“) bedrohen sie körperlich.
       
       ## Die Ängste der Rechten
       
       Angst ist – egal durch wen oder was ausgelöst – ein körperauflösendes
       Gefühl. Die gängigen Ausdrücke dafür sind: die Angst, verschlungen zu
       werden; den Boden unter den Füßen zu verlieren; Schwindelgefühlen
       ausgesetzt zu sein. Das undeutlich Schwummrige fast aller Äußerungen der
       politischen „Rechten“ stammt aus solchen Wahrnehmungen.
       
       Sie suchen ihrem „Nebel“ zu entkommen, indem sie für alles, was sie als
       bedrohlich empfinden, äußere Ursachen einsetzen. Die Fremden, die Farbigen;
       das Verschlingende des weiblichen Körpers. Margaret Mead hat beschrieben,
       wie Menschen mit eigenen unsicheren Körpergrenzen zwanghaft die
       Landesgrenzen mit den eigenen Körpergrenzen gleichsetzen.
       
       Natürlich ist dann ein „rechter“ Körper in Meck-Pomm oder Hessen bedroht,
       wenn ein Iraner illegal die bayerische Landesgrenze überschreitet. Er tritt
       direkt in den Mecklenburger oder den Hessen ein. Das geht nicht. Das
       empfinden dann viele ähnlich labil Gelagerte genauso. Ein wirklicher
       Rechtsextremist wird aber erst in dem Moment daraus, wo der Entschluss da
       ist, zu töten.
       
       Bedrohungen von außen können bekämpft werden. Bedrohungen von innen nur
       bearbeitet. Bekämpfen geht alleine. Bearbeiten geht nur mit Hilfe anderer,
       in Beziehungen oder Therapien. Das „Innere“ zu erschießen ist nicht
       möglich. Der entscheidende Schritt „ins Unglück“ ist geschehen im Moment,
       wo Menschen alles, was sie stört im Leben, außerhalb des eigenen Selbst
       verorten.
       
       „Es gehört zu den schwierigsten Aufgaben der Menschen, all das anzunehmen,
       was man von seiner inneren Realität wahrnimmt“, sagt Winnicott; und
       beschreibt den bei Kindern beobachteten Vorgang, „aggressive Impulse in
       Andere zu verlegen. Das kann der Beginn einer ungesunden Entwicklung sein,
       denn irgendwann gibt es vielleicht keine Möglichkeit mehr, das
       Verfolgungsgefühl in der äußeren Welt festzumachen, und dann müssen
       Wahnvorstellungen an seine Stelle treten“ (in Aggression, Stuttgart 1988,
       S. 118, 125).
       
       Ab da gilt: Je stärker die inneren Ängste, desto bedrohlicher die
       Außenwelt: nur Feinde. Wenn solche „Wahrnehmung“ bestimmend wird für das
       Leben des Erwachsenen, wie bei R. gut zu sehen, kann oder muss womöglich
       geschossen werden.
       
       „Strafbarkeit“? Zu kapieren wäre: Solche Attentäter sind krank und im
       juristischen Sinne zurechnungsfähige Verbrecher. Und dass darin kein
       Widerspruch liegt. Kann es denn zum Beispiel Rassisten geben, die
       nichtpsychotisch wären? Krank, krank, superkrank; und juristisch
       verurteilbar; dafür braucht man kein forensisches Gutachten.
       
       Es ist doch gerade der Clou der politischen Faschisten par excellence,
       Verhaltensformen im Wirklichen entwickelt zu haben, die sie nicht als
       Patienten in die Psychiatrien führen, sondern, im Kampf um die Macht, auf
       Regierungsstühle; und/oder zum freudigen Bedienen von Mordwaffen. Unter uns
       leben sie als irgendwie Normalos. Vielleicht können wir sie erkennen.
       Können wir ihnen helfen? Können wir uns helfen?
       
       „Den Sicherheitsbehörden war R. bis zum Mittwochabend nicht aufgefallen“,
       zitiert eine Zeitung. Ein Satz zum Drübernachdenken für die nächsten Jahre.
       
       14 Feb 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Anschlag-in-Hanau/!5665253
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 (DIR) [3] https://www.bpb.de/politik/extremismus/rechtsextremismus/304169/der-einzeltaeter-im-terrorismus
 (DIR) [4] https://www.zeit.de/wissen/2020-02/hanau-anschlaege-paranoide-schizophrenie-rechtsextrem-psychisch-krank-tobias-r-taeter
 (DIR) [5] /Klaus-Theweleit-ueber-mordende-Maenner/!5322493
 (DIR) [6] /Forensische-Psychiaterin-zum-Anschlag/!5665361
 (DIR) [7] https://www.matthes-seitz-berlin.de/buch/maennerphantasien.html
       
       ## AUTOREN
       
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