# taz.de -- Hamburger Stiftung erinnert an Max Emden: Magnat, Mäzen, Enteigneter
       
       > Eine Biografie wie ein bitterer Krimi: Ulrich Brömmlings neues Buch über
       > den Kaufhauserfinder und Kunstmäzen Max Emden (1874–1940).
       
 (IMG) Bild: Ästhet, zuweilen grob wetternd: Max Emden um 1928
       
       Hamburg taz | Im Juli dieses Jahres erzielte das Londoner Auktionshaus
       „Sotheby’s“ sechs Millionen Euro für ein um 1760 entstandenes Gemälde des
       in Venedig ausgebildeten Vedutenmalers Canaletto: [1][„Ansicht des
       Zwingergrabens in Dresden“]; eine frühere, größere Fassung gehört zur
       Dresdner Gemäldegalerie Alter Meister. Diese Nachricht wäre trotz des
       beachtlichen Erlöses wenig spektakulär, umwehte das Bild nicht der
       Hautgout, zur Privatsammlung Adolf Hitlers gehört zu haben. Aber wie
       gelangte es dorthin? Wo befand es sich seit 1945? Und vor allem: Wer war
       der vorherige, rechtmäßige Besitzer?
       
       Licht nicht nur in dieses Dunkel bringt nun die 1907 gegründete
       [2][Hamburgische Wissenschaftliche Stiftung] mit dem ersten Band ihrer
       neuen Reihe „Mäzene für Wissenschaft“. Autor Ulrich Brömmling,
       spezialisiert auf Familien- und Firmengeschichten, widmete sich dem
       Gründungsmitglied der Stiftung, dem Hamburger Kaufmann Max Emden, Erfinder
       von Luxuskaufhäusern wie dem [3][„Oberpollinger“ in München],
       Lebenskünstler, Kunstsammler und großzügiger Förderer – nicht nur der
       Universität Hamburg.
       
       1874 in eine hamburgische, vor Generationen aus dem namensgebenden
       ostfriesischen Emden zugezogene jüdische Kaufmannsfamilie geboren, wurde er
       1904, nach einer Lehre im Familienunternehmen und naturwissenschaftlichen
       Studien, Teilhaber der Firma M. J. Emden Söhne. Als En-gros-Lager,
       ursprünglich für Kurzwaren, betrieb sie eigene Verkaufsfilialen, früh auch
       in den Landen des 1834 gegründeten Deutschen Zollvereins, und war zudem
       Lieferant, Ausstatter wie Versicherer für etwa 200 eigenständige
       „Detailgeschäfte“. Dieses Geschäftsmodell, eine frühe Form des
       „Franchising“, verfeinerte und erweiterte Max Emden, unter anderem, indem
       er nun eigene Warenhäuser gründete.
       
       Am Beginn stand etwa der erwähnte Oberpollinger nahe dem Stachus in
       München: Zur Eröffnung 1905 überschlug sich die Lokalpresse, attestierte
       der „hanseatischen Kaufmannsfamilie“, „den Atem der großen weiten Welt“
       durch den mondänen Bau wehen zu lassen, den der Theaterarchitekt Max
       Littmann mit glasüberdachtem Lichthof und vier Personenaufzügen
       ausgestattet hatte. 1907 folgte das „[4][Kaufhaus des Westens“, kurz
       KaDeWe], im ökonomisch wie kulturell aufstrebenden neuen Westen Berlins.
       War die Firma M. J. Emden Söhne 1905 bereits an 16 Standorten in Hamburg
       sowie in allen größeren deutschen Städten präsent, kamen bis zum Ende der
       1920er-Jahre noch das „Allas“ in Stockholm, das „Corvin“ in Budapest,
       Niederlassungen in New York, Südamerika und Asien hinzu.
       
       ## Vom Geschäft zum Sport
       
       Dieses weltumspannende Firmenimperium, wie man heute zu sagen pflegt,
       sicherte Max Emden ein standesgemäßes Leben und ermöglichte sein
       vielfältiges mäzenatisches Engagement. Er erwarb den [5][Poloclub in Klein
       Flottbek] – ein Sport, den er selber begeistert betrieb –, erbaute 1906 in
       direkter Nachbarschaft seine Villa Sechslinden (das heutige
       Jenisch-Gymnasium) mit einer leider verloren gegangenen, großen Parkanlage
       des Gartenreformers Leberecht Migge. Angrenzende Terrains sicherte er für
       das Springderby, er wirkte zudem im Golfclub Falkenstein, nicht nur als
       Gönner, sondern, diskret in der zweiten Reihe, als Schriftführer.
       
       Umtriebig agierte er als Kunstsammler, er kaufte und verkaufte: Liebermann,
       Spitzweg, van Gogh, Feuerbach und drei Veduten von Bernardo Bellotto,
       genannt Canaletto. Er unterstütze Ankäufe der Hamburger Kunsthalle, wurde
       1922 in die Verwaltungskommission des Hauses berufen. Allein diese Facette
       seines Lebens böte Stoff für ein eigenes Buch, so Brömmling. Bis heute
       lässt sich sein privater Kunstbesitz nicht rekonstruieren, ein Umstand, der
       die Provenienzforschung und Restitution erschwert.
       
       Als Ästhet durch und durch teilte Max Emden aber auch öffentlich aus,
       kritisierte bereits 1909 in seiner Schrift „Hamburger Baukunst“ seine
       Heimatstadt, „heute in baulicher Beziehung der trostloseste, hässlichste
       Steinhaufen“, benannte namentlich die Urheber dieser Malaise. 1919 wagte er
       sich an eine krude Schelte der internationalen Arbeitswelt, machte die
       Industrialisierung für Verluste in Kultur, Wissenschaft und dem Glück der
       Menschheit verantwortlich. Er selbst freilich genoss ein luxuriöses Leben
       in vollen Zügen – zumindest im oberflächlichen Augenschein seiner
       zahlreichen Kritiker.
       
       1926 verkaufte Emden die meisten seiner Warenhäuser an die Karstadt AG,
       erwarb 1927 die zwei Brissago-Inseln auf der Schweizer Seite des Lago
       Maggiore, Kanton Tessin. 1928 packte er dann die Koffer, entfloh
       Engstirnigkeit und Hässlichkeit der Großstadt – für immer. Emdens
       herrschaftliches Insel-Refugium mit kleinem Hafen plante der Berliner
       Architekt Alfred Breslauer, der Hausherr legte wohl selber Hand an bei der
       Kultivierung eines botanischen Gartens. Gerüchte rankten sich fortan um
       [6][lockeres Treiben auf der Insel] mit vielen prominenten Gäste aus dem
       Ausland. Der nicht makellose Ruf des geschiedenen Emden mit seiner 36 Jahre
       jüngeren Gefährtin stand 1934 (aktenkundig denunziert) dem Erwerb der
       schweizerischen Staatsbürgerschaft nicht im Wege.
       
       Dieser Status konnte nicht verhindern, dass Max Emden als ethnischer Jude
       den Zugriffen des NS-Regimes ausgeliefert war, obwohl bereits als Schüler
       zum protestantischen Christentum konvertiert. Seine deutschen
       Vermögenswerte und verbliebenen Geschäftsanteile [7][wurden „arisiert“, er
       musste unter Wert verkaufen]. Trennen musste er sich auch von Teilen seiner
       in die Schweiz geretteten Kunstsammlung, so etwa den drei
       Canaletto-Veduten. Sie kamen 1938 in London unter den Hammer. Ein
       Gewährsmann der Kommission zur Verwertung „Entarteter Kunst“ sicherte sie
       gegen einen Schnäppchenpreis für Hitlers geplantes „Führermuseum“ in Linz.
       
       ## Späte Gerechtigkeit
       
       Nach 1945 fielen sie dann, wie anderer NS-Besitz, der Bundesrepublik zu.
       Jahrelang hing der „Zwingergraben“ im Bonner Amtssitz des
       Bundespräsidenten, erst Horst Köhler ließ ihn 2005 abhängen, als seine
       Provenienz ruchbar wurde. Aber es dauerte noch weitere 14 Jahre, bis sich
       das Bundesamt zur Regelung offener Vermögensangelegenheiten dem Votum der
       Limbach-Kommission anschloss, ihn als NS-verfolgungsbedingt entzogenes
       Kulturgut zu restituieren. Die Erben Emdens erhielten noch den zweiten
       Canaletto, der dritte war bereits fälschlich in die Niederlande gelangt.
       
       Max Emden starb 1940 im 66. Lebensjahr, gesundheitlich wie materiell
       erschöpft. Wie ein bitterer historischer Kriminalroman liest sich das Buch
       von Ulrich Brömmling, selbst wenn die Gliederung nach assoziativ
       titelgebenden Bildern der ehemaligen Sammlung Emden einen originellen, aber
       recht sprunghaften Zugriff aufs Thema bietet. „Auch Leben ist eine Kunst“
       zierte als Schriftzug sowohl die Hafeneinfahrt als auch den Kaminsims der
       Brissago-Villa. Man ist geneigt, hinter dem schönen Schein eine gehörige
       Portion zweifelnden Zynismus zu wittern.
       
       6 Oct 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://de.wikipedia.org/wiki/Der_Zwingergraben_in_Dresden#/media/Datei:Bernardo_Bellotto_-_Dresden,_A_view_of_the_moat_of_the_Zwinger,_Sotheby's_auction_July_2020.jpg
 (DIR) [2] https://h-w-s.org/
 (DIR) [3] https://www.oberpollinger.de/der-oberpollinger-die-geschichte/
 (DIR) [4] https://www.bz-berlin.de/berlin/charlottenburg-wilmersdorf/kadewe-dekoriert-taz-kolumnistin-raus
 (DIR) [5] /Pferdesport/!5157010
 (DIR) [6] /!1146640/
 (DIR) [7] /Urenkelin-ueber-Enteignung-durch-Nazis/!5475900
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bettina Maria Brosowsky
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Hamburg
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       wetterten gegen den "jüdisch-orientalischen" Basar. Die Postmoderne
       schaufelte ihnen das Grab.