# taz.de -- Holocaustleugnung auf Facebook: Abschleifen schlimmster Auswüchse
       
       > Dass Facebook nun Inhalte von Holocaustleugner:innen verbieten möchte,
       > kommt überraschend. Bisher zeigte der Konzern liberale Gleichgültigkeit.
       
 (IMG) Bild: Vor dem Eingang der Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau
       
       Facebook erklärte am Montag, [1][Holocaustleugnung als Hatespeech
       einordnen] und deren Verbreitung auf der Plattform unterbinden zu wollen.
       Der Anlass für die plötzliche Kehrtwende einer lang verteidigten Position
       liberaler Gleichgültigkeit ist unklar. Schließlich hat Facebook in der
       Vergangenheit große Mühe aufgewendet, in Streitfällen nicht als eine Art
       politischer Schiedsrichter auftreten zu müssen.
       
       Jahrelang weigerte sich Facebook sogar, den Antisemitismus, der mit der
       Leugnung oder Verharmlosung der Schoa verbunden ist, überhaupt zur Kenntnis
       zu nehmen. In einem [2][Interview erklärte der Facebookgründer Mark
       Zuckerberg allen Ernstes], dass Holocaustleugner die historische Tatsache
       nicht unbedingt „absichtlich“ verfälschen würden. Deshalb stünde Facebook
       die Moderation nicht zu. Schließlich würde auch er, Zuckerberg, selber mal
       „Sachen falsch darstellen“. Das wäre dann ja ebenfalls keine Hassrede, die,
       zumindest theoretisch, unter die Moderationsregeln des Netzwerks fiele.
       
       Diese bizarre Banalisierung der offen antisemitischen Aggressivität der
       Leugnung historischer Realität erfordert schon eine erhebliche Ignoranz.
       Und vielleicht einen Blick auf die Zahlen der Plattform. Antisemitismus
       oder generell gruppenbezogener Menschenhass sind keine originären Kinder
       der sozialen Medien. Das [3][Problem mit Facebook ist jedoch ein größeres]
       als nur ein laxer Umgang mit der Aufstachelung zum Hass. Wiederholt wurde
       nachgewiesen, dass Facebook bestimmte Äußerungen nicht einfach nur zulässt.
       
       Die Verbreitung zum Beispiel der Holocaustleugnung wird durch die
       algorithmische Sortierung besonders gefördert. Je zugespitzter die
       Position, umso intensiver die Reaktionen, umso höher die maschinelle
       Bewertung und daraus folgend die Reichweite sind. Das digitale Ideal der
       vorurteilsfreien Verbindung zwischen Menschen kehrt sich somit ins
       Gegenteil. Und das Gerücht, die üble Nachrede, der Hass reisen wie zu
       analogen Zeiten noch immer deutlich schneller.
       
       ## Facebook kann kein Schiedsrichter sein
       
       Das wird sich mit dem Facebook-Verbot für Holocaustleugnung nicht ändern.
       Der Versuch, die lauter werdende Kritik an der Rolle der Plattform bei der
       Verbreitung von Desinformation und Hass mit dem Abschleifen ihrer
       schlimmsten Auswüchse zu begegnen, mag punktuell begrüßenswerte Ergebnisse
       zeitigen. Das Problem aber bleibt bestehen. Denn in einem hat Zuckerberg
       schon immer recht gehabt: Facebook kann und soll tatsächlich nicht
       Schiedsrichter über die Wahrheit sein.
       
       Jedoch muss klar werden, welchen Anteil soziale Netzwerke durch ihre
       Funktionsweise an der Konstruktion der Realität haben. Immerhin begründet
       das Netzwerk den aktuellen Schritt mit Erkenntnissen über die möglichen
       Auswirkungen von Holocaustleugnungen auf die Einstellungen von Menschen
       gegenüber geschichtlichen Tatsachen und für einen wachsenden
       Antisemitismus.
       
       Nur sind diese Erkenntnisse überhaupt nicht neu und keineswegs auf
       Antisemitismus beschränkt. Entsprechend ambivalent sieht Yael Eisenstat,
       bis 2018 Verantwortliche bei Facebook für die Integrität des Netzwerks in
       Wahlkämpfen und bei politischen Werbekampagnen, die Selbstregulierung des
       Netzwerks. [4][Gegenüber Time erklärte sie]: „Der Fakt, dass Zuckerberg
       nach Jahren [...] endlich akzeptiert hat, dass Holocaustleugnung eine offen
       antisemitische Taktik ist, ist natürlich ein gute Sache.“ Wenn diese
       Entscheidung jedoch nicht mit einer kompletten Überarbeitung des
       Geschäftsmodells der Plattform begleitet werde, sei sie weitestgehend
       wertlos.
       
       Insofern ist es beinahe gleichgültig, was der konkrete Anlass des Verbots
       war, etwa kontinuierliches Lobbying oder die Versuche legislativer
       Eingriffe durch die EU-Staaten und den US-Kongress. Denn der Kampf um ein
       Netz, das seine Kraft nicht aus Hass speist, sondern wirklich verbindendes
       und schöpferisches Werkzeug ist, hat noch nicht einmal richtig begonnen.
       
       Und es ist gewiss keine zu gewagte Prognose, dass Facebook in diesem Kampf
       auch nach der angekündigten Sperrung von Holocaustleugnungen kein
       verlässlicher Verbündeter sein wird.
       
       13 Oct 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://about.fb.com/de/news/2020/10/weltweite-entfernung-von-inhalten-die-den-holocaust-leugnen/
 (DIR) [2] https://www.vox.com/2018/7/18/17575158/mark-zuckerberg-facebook-interview-full-transcript-kara-swisher
 (DIR) [3] https://www.researchgate.net/publication/299506564_Facebook_and_Holocaust_Denial
 (DIR) [4] https://time.com/5899201/facebook-holocaust-denial/?amp=true
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniél Kretschmar
       
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