# taz.de -- Polizist erschießt psychisch Kranken: Eskalation mit Todesfolge
       
       > In Bremen-Gröpelingen wird ein Mann bei einem Polizeieinsatz erschossen.
       > Parteien fordern Aufklärung, die Gewerkschaft der Polizei ruft nach
       > Tasern.
       
 (IMG) Bild: Mittlerweile abgesperrt: Ein Polizist am Ort des Geschehens in Bremen-Gröpelingen
       
       taz | Bremen| Ein 54-jähriger Mann ist am Donnerstag in Bremen-Gröpelingen
       [1][von einem Polizisten in den Oberkörper geschossen und tödlich verletzt]
       worden. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf
       Totschlag gegen zwei Beamt*innen. Einer der Polizisten hatte zunächst
       Pfefferspray gegen den mit einem Messer bewaffneten Mann benutzt. Daraufhin
       lief dieser auf ihn zu. Zwei Schüsse der Polizist*innen trafen ihn
       daraufhin laut Staatsanwaltschaft in den Oberkörper; wenig später starb der
       Mann im Krankenhaus.
       
       Der Einsatz fand laut Polizei gegen kurz nach 14 Uhr vermutlich aufgrund
       einer „psychosozialen Krise“ im Breitenbachhof in Gröpelingen statt. Die
       Staatsanwaltschaft wurde am Freitag konkreter: Der Marokkaner hatte demnach
       wenige Tage zuvor eine fristlose Kündigung für seine Wohnung erhalten;
       diese soll er zuvor mit Wasser mehrfach beschädigt haben.
       
       Der Vorfall begann demnach harmlos: Nach bisherigem Wissensstand habe die
       Vermieterin für die Besichtigung der Schäden am Donnerstag zwei
       Polizist*innen als Unterstützung hinzugerufen; der Termin in der Wohnung
       selbst soll dann reibungslos verlaufen sein.
       
       Zur Eskalation kam es erst danach: Laut Staatsanwaltschaft soll der Mann im
       Anschluss an die Wohnungsbesichtigung vom sozialpsychiatrischen Dienst
       untersucht und dafür auf die Wache gebracht werden. Als er sich weigert,
       rufen die zwei Polizist*innen zwei Kolleg*innen in zivil dazu. Ein Video,
       das in den sozialen Netzwerken geteilt wird, zeigt, wie die Situation
       danach eskaliert.
       
       ## Polizist*innen reden zeitgleich auf den Mann ein
       
       Der 54-Jährige steht [2][in dem Video] mit gezücktem Messer auf einem
       Parkplatz, vier Polizist*innen umringen ihn mit Abstand von geschätzt fünf
       Metern. Die Stimmen der Polizist*innen klingen laut und aufgeregt, sie
       sprechen durcheinander. Der Marokkaner spricht mit den Beamt*innen; was er
       sagt, ist in seinem gebrochenen Deutsch schwer verständlich. „Das bringt
       nix“, sagt er. Seine Haltung wirkt einigermaßen entspannt, er zieht sein
       Hemd zurecht, krempelt seine Ärmel hoch, wechselt das Messer in die linke
       Hand.
       
       Ein paar Schritte macht er auf die Polizist*innen zu, die weichen zurück;
       seine linke Hand hält dabei weiter das Messer, sie ist nach unten
       gerichtet. Die rechte, leere Hand, streckt er aus. Die Beamt*innen reden
       weiter gleichzeitig auf ihn ein. „Wenn du das Messer weglegst, legen wir
       die Waffen auch ab“, so ein Polizist. „Das Messer! Das Messer!“ ruft
       währenddessen eine Beamtin – und fordert einen dritten Kollegen zum Einsatz
       von Pfefferspray auf. Die Situation wirkt stressig.
       
       Die Polizist*innen verteilen sich neu, der 54-Jährige hüpft ein wenig
       herum, in etwa wie ein Boxer; der Abstand zu den Polizist*innen beträgt
       erneut etwa fünf Meter. Erst als von rechts ein Polizist das Pfefferspray
       zückt, sprintet der Mann plötzlich in Richtung des Beamten los. Der weicht
       zurück; vermutlich, so der Sprecher der Staatsanwaltschaft, ist er es, der
       im Anschluss zweimal schießt und den Marokkaner zweimal in den Oberkörper
       trifft.
       
       Die Pressearbeit der Polizei beschränkt sich für den Vorfall fast
       ausschließlich [3][auf Twitter]. „Sehr betroffen“ zeigte sich
       Polizeivizepräsident Dirk Fasse [4][zeigt sich dort Polizeivizepräsident
       Dirk Fasse]: „Meine Gedanken sind bei den Angehörigen und bei den
       Kolleginnen und Kollegen, die dieser belastenden Einsatzsituation
       ausgesetzt waren.“
       
       Gerade auf Twitter sorgen der Vorfall und das Video auch für große
       Diskussionen. Die Reaktionen reichen von „Ihr Mörder“ über „das war
       Notwehr“ bis hin zu rassistischen Beleidigungen gegen das Opfer. Viele
       äußern ihr Mitgefühl vor allem gegenüber dem Polizisten, der die tödlichen
       Schüsse abgegeben hat; andere stellen die Frage, ob auch ein Schuss auf die
       Beine möglich gewesen wäre. Und viel diskutiert wird darüber, ob
       struktureller Rassismus ursächlich für die Eskalation sei.
       
       Auch zwischen den Regierungskoalitionen wird ein Streit über Twitter
       ausgetragen: Sofia Leonidakis, sozialpolitische Sprecherin der
       Linksfraktion, [5][äußerte sich dort am Donnerstag] „entsetzt und
       fassungslos angesichts der tödlichen Polizeischüsse in Gröpelingen“. Kevin
       Lenkeit, innenpolitischer Sprecher des Koalitionspartners SPD,
       [6][antwortete mit einem Tweet:] „Es ist traurig, wie du hier auf dem
       Rücken eines Polizisten und eines Getöteten Stimmung machst. Ich schäme
       mich für deine unqualifizierten Kommentare. Willkommen in
       Regierungsverantwortung!“
       
       ## Gewerkschaft der Polizei fordert Taser
       
       Die Gewerkschaft der Polizei hat den Vorfall derweil zum Anlass genommen,
       um ihre Forderung nach Tasern zu wiederholen: Wenn man den Vorfall richtig
       auswerte, um das eigene Vorgehen weiter zu professionalisieren, solle man
       sich auch Gedanken machen, „inwieweit das Geschehene mit einem
       Distanzelektroimpulsgerät einen anderen Verlauf hätte nehmen können“,
       [7][heißt es in einer Mitteilung]. Momentan gibt es zu den Elektroschockern
       einen [8][Modellversuch in Bremerhaven.]
       
       Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) will [9][diese Diskussion] erst nach
       Abschluss der Ermittlungen führen. Das sieht auch Lenkeit so, weist aber
       doch darauf hin, dass er sich mehrfach für eine flächendeckende Ausstattung
       der Polizeien mit Tasern ausgesprochen habe. Ein Konflikt innerhalb der
       Regierungskoalition in dieser Frage deutet sich an. Die Linke betont durch
       ihren Sprecher Tim Ruland: „Auch Taser sind Waffen, die in der Benutzung zu
       Verletzungen und im schlimmsten Fall zum Tod führen können.“ Zudem bestehe
       die Gefahr, „dass bei einer Ausrüstung mit Tasern die Hemmschwelle zur
       Nutzung sinkt.“
       
       19 Jun 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Schwerpunkt-Polizeigewalt-und-Rassismus/!t5008089
 (DIR) [2] https://www.youtube.com/watch?v=fGnc_T8MCdc
 (DIR) [3] https://twitter.com/BremenPolizei/status/1273657100380635138
 (DIR) [4] https://twitter.com/BremenPolizei/status/1273660252429463553/photo/1
 (DIR) [5] https://twitter.com/SofiaLeonidakis/status/1273705167880413185
 (DIR) [6] https://twitter.com/k_lenkeit/status/1273734708623486976
 (DIR) [7] https://www.gdp.de/gdp/gdphb.nsf/id/DE_Einsatz_Groepelingen?open&ccm=000
 (DIR) [8] https://www.butenunbinnen.de/nachrichten/politik/polizei-bremerhaven-taser-bilanz-100.html
 (DIR) [9] /Elektroschocker-fuer-Streifenpolizisten/!5517976
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Lotta Drügemöller
       
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