# taz.de -- Aktivistin über abgesagte Demo: „Wir diskutieren neue Formate“
       
       > Das Bündnis gegen das Polizeigesetz in Schleswig-Holstein hatte für
       > Samstag zur Demo aufgerufen. Die fällt aus, aber die Kritik bleibt.
       
 (IMG) Bild: Demo in Corona-Zeiten: Mitglieder der „TurboKlimaKampfGruppe“ am 25. März in Kiel
       
       taz: Frau Poddig, Sie setzten sich als Sprecherin eines Bündnisses gegen
       das geplante Polizeigesetz in Schleswig-Holstein ein – zurzeit im
       Homeoffice? 
       
       Hanna Poddig: Ja, sozusagen im Homeoffice. Ich lebe in einem Wohnprojekt,
       bin zum Glück also nicht ganz allein. Aber die Treffen der Gruppe halten
       wir per Telefonkonferenz ab.
       
       Was sind Ihre Hauptkritikpunkte am Polizeigesetz? 
       
       Der Datenschutz wird eingeschränkt, die Polizei kann Aufenthaltsgebote und
       -verbote erlassen, die elektronische Fußfessel soll präventiv eingesetzt
       werden und das Waffenarsenal vergrößert sich.
       
       Wo ist das Problem? 
       
       Beim Taser, den die Polizei künftig benutzten will, handelt es sich um eine
       potenziell tödliche Waffe, die ich für weit gefährlicher halte, als es in
       der Polizeipropaganda dargestellt wird. Angeblich soll der Taser
       deeskalierend wirken. Aber aus meiner Erfahrung mit Polizeieinsätzen denke
       ich, er wird wohl als Alternative zum Schlagstock eingesetzt werden. Das
       dürfte die Hemmschwelle senken und wird wahrscheinlich zu mehr Gewalt
       führen.
       
       Sie haben die Überwachung per elektronischer Fußfessel genannt. Ist das
       nicht harmlos gegen die Bewegungsprofile per App, die sich viele aufs
       Smartphone laden, um Infektionsketten zu erkennen? 
       
       Keine Frage. Aber das Telefon kann ich zu Hause lassen, auch wenn mich das
       von einigen Kommunikationsmöglichkeiten abschneidet. Die Fußfessel
       abzulegen, ist unter Strafandrohung verboten. Um es klar zu machen, es geht
       nicht um Auflagen nach einer Tat, sondern um den präventiven Bereich. Wenn
       die Polizei findet, jemand könnte etwas machen, kann die Fessel verhängt
       werden. Das ist beängstigend. Und es ist auch erschreckend, wie viele Leute
       offenbar kein Problem mit Überwachung haben. Andererseits wächst auch die
       Zahl derer, die bei ihren Telefonanbietern aktiv einer Weitergabe von
       Trackingdaten widersprechen.
       
       Die Grünen in Schleswig-Holstein verteidigen das Gesetz: Es sei milder als
       in anderen Bundesländern. Was sagen Sie dazu? 
       
       Ich halte die Haltung der Grünen für verlogen. Viele der Maßnahmen
       unterscheiden sich kaum von anderen Ländern, tödliche Schüsse auf Kinder
       sind sicher nicht milde. Die Grünen schreiben sich auf die Fahnen, sie
       hätten den Staatstrojaner verhindert. Mag sein, dass sie sich in der
       Koalition durchgesetzt haben. Aber das Verbot ist nicht auf ewig
       festgeschrieben, und ich finde es sehr schräg, sich als liberal zu
       definieren, wenn man gleichzeitig Fußfesseln und Taser genehmigt.
       
       Ihr Protest verläuft im Moment gebremst: Ein Aktionswochenende am 15. März
       fand noch statt, aber die für Samstag geplante Demo gegen das Polizeigesetz
       ist gestrichen worden. Welchen Ersatz gibt es? 
       
       Schon das Aktionswochenende fand verändert statt, es waren nur kleine
       Gruppen unterwegs, was wir zu dem Zeitpunkt vertretbar fanden. Aktuell gibt
       es Aktionen von Einzelpersonen. Aber wir diskutieren neue Formate. Denkbar
       wäre, einzelne Abgeordnete mit Fragen zu konfrontieren. Aber ohne zynisch
       klingen zu wollen: Vielleicht hilft uns die aktuelle Situation dahingehend,
       dass Menschen begreifen, wie sich eine Einschränkung der Bewegungsfreiheit
       und mehr Überwachung anfühlen.
       
       Auch der Politikbetrieb ruht zurzeit weitgehend. Herrscht damit Gleichstand
       oder passiert etwas, das sich nach der Krise nicht mehr zurückdrehen lässt? 
       
       Bereits beschlossene Projekte wie etwa Datteln 4...
       
       ... das Kohlekraftwerk, das im Sommer in Betrieb gehen soll. 
       
       ... laufen ja weiter. Und wir haben nicht die Möglichkeit, dagegen auf die
       Straße zu gehen. Dazu kommen Gesetzesänderungen, die in der Öffentlichkeit
       kaum für Aufregung sorgen, die aber gravierend für Betroffene sind, etwa
       die Fristenverlängerung bei Prozessen, die längere U-Haft erlauben.
       Außerdem ändert sich etwas in der Gesellschaft.Es werden Leute denunziert,
       die im Park spazieren gehen. Andererseits nehmen Menschen, die den
       Autoritäten nicht uneingeschränkt vertrauen, vielleicht eine kritischere
       Haltung mit in ihren Alltag. Wobei es auch darauf ankommt, wie lange diese
       Lage jetzt dauert. Wenn wir die Infektionskurve flach halten wollen, kann
       das sehr, sehr lange sein.
       
       Gewöhnen sich die Menschen daran oder begehren sie auf? 
       
       Es liegt stark an uns, dass es nach Corona besser wird als vorher.
       
       27 Mar 2020
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Esther Geißlinger
       
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