# taz.de -- Meinungsäußerung zu Coronazeiten: Auch Absurdes ist geschützt
       
       > Die Meinungsfreiheit gilt für harmlose wie auch für gefährliche
       > Positionen. Wer aber Lügen als Tatsachen hinstellt, kann sich nicht auf
       > sie berufen.
       
 (IMG) Bild: Selbst Meinungen, die die Demokratie und die Freiheit in Frage stellen, sind geschützt
       
       Auch Verschwörungstheoretiker werden vom Grundgesetz geschützt. Die
       Meinungsfreiheit ist grundsätzlich weit auszulegen, so beurteilt es das
       Bundesverfassungsgericht. Strafnormen, die in die Meinungsfreiheit
       eingreifen, sind dagegen eng auszulegen.
       
       Das [1][Grundgesetz] schützt alle Meinungen, seien sie klug oder dumm,
       seien sie harmlos oder gefährlich, seien sie emotional oder rational.
       Selbst Meinungen, die die Demokratie und die Freiheit in Frage stellen,
       sind grundsätzlich geschützt. Das heißt also: Beschränkungen müssen immer
       verhältnismäßig sein.
       
       Auch Tatsachenäußerungen werden von der Meinungsfreiheit erfasst – aber
       nur, wenn sie wahr sind. Wer Lügen verbreitet, kann sich also nicht auf die
       Meinungsfreiheit berufen. Eine falsche Tatsache ist etwa die Behauptung,
       dass [2][Bill Gates mit seiner Stiftung die Weltgesundheitsorganisation
       (WHO)] zu 80 Prozent finanziere. Nach WHO-Angaben liegt der Anteil nur bei
       11,4 Prozent. Auch erfundene und verfälschte Zitate werden laut
       Bundesverfassungsgericht nicht von der Meinungsfreiheit geschützt.
       
       Dagegen genießen Werturteile weitgehenden Schutz, also alle Äußerungen, bei
       denen nicht bewiesen werden kann, ob sie wahr oder falsch sind. Hier endet
       der Schutz erst bei der Schmähkritik, also dort, wo es nur noch um die
       Diffamierung in einer Privatfehde geht und nicht mehr um die
       Auseinandersetzung in einer Sache, die die Öffentlichkeit interessiert. Die
       Behauptung, Bill Gates habe die Absicht, die Welt zu versklaven, würde wohl
       auch noch als Werturteil durchgehen.
       
       ## Dorsten gekauft? Nur ein Werturteil
       
       Die typische Technik von Verschwörungstheoretikern besteht darin, dass sie
       sich auf korrekte Tatsachen stützen, daraus aber absurde Schlussfolgerungen
       ziehen. Aus der Tatsache, dass die Gates-Stiftung Projekte des Berliner
       Virologen Christian Drosten fördert, wird geschlossen, dass dieser von
       Gates „gekauft“ sei. Letzteres ist dann ein Werturteil. Hier ist das
       Bundesverfassungsgericht großzügig. Denn auch berechtigte Machtkritik, etwa
       ein Korruptionsvorwurf, kann oft nur Indizien benennen, aber nicht den
       gesamten Vorgang beweisen.
       
       Die Verbreitung von frei erfundenen Verschwörungsgeschichten ist in
       Deutschland an sich nicht strafbar. Denkbar wäre aber, dass Bill Gates
       einen Strafantrag wegen Beleidigung oder Verleumdung stellt. Bei
       antisemitischen Verschwörungsmärchen kommt dann schließlich auch eine
       Strafverfolgung wegen Volksverhetzung in Betracht.
       
       Die Verbreitung von Lügen ist in Deutschland nicht automatisch strafbar. Es
       gibt auch keine Strafnorm für absichtliche politische oder medizinische
       Desinformation. Allerdings können soziale Netzwerke Unwahrheiten leichter
       löschen als Werturteile – weil sie hierbei nicht auf Grundrechte Rücksicht
       nehmen müssen.
       
       23 May 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.gesetze-im-internet.de/gg/BJNR000010949.html
 (DIR) [2] /Abschluss-der-WHO-Generalversammlung/!5687163&s=bill+gates/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Rath
       
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