# taz.de -- Netanjahus Pläne für das Westjordanland: Ein bisschen annektieren
       
       > Obwohl von Trump unterstützt, würde Netanjahu mit den geplanten
       > Annexionen außenpolitisch viel riskieren.
       
 (IMG) Bild: Wie viel wird Netanjahu wirklich annektieren?
       
       Benjamin Netanjahu legt es augenscheinlich darauf an, [1][das Jordantal]
       und die Siedlungen im besetzten [2][Westjordanland zu annektieren]. In
       wochenlangen Verhandlungen rang er seinen Partnern der neuen [3][Großen
       Koalition] die Zustimmung zu dieser Ausnahme in der „Notstandsperiode“ von
       sechs Monaten ab, in der sonst keine Gesetzinitiativen ohne direkten Bezug
       zu Corona vorangetrieben werden dürfen. Ab dem 1. Juli steht die Annexion
       auf der Agenda der Knesset.
       
       US-Präsident Donald Trump lieferte Israels Ministerpräsidenten die Vorlage,
       als er Ende Januar [4][den Jahrhundert-Friedensplan für den Nahen Osten]
       präsentierte. Nie war also die Lage für Netanjahu günstiger, um die
       Zweistaatenlösung endgültig zu Grabe zu tragen. Und wer weiß, wie lange
       sein amerikanischer Freund noch den Ton im Weißen Haus angibt. Trump
       garantiert Netanjahu nicht nur Rückendeckung bei der Annexion von Teilen
       des palästinensischen Landes. Er treibt ihn sogar dazu an in der Hoffnung,
       daheim noch die ein oder andere Wählerstimme zu retten, die ihm infolge
       seines zögerlichen Vorgehens in der Coronakrise abhandengekommen sein mag.
       Aber das ist Trumps Problem – nicht Netanjahus.
       
       ## Ungewohnt heftige Töne
       
       Vom gefährlichen Virus und dem bevorstehenden Beginn des
       Korruptionsprozesses abgesehen, läuft es grade ganz gut für Israels
       mächtigsten Politiker. Die Palästinenser sind überwiegend friedlich, der
       Siedlungsbau geht ohne nennenswerte Kritik aus dem Ausland forsch voran,
       und die Beziehungen zu einigen arabischen Ländern werden infolge [5][der
       iranischen Ambitionen auf die Atombombe] immer enger.
       
       Warum also all das aufs Spiel setzen? Vor den heimischen Richtern wird
       Netanjahu auch der geplante Landklau nicht retten.
       
       Für viele EU-Mitgliedstaaten würde Netanjahu – so viel zeichnet sich im
       Vorfeld des für Freitag geplanten Ministertreffens ab – mit der Annexion
       palästinensischer Gebiete eine rote Linie überschreiten. Schon sind
       konkrete Strafmaßnahmen im Gespräch, erschwerte Handelsbedingungen und die
       Unterstützung laufender Ermittlungen des Internationalen Strafgerichtshofs
       gegen Israel. Frankreich zeigte sich besonders erbost und kündigte an, dass
       eine Annexion „schwerwiegende Konsequenzen“ nach sich ziehen werde. Das
       sind ungewohnt heftige Töne.
       
       Auf der anderen Seite könnte sich im kommenden November die Stimmung im
       Weißen Haus radikal ändern. Noch hält Trump Netanjahu den Rücken frei. Joe
       Biden hingegen wird eine Annexion mit allen Mitteln zu verhindern
       versuchen. Wie will Netanjahu seinen Wählern erklären, dass er das
       Trump'sche Angebot verschmähte? Denkbar wäre ein Mittelweg: nicht alle
       Siedlungen, sondern nur die Blöcke, die Israel durch einen Gebietstausch
       mit den Palästinensern ausgleichen könnte, ohne die Idee der zwei Staaten
       gleich komplett ad acta zu legen. Den Kuchen kosten und doch noch irgendwie
       ganz lassen.
       
       13 May 2020
       
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