# taz.de -- 1. Mai in Berlin: Schutz vor Kapitalismus-Virus
       
       > Protest will sich Berlins linksradikale Szene am 1. Mai nicht verbieten
       > lassen. Schließlich zeigten sich die Fehler des Systems jetzt mehr denn
       > je.
       
 (IMG) Bild: Vorbildliche Vermummung
       
       Berlin taz | Auch in Zeiten von Corona und Demo-Verboten will sich die
       linksradikale Szene der Stadt ihre Proteste am 30. April und am 1. Mai
       nicht nehmen lassen, anders als etwa der DGB, der seine Demo schon vor
       Wochen absagte. Das Revolutionäre 1. Mai-Bündnis hat nach einer [1][Anfang
       April angestoßenen szeneinternen Debatte] bekräftigt, den Tag nicht ohne
       eigene Aktionen verstreichen zu lassen. Angeschlossen haben sich die
       OrganisatorInnen der [2][Walpurgisnachtdemo im Wedding], die wie in den
       Vorjahren auf die Straße gehen wollen. Stattfinden sollen auch wieder die
       [3][hedonistisch inspirierten Proteste im Grunewald], wie die taz am
       Donnerstag erfuhr.
       
       Von „Same procedure as every year“ kann dennoch keine Rede sein. Anders als
       etwa die Verschwörungsideologen, die seit vier Wochen am
       Rosa-Luxemburg-Platz demonstrieren, nehmen die Linken die Bedrohung durch
       das Coronavirus ernst und arbeiten an Konzepten, um die Ansteckungsgefahr
       gering zu halten. „Wir wollen unsere Aktionen so gut es geht sicher
       gestalten, um uns und andere zu schützen“, schreibt etwa das Revolutionäre
       1. Mai-Bündnis. Wie genau sie sich das vorstellen, wollen die Autonomen auf
       einer Pressekonferenz am Montag präsentieren.
       
       In ihrem Aufruf ist von „dezentralen Aktionen“ die Rede. So soll etwa der
       Protest „zu den Verantwortlichen für die Abschottung gegen Geflüchtete, zu
       den AkteurInnen von Verdrängung und Zwangsräumung und zu den ProfiteurInnen
       von kapitalistischer Ausbeutung“ getragen werden.
       
       Dass man dabei womöglich nicht ganz auf größere Ansammlungen verzichten
       will, hat ein Sprecher der zum Vorbereitungskreis gehörenden Gruppe
       Radikale Linke Berlin in einem [4][Interview mit dem Neuen Deutschland ]
       angedeutet: „Also mit Masse wird es irgendwas sein, Demonstration ist eher
       unwahrscheinlich.“ Auch dabei gelte, „auf Abstand und alles Weitere“ solle
       geachtet werden.
       
       ## Geheimdemo im Wedding
       
       Ganz klassisch demonstrieren will die Initiative „Hände weg vom Wedding“.
       Aufgrund der bis einschließlich 3. Mai weiterhin geltenden Pflicht,
       Demonstrationen mit maximal 20 Teilnehmenden zu beantragen, tut die Gruppe
       jedoch genau das. „Wir haben der Versammlungsbehörde ein konkretes Konzept
       vorgelegt, die Gespräche laufen“, sagt Julian Löffler für die Weddinger
       AktivistInnen, die seit 2012 die antikapitalistische Demo organisieren. Der
       Startpunkt der Demonstration soll nicht vorab bekannt gegeben werden, um
       keine weiteren TeilnehmerInnen anzuziehen. „Das ist eine paradoxe
       Situation, da wir normalerweise ja versuchen, möglichst viele Menschen
       anzuziehen“, so Löffler.
       
       Eine Absage kam für die AktivistInnen aber nicht infrage. Löffler spricht
       von einem „unglaublichen Raum für politische Forderungen“, der sich in
       dieser Zeit auftue: „Ganz viele Fehler im kapitalistischen System zeigen
       sich jetzt deutlicher als je.“ Dabei gehe es noch nicht einmal um neue
       Themen, denn auch schon vor der Pandemie habe die Gruppe etwa gegen
       Ausgliederungen bei der Charité und Zwangsräumungen protestiert oder sich
       in Lohn- oder feministische Kämpfe eingemischt. In all diesen Bereichen
       steige nun durch die Krise die Spannung, so Löffler.
       
       Der Aufruf zur 18-Uhr-Demo thematisiert darüber hinaus, dass die
       Corona-Krise nicht alle gleich betreffe, sondern „insbesondere Geflüchtete,
       Obdachlose und Gefangene“ unter den Bedingungen leiden müssten. Auch Frauen
       laufen durch Ausgangsbeschränkungen vermehrt Gefahr, Opfer „patriarchaler
       Gewalt“ zu werden. Zentral für die Szene wird zudem die Verteidigung des
       queerfeministischen Hausprojekts Liebigstraße 34 sein, über dessen Räumung
       am 4. Juni final entschieden wird.
       
       ## Grunewald nicht allein lassen
       
       Der sozialen Frage und der sich durch Corona noch weiter verschärfenden
       ungleichen Vermögensverteilung will sich das in Quarantänemanagement
       Grunewald umbenannte hedonistische Bündnis kümmern. „Wir können in so
       schweren Zeiten die [5][Grunewalder nicht im Stich lassen]“, sagt
       Sprecherin Elenos Schickhäuser-Gosse.
       
       Mittels eines Autokorsos von Neukölln nach Grunewald strebe man einen
       „infektionssicheren Hausbesuch“ im Villenviertel an. Über eine Genehmigung
       werde mit der Versammlungsbehörde verhandelt. „Der Korso ist auch ein
       Schutz für uns, um nicht mit der Polizei als [6][Superspreader] in
       Berührung zu kommen“, so Schickhäuser-Gosse.
       
       Angemeldet ist auch eine stationäre Kundgebung im Grunewald, die jedoch
       ebenfalls 20 Teilnehmende nicht übersteigen darf. Das Quarantänemanagement
       plant deswegen einen Livestream seiner Aktionen und wird in einem
       „Hauptstadtstudio“ auch zu anderen Schauplätzen, Rede- und Kulturbeiträgen
       schalten.
       
       Laut einem internen Lagebericht des LKA, den der Spiegel veröffentlichte,
       rechnet die Polizei mit Krawallen. Zu erwarten seien etwa spontane
       Flashmobs.
       
       24 Apr 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Politische-Bewegungen-in-Corona-Zeiten/!5674569&s=schipkowski/
 (DIR) [2] /Walpurgisnacht-Demo-in-Berlin/!5499380/
 (DIR) [3] /1-Mai-in-Berlin-Grunewald/!5497390/
 (DIR) [4] https://www.neues-deutschland.de/artikel/1135798.mai-wir-diskutieren-formen-von-massenaktionen.html
 (DIR) [5] /1-Mai-in-Berlin/!5592035/
 (DIR) [6] /Versammlungsfreiheit-in-der-Corona-Krise/!5675482/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Erik Peter
       
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