# taz.de -- Abgesagtes Jahr der Biodiversität: Artenschutz in der Warteschleife
       
       > Das „Jahr der Biodiversität“ wurde abgesagt. Verleiht die Corona-Pandemie
       > dem Schutz der Natur einen Schub – oder fegt sie das Thema von der
       > Agenda?
       
 (IMG) Bild: Naturnahe Wälder sind Schwerpunkte der Artenvielfalt in Deutschland. Zurzeit warten sie auf Regen
       
       Berlin taz | Auf das Jahr 2020 hatten sich Politiker, Beamte und Lobbyisten
       [1][als „das Jahr der Biodiversität“ vorbereitet]. Die Konvention über den
       Schutz der Biodiversität, vor zehn Jahren im japanischen Nagoya
       beschlossen, läuft 2020 aus und sollte im Oktober im chinesischen Kunming
       erneuert werden. Seit Ende Februar liegt der Entwurf für einen neuen
       Vertragstext vor, bis Herbst sollte er in zahlreichen Treffen und
       Konferenzen verhandelt werden. Doch die weltweite Coronakrise macht alle
       Planungen zunichte.
       
       Zwei der wichtigsten Arbeitstreffen auf UN-Ebene wurden schon jeweils drei
       Monate nach hinten verlegt. Auch der große Abschlussgipfel, „COP 15“ im
       Herbst, wird verschoben, ein neuer Termin steht noch aus. Einen neuen
       Termin für den Kongress der Internationalen Naturschutzorganisation IUCN in
       Marseille gibt es schon, er findet nun nicht im Juni, sondern (frühestens)
       Januar 2021 statt. Dieses Treffen gehört zwar nicht zum formalen
       Gipfelreigen, ist aber wichtig für Zivilgesellschaft und Staaten mit
       ambitionierten Zielen, um sich zu organisieren und zu unterstützen, sagt
       Basile van Havre.
       
       Der Generaldirektor des kanadischen Umweltministeriums bereitet den
       UN-Biodiversitätsgipfel maßgeblich mit vor. Er glaubt zwar nicht, dass die
       Erzählung von einem „Superjahr der Biodiversität“ nach der Covidkrise noch
       effektiv ist. Aber „ich glaube, dass die globale Gemeinschaft zunehmend
       bereit ist, Maßnahmen zu ergreifen, um den Verlust der biologischen
       Vielfalt zu vermeiden“, mailt van Havre. Die Frage sei nur, ob die Mittel
       der absehbaren Konjunkturpakete klug investiert würden und ob für
       Naturschutz dann noch ausreichend Ressourcen zur Verfügung stünden.
       
       In dieser Debatte hat Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) in den
       vergangenen Tagen schon einmal Stellung bezogen: In einem Interview mit der
       Journalistengenossenschaft Riffreporter forderte sie eine deutliche
       Aufstockung der Finanzmittel für den Umwelt- und Naturschutz. Beim
       UN-Gipfel müssten die Weichen dafür gestellt werden, dass Krisen wie die
       Corona-Pandemie künftig vermieden werden könnten. Als Lehre aus der Krise
       empfahl sie, künftig mehr und frühzeitig „auf die Wissenschaft zu hören.“
       
       ## Aus für den Gipfel-Marathon
       
       Der Weltbiodiversitätsrat (IPBES), ein UN-Beratungsgremium, hatte im
       vergangenen Frühjahr [2][in einem weit rezipierten Bericht] auf den
       dramatischen Verlust von Biodiversität hingewiesen – und damit die Tonlage
       für das „Superjahr 2020“ vorgegeben. Auch Günter Mitlacher hatte sich als
       Leiter der internationalen Biodiversitätspolitik des WWF in den kommenden
       Monaten auf einen Gipfelmarathon eingestellt. „Die Coronakrise zwingt uns,
       ganz neu über das Thema nachzudenken und daraus zu lernen“, sagt er.
       
       Auch der Vorschlag für einen Vertragstext für ein neues Abkommen müsse
       überarbeitet werden. „Wir brauchen einen grundlegend anderen Umgang mit
       Natur“, sagt Mitlacher, „mit [3][dem Handel von Wildtieren], mit der
       Nutzung von Tieren und Pflanzen und den Ökosystemen in Zeiten des
       Klimawandels“. Die vorliegenden Ziele seien nicht ambitioniert genug, das
       zeige die Coronakrise deutlich.
       
       Nicola Uhde hält einen nachhaltigeren Umgang mit der Natur nach der
       Pandemie allerdings keineswegs für einen Selbstläufer, im Gegenteil. Sie
       ist bei der Umweltorganisation BUND für die internationale
       Biodiversitätspolitik zuständig. Sie befürchtet: „Nach der großen
       Corona-bedingten ökonomischen Krise werden alle Staaten versuchen, ihre
       Wirtschaft wieder anzukurbeln.“ Naturschutz könne da leicht als ein
       Wachstumsverhinderer dargestellt werden, den man sich nicht mehr leisten
       könne oder wolle.
       
       Andererseits sei der Zeitrahmen für das neue Biodiversitätsabkommen sowieso
       recht eng gewesen. „Dass wir jetzt mehr Zeit haben zu verhandeln, ist gut.“
       Zwar falle die Erzählung vom „Super-Biodiversitäts-Jahr“ weg, meint Uhde.
       Doch das ändert nichts daran, dass die Weltgemeinschaft den Verlust der
       Biodiversität bis 2020 nicht gestoppt hat. Das sollte uns Antrieb genug
       sein, auch nach dem Jahreswechsel“, sagt die Naturschutz-Expertin.
       
       Natürlich könne man den Spannungsbogen nicht aufrechterhalten, der
       eigentlich geplant gewesen sei, sagt Magdalene Trapp, Referentin für
       Biodiversitätspolitik beim Naturschutzbund Nabu, „aber die Klima- und die
       Biodiversitätskrise bestehen weiterhin, auch wenn sie von der Coronakrise
       überlagert werden“. Trapp geht davon aus, dass das Thema Artenschutz auch
       nach Ende der Pandemie und einer anschließenden Wirtschafts- und
       Finanzkrise kommunizierbar sei: „Bewegungen wie Fridays for Future haben
       neben den großen Umweltverbänden dazu beigetragen, ein Bewusstsein in der
       Bevölkerung für die großen Umweltkrisen zu schaffen“, sagt die
       Nabu-Referentin, „das ist ja nicht auf einmal weg.“
       
       Rechtlich hat die Verschiebung des UN-Gipfels von Kunming im Herbst keine
       Auswirkungen. Sowohl die Umsetzung der Biodiversitätskonvention als auch
       ihr konkretisierender Strategischer Plan 2011–2020 unterliege keinem
       Verfallsdatum, heißt es aus dem Bundesumweltministerium. Dieser Plan, der
       auch die bekannten „Aichi-Ziele“ zum Erhalt der Artenvielfalt enthält, wird
       von Experten meist gelobt, seine Umsetzung allerdings kritisiert.
       
       8 Apr 2020
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
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