# taz.de -- Grüne und Union: Bereit für Größeres
       
       > Merz? Spahn? Oder doch lieber Laschet? Die Grünen beobachten aufmerksam
       > den Machtkampf in der CDU – und ziehen ihre Schlüsse für Schwarz-Grün.
       
 (IMG) Bild: Aufmerksam: die Grünen-Vorsitzenden mit ihrem politischen Geschäftsführer
       
       Berlin taz Die Grünen sind bereit für Größeres, daran lassen sie keinen
       Zweifel. Am Freitagabend trafen ihre Vorsitzenden Robert Habeck und
       Annalena Baerbock Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron. Drei Stunden
       dauerte das Gespräch am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz, für
       manches Staatsoberhaupt nimmt sich der Franzose weniger Zeit. Es läuft gut
       für die Grünen, die sich als „Quasi-Regierungspartei im Wartestand“
       (Habeck) begreifen.
       
       Auch im Ausland werden sie längst als Ansprechpartner für die
       Post-Merkel-Ära gesehen. Und der [1][offene Machtkampf in der CDU] bringt
       die Partei in eine noch komfortablere Position. Wenn jemand von dem
       konservativen Chaos profitieren könnte, dann die Grünen, die seit Längerem
       in bürgerlichen Milieus wildern.
       
       Ihre Leute kommentieren die Ereignisse mit einer Mischung aus
       staatstragender Besorgnis und freudiger Erwartung. „Bloß keine Häme“, heißt
       es. Und: Sie seien ja angesichts der Selbstzerstörung von CDU und SPD so
       etwas wie der „Hort der Stabilität“.
       
       Wie sehr die Grünen-Spitze aus dem Zentrum heraus denkt, zeigt sich etwa am
       Fall Thüringen. Eine in Ostverbänden nach rechts driftende Union brächte
       koalitionswillige Grüne in Rechtfertigungszwänge. Und eine Wiederholung des
       Thüringer Szenarios in Sachsen-Anhalt, wo im nächsten Jahr gewählt wird,
       ist nicht ausgeschlossen. Würden Habeck und Baerbock also Schwarz-Grün im
       Bund ausschließen, wenn die CDU in Bundesländern mit der AfD kooperiert?
       
       ## Bloß keine Ausschließeritis
       
       Die Grünen-ChefInnen vermeiden eine Festlegung. Baerbock lehnt es ab, über
       ein „Was wäre wenn“ zu sprechen, weil ihr das zu hypothetisch ist. Aber mit
       Blick auf Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen nennt sie drei Argumente,
       warum sich voreilig gezogene rote Linien verbieten. „Erstens hat
       Ausschließerei zu demokratischer Handlungsunfähigkeit geführt.“ Union und
       FDP hätten sich in Thüringen eingemauert. „Das Ergebnis waren die Öffnung
       zur AfD, Chaos und ein lahmgelegtes Land. All das hat nur der AfD in die
       Hände gespielt“, sagt Baerbock.
       
       Zweitens sei die CDU in Sachsen-Anhalt und Sachsen „nicht immun“ gegen
       rechtsaußen. „Aber wir sind – trotz Schmerzen – in Koalitionen gegangen, um
       die CDU im demokratischen Diskurs zu halten und für funktionsfähige
       Regierungen zu sorgen.“ Sonst, sagt Baerbock, hätte es politisches Chaos
       gegeben und den Kräften in der Union Oberwasser gegeben, die nach rechts
       marschieren wollten.
       
       Drittens, fügt Baerbock mit Blick auf den Bund hinzu, habe sich die
       CDU-Führung klar positioniert. „Sie kämpft jetzt in den eigenen Reihen
       darum, die Brandmauer nach rechtsaußen geschlossen zu halten.“ Gleich, wer
       die Union künftig führe: „Das muss ihr gelingen.“ All das heißt: Die Hand
       der Grünen bleibt ausgestreckt, auch und gerade, um die CDU nicht an die
       neue Rechte zu verlieren. Dazu passt, dass keiner der Interessenten für die
       Nachfolge Annegret Kramp-Karrenbauers ein Bündnis aus grüner Sicht
       verhindern würde.
       
       Aber Friedrich Merz mobilisiert mehr Abwehrreflexe als andere. Als
       Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt neulich eine Koalition mit einer
       Merz-CDU nicht ausschloss – und damit nur die gängige Sprachregelung
       wiederholte –, reagierte Thüringens Landessprecherin Ann-Sophie
       Bohm-Eisenbrandt genervt. [2][„Merz steht für fast alles, was wir Grüne
       ablehnen“, twitterte sie.] Sie könne diesen Vorstoß zu einer möglichen
       Koalition mit der Merz-CDU nicht nachvollziehen.
       
       ## Laschet: „Freche Reblaus namens Habeck“
       
       Man kann es allerdings auch anders sehen. Merz hätte aus grüner Sicht den
       Vorteil, in einem Wahlkampf in der bürgerlichen Mitte mehr Platz zu lassen.
       Auch für eine Koalition könnte ein kantiger Konservativer stabilisierend
       wirken. Merz stünde im CDU-Wirtschaftsflügel nicht im Verdacht, zu offen
       für grüne Ideen zu sein. Gerade deshalb hätte er mehr Spielräume. Bei den
       Grünen hat man genau beobachtet, dass Kramp-Karrenbauer, die einst als
       Merkels Lieblingskandidatin galt, viele Zugeständnisse an den rechten
       CDU-Flügel machen musste.
       
       Armin Laschet, Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen, wird ebenfalls mit
       gemischten Gefühlen betrachtet. Manche Grüne bezeichnen ihn als
       „verbindlich und aufgeschlossen“. Sie erinnern an seine progressiven
       Positionen in der Migrations- und Integrationspolitik. Und daran, dass er
       vor Urzeiten in der schwarz-grünen Pizza-Connection saß.
       
       Aber es gibt auch Skeptiker. „Ich wundere mich darüber, dass Armin Laschet
       von vielen als idealer Schwarz-Grün-Kandidat gehandelt wird“, sagt Felix
       Banaszak, Landeschef der nordrhein-westfälischen Grünen. Laschet sei
       Ministerpräsident einer schwarz-gelben Landesregierung. „Er steht uns bei
       zentralen sozialen, ökologischen und wirtschaftspolitischen Fragen nicht
       nah, sondern auf der Gegenseite.“ Schwarz-Gelb wolle etwa
       Hartz-IV-Empfängern, die nicht kooperierten, das Existenzminimum streichen.
       
       Außerdem sorgte ein Karnevalsauftritt Laschets für Irritationen. Dem CDUler
       wurde vergangene Woche in Aachen der „Orden wider den tierischen Ernst“
       verliehen. In seiner Rede pries er die ehemalige Weinkönigin Julia Klöckner
       als mögliche Kanzlerkandidatin. „Den Weinpokal Richtung Himmel stemmend,
       eine freche Reblaus namens Habeck vertreibend.“ Laschet wischte sich bei
       diesem Satz abfällig mit der Hand über den Ärmel.
       
       ## Freundliche Worte über Spahn
       
       Bei den Grünen weiß man durchaus, dass bei Karnevalsreden nicht jedes Wort
       auf die Goldwaage gelegt werden darf. Aber als Tier lässt man sich auch im
       Spaß nur ungern bezeichnen. Oder wird es doch Jens Spahn? Über den
       Gesundheitsminister finden Grüne freundliche Worte. Mit einem humorvollen
       Typen wie ihm könne Regieren mehr Spaß machen als mit beleidigten
       Sozialdemokraten.
       
       Wer immer den CDU-Machtkampf gewinnt, die Grünen halten sich auch ein
       Linksbündnis offen. Allein: Auch hier vermeiden sie Festlegungen, wie sie
       SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich forderte, tunlichst. NRW-Landeschef
       Banaszak sagt: „Ich sehe im Bund aber keinen Automatismus zu Schwarz-Grün,
       im Gegenteil.“
       
       17 Feb 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Zukunft-der-CDU/!5660293
 (DIR) [2] https://twitter.com/green_annsophie/status/1228019620025643008
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ulrich Schulte
       
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