# taz.de -- Jahrestag der Novemberpogrome: Auswandern wegen Antisemitismus
       
       > 81 Jahre nach den Novemberpogromen steigt wieder der Antisemitismus. Der
       > Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Halle überlegt sogar auszuwandern.
       
 (IMG) Bild: Überlegt auszuwandern: Max Privorozki, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Halle
       
       München/Berlin epd/afp | Der Anschlag auf die Synagoge in Halle hat nach
       den Worten des Gemeindevorsitzenden Max Privorozki Erinnerungen an die
       Reichsnacht vor 81 Jahren wachwerden lassen. „Ich sehe Parallelen zwischen
       dem 9. November 1938 und dem [1][9. Oktober 2019, dem Tag des Anschlags in
       Halle auf unsere Synagoge]“, sagte Privorozki der [2][Süddeutschen
       Zeitung].
       
       Privorozki, der während des Angriffs selbst im Gebetshaus war, sagte, man
       beobachte in seiner Gemeinde, „dass [3][in Deutschland Antisemitismus] mit
       großer Geschwindigkeit immer krasser wird“. Sich offen als Antisemit zu
       zeigen, sei heute in Deutschland „nicht mehr peinlich“.
       
       Privorozki äußerte sich höchst besorgt über die Zukunft der jüdischen
       Gemeinschaft in Deutschland. Er wisse nicht, ob diese eine Zukunft habe,
       wenn „jetzt keine Maßnahmen gegen Antisemitismus und Judenhass“ ergriffen
       würden. Er selbst habe bereits vor dem Anschlag auf die Synagoge über eine
       Auswanderung nach Israel nachgedacht. „Ich fühle mich schon seit ein paar
       Jahren nicht mehr so wohl in meiner Stadt, in meinem Land“, sagte
       Privorozki.
       
       Bei dem [4][Anschlag von Halle] am 9. Oktober hatte ein schwer bewaffneter
       Mann zwei Menschen erschossen und auf der Flucht zwei weitere schwer
       verletzt. Der Täter hatte zuvor erfolglos versucht, in die Synagoge
       einzudringen. Der 27-Jährige handelte nach eigener Aussage aus
       antisemitischen und rechtsextremistischen Motiven. Nach Einschätzung der
       Behörden wollte er in der Synagoge ein Blutbad anrichten.
       
       ## Erinnern an die Opfer
       
       Bei den Novemberpogromen am 9. und 10 November 1938 wurden in Deutschland
       und Österreich tausende Synagogen und Gebetshäuser sowie jüdische Geschäfte
       und Friedhöfe zerstört. Hunderte Jüdinnen und Juden wurden in den Tagen
       rund um die Reichspogromnacht ermordet. Die Nacht vom 9. auf den 10.
       November gilt als Zäsur während der nationalsozialistischen
       Judenverfolgung, die im Holocaust mündete.
       
       Kurz vor dem 81. Jahrestag der Gewalttaten, warnte auch der Präsident der
       Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG), Uwe Becker, vor Gleichgültigkeit
       gegenüber Judenhass. „Der Nationalsozialismus ist nicht plötzlich über
       Deutschland hereingebrochen“, erklärte der hessische CDU-Politiker am
       Freitag. Umso wichtiger sei es heute, aufmerksam zu sein und den
       unterschiedlichen Formen des Antisemitismus entschlossen entgegenzutreten.
       
       Gewalt gegen Juden habe es schon vor dem 9. November 1938 gegeben, sagte
       Becker, der auch Antisemitismusbeauftragter des Landes Hessen ist. Der
       Holocaust sei nur möglich gewesen, „weil zu viele mitgemacht, zu viele
       weggeschaut haben und zu wenige dagegen aufgestanden sind, gerade als noch
       Zeit dafür gewesen wäre“, sagte Becker.
       
       Heute sei in Deutschland wie überall in Europa wieder ein Erstarken der
       Judenfeindlichkeit zu beobachten, sagte Becker. Zudem gewöhnten sich die
       Menschen viel zu schnell an antisemitisches Verhalten und die Bedrohung
       jüdischen Lebens. „Die gesamte Gesellschaft ist gefordert, denn der
       Judenhass vergiftet unser gesamtes gesellschaftliches Miteinander“, sagte
       der DIG-Präsident.
       
       Das Gedenken an die Opfer der Novemberpogrome nimmt in Deutschland
       regelmäßig [5][einen geringen Teil des 9. Novembers ein], da an diesem Tag
       auch der Fall der Mauer gefeiert wird. Bei den diesjährigen Feierlichkeiten
       zum 30. Jubiläum des Mauerfalls in der Gedenkstätte Berliner Mauer sprach
       Bundeskanzlerin Angela Merkel vom 9. November als einem „Schicksalstag der
       Deutschen“. In ihm spiegelten sich sowohl die glücklichen als auch die
       fürchterlichen Momente der deutschen Geschichte wider. Der 9. November 1938
       ermahne, Hass, Rassismus und Antisemitismus entschlossen entgegenzutreten.
       
       9 Nov 2019
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Das-Attentat-von-Halle/!5628896
 (DIR) [2] https://www.sueddeutsche.de/politik/max-privorozki-halle-anschlag-judentum-interview-1.4674420
 (DIR) [3] /Antisemitismusdebatte-in-Deutschland/!5631984
 (DIR) [4] /Antisemitischer-Terror/!5629067
 (DIR) [5] /9-November-1938-und-1989/!5637314
       
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