# taz.de -- Shahak Shapira über „Shapira Shapira“: „Du musst auf die Fresse fallen“
       
       > Shahak Shapira bekommt seine eigene Comedy-Show. Uns erklärt er, was den
       > Deutschen zum Lustigsein fehlt und warum Nazi-Denke nichts mit Politik zu
       > tun hat.
       
 (IMG) Bild: „Jedes Land bekommt die Comedians, die es verdient“
       
       taz am wochenende: Herr Shapira, wie macht man einen schlechten Witz? 
       
       Shahak Shapira: Es gibt da mehrere Techniken, die erste ist: Du erklärst zu
       viel. Du versimpelst den Witz, du nimmst Klischees. Du nimmst eine
       Struktur, die alle benutzen: „Hey, was hat es mit diesen Klingeltönen auf
       sich?“ Oder einfach sehr schlechte Wortwitze.
       
       Vervollständigen Sie doch mal diesen Satz: Meine neue Sendung „Shapira
       Shapira“ ist wie „Böhmermann“ für Leute, die … 
       
       Meine Sendung ist wie Böhmermann für Leute, die auch Böhmermann mögen. Und
       die, die ihn nicht mögen. Das sind meine beiden Zielgruppen. Und die, die
       ihn ganz okay finden.
       
       Sie wollen Sketche und Comedy machen, aber kein Politkabarett. Wo ist der
       Unterschied? 
       
       Viele Themen, die Leute für politisch halten, sind für mich
       gesellschaftlich. Finden Sie Nazis politisch?
       
       Kommt drauf an, wie man Politik definiert. 
       
       Finden Sie, Nazis verarschen ist politisches Kabarett?
       
       Wenn wir sagen, wir wollen nicht mit Nazis zusammenleben, ist das schon
       politisch, oder? 
       
       Ich finde, Nazis sind nicht politisch. Ich gestehe denen nicht zu, dass sie
       eine politische Position haben. Ich finde, auch Homophobie ist nicht
       politisch. Und Feminismus und Gleichstellung sind nicht politisch.
       
       Das wird unsere Leser*innen sehr interessieren. Sie sind ja nicht gegen
       Feminismus. 
       
       Im Gegenteil. Vielleicht macht es so herum Sinn: Sexismus ist keine
       politische Position. Auch die Ehe für alle ist für mich letztendlich nicht
       politisch.
       
       Und was ist sie sonst? 
       
       Gesellschaftlich. Grundmenschlich. Vielleicht beharre ich da auch zu sehr
       drauf. Was ich jedenfalls nicht machen werde, ist Innenpolitik
       persiflieren.
       
       Warum ist es so schwierig, im deutschen Fernsehen lustig zu sein? 
       
       Warum ist es so schwierig, in Deutschland lustig zu sein? Vielleicht sind
       ja sogar Leute lustig und ich bin nur ignorant und respektlos, kann auch
       sein. Aber es gibt schon einen Unterschied zu Amerika.
       
       Was genau machen die Amerikaner*innen denn besser in ihrer Comedykultur? 
       
       Ach, ich bashe so oft deutsche Comedians. Nun ist es ja aber nicht so, dass
       alle hier so beschissene Comedy machen und das Publikum besteht aus
       Feinschmeckern, die nur ganz zufällig bei Mario Barth sitzen. Jedes Land
       bekommt die Comedians, die es verdient. Andere Frage: Warum ist Babelsberg
       nicht wie Hollywood?
       
       Geld, vermutlich. 
       
       Na ja, die Amis haben schon auch einen kulturellen Vorsprung, bei allem.
       Sie haben halt mehr Weltkriege gewonnen. Hättet ihr den Weltkrieg gewonnen,
       dann wäre euer Humor besser, aber ich wär’ nicht hier.
       
       Was unterscheidet die beiden Stand-Up-Kulturen? 
       
       Ich behaupte mal, die meisten großen Comedians, die man heute in
       Deutschland sieht, waren noch nie bei einem Open Mic. Das heißt, sie stehen
       nie vor Nicht-Fans und testen neues Material. Für mich war das eine ganz
       unangenehme Erfahrung.
       
       Was meinen Sie? 
       
       Ich habe angefangen, Lesungen zu machen und nur vor Fans gespielt, vor
       hundert, zweihundert Leuten. Aber als ich zum ersten Mal zu einem Open Mic
       ging, ist jemand eingeschlafen zwischendrin.
       
       Inwiefern macht einen das besser, wenn man da scheitert? 
       
       Du musst auf die Fresse fallen. Jederzeit, zu jedem Punkt deiner Karriere.
       Du musst bomben. So nennt man das, wenn du keine Lacher kriegst: Bomben.
       Wenn’s sehr gut läuft, dann killst du, wenn nicht, dann bombst du.
       
       Und wenn du nicht bombst? 
       
       Wenn du nur sicheres Material spielst, wo du weißt, dass du Lacher kriegst,
       wirst du dich nie weiterentwickeln. Wenn du dich auf eine Bühne stellst und
       den Leuten nur erzählst, was sie schon wissen, verschwendest du ihre Zeit
       und deine Zeit.
       
       Ihr Autor*innenteam ist paritätisch besetzt, jung, berlinerisch,
       international. Hat Diversity bei der Besetzung eine Rolle gespielt? 
       
       Ich habe tatsächlich drauf geachtet, weil ich so arbeiten will. Fast alle
       meine Autor*innen sind selbst Stand-Up-Comedians, bis auf Matilde (Matilde
       Keizer, Anm. d. Red.), sie macht Impro. Fast alle sind Migranten, die
       Hälfte sind Frauen. Aber es ist ja jetzt nicht so, dass es bessere Männer
       gab und wir dachten: Nee, wir brauchen aber eine Frau. Diese Leute sind
       einfach die richtigen.
       
       Leider nicht selbstverständlich in der Comedy-Szene. 
       
       Ich will nun mal nicht nur ein Männerpublikum. Warum sollte ich nur Männer
       in der Redaktion sitzen haben? Ich wünsche mir auch mehr weibliche
       Comediennes in Berlin auf den Open Mics. Darauf sollte man achten beim
       Booking.
       
       Sie haben neulich [1][auf Twitter] geschrieben: „Das einzig gute daran,
       wenn deine Familie im Holocaust stirbt ist, dass du ihnen Jan Fleischhauer
       nicht erklären musst.“ Humor, Zynismus, Verteidigung, was ist dieser Satz? 
       
       Sarkasmus, einfach nur. Nicht alles was ich auf Twitter sage ist ein Witz.
       Nicht mal alles was ich auf der Bühne sage. Das habe ich in letzter Zeit
       gelernt: Du musst nicht immer lustig sein als Comedian. Du musst aber immer
       interessant sein.
       
       Und Jan Fleischhauer? 
       
       Diese Nazi-rein-Scheiße. Wenn mir das jemand gesagt hätte, so ins Gesicht,
       könnte ich demjenigen durchaus eine scheuern dafür. Ich halte jetzt Jan
       Fleischhauer nicht für einen Extremisten oder Neonazi. Aber bei manchen
       Aussagen musst du dich echt fragen: Digger, was machst du? Es gibt diese
       Leute, die so auf der Grenze sind. Jakob Augstein, manchmal Ulf Poschardt,
       Henryk M. Broder.
       
       Wann halten Sie selbst denn eine Provokation für gelungen? 
       
       Ich finde es nicht schlimm, wenn ich provoziere. Aber ich mache es nicht
       mit Absicht. Manche Comedians machen das. Aber nicht alles, was provokant
       ist, ist auch cool und edgy. Nicht jede Provokation hat Wert.
       
       Wann hat man es übertrieben? 
       
       Du musst übertreiben, damit es ein Witz ist. Wenn aber Annegret
       Kramp-Karrenbauer auf die Bühne geht und als Politikerin anfängt, Witze
       darüber zu machen, dass manche Menschen weniger Rechte haben, dann nehme
       ich ihr das nicht als Witz ab. Weil ich weiß, dass sie tatsächlich homophob
       und transphob ist.
       
       Ihr Fotoprojekt [2][„Yolocaust“], bei dem Sie Touristenfotos auf KZ-Bilder
       montierten, fanden manche Menschen auch drüber. Die Schriftstellerin Mirna
       Funk zum Beispiel. 
       
       Ich finde, Mirna Funk ist drüber. Es ist ein Haufen Müll, was sie sagt.
       Letztens hat sie mich als die Schande der jüdischen Community bezeichnet,
       später hat sie sich entschuldigt. Aber ich gehöre auch gar nicht zu dieser
       Community. Ich bin Atheist. Meine Mutter stand drei Wochen unter
       Polizeischutz, da habe ich null Solidarität von der jüdischen Community
       bekommen. Scheiß auf sie.
       
       In der offiziellen ZDF-Pressemappe zu Ihrer Show steht, dass Sie jetzt
       Deutscher sind. 
       
       Tatsächlich? (lacht)
       
       Ja, tatsächlich. Sind Sie denn jetzt deutscher als vorher? 
       
       Ich hab jetzt eine Pollenallergie.
       
       Sie sind genervt, wenn Ihnen gegenüber immer das Judentum thematisiert
       wird. Warum? 
       
       Am Anfang habe ich das tatsächlich selbst total thematisiert, und das war
       nicht gut. Ich wusste nicht, dass ich dann so eine Rolle bekomme, dass ich
       komplett darauf reduziert werde: Man ist immer nur der jüdische Künstler.
       Jüdische, jüdische, jüdische. Antisemitismus, blablabla. Kein Bock drauf.
       Ich will kein Klischee, ich will keine Rolle spielen. Ich will ein weißer
       privilegierter Künstler sein, so wie ich auch aussehe. Ich will keine
       monothematische Comedy machen.
       
       Anders als viele weiße privilegierte Männer reden Sie selbstkritisch. Sie
       sagen: Ich weiß nicht, ob die Show gut wird. Warum kokettieren Sie so mit
       dieser Unsicherheit? 
       
       Weil ich ehrlich sein will. Ich glaube schon, dass es gut ist, was wir
       machen. Aber ich bin da vorsichtig, weil ich Respekt vor diesem Handwerk
       habe. Ich nehme seit vier, fünf Monaten Schauspielunterricht, um mich
       vorzubereiten. Ich gehe drei bis fünf Mal pro Woche nach Drehschluss auf
       offene Bühnen und mache Comedy. Ich stecke da so viel Arbeit rein und hab
       vielleicht einfach Schiss, dass es floppt. Heute soll alles von Anfang an
       immer fucking perfekt sein. Aber man braucht Zeit, um etwas zu entwickeln.
       
       Herr Shapira, wie macht man einen guten Witz? 
       
       Mit viel Arbeit.
       
       7 Apr 2019
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://twitter.com/shahakshapira/status/1086951252800557056
 (DIR) [2] /Shahak-Shapira-ueber-Holocaust-Gedenken/!5375195
       
       ## AUTOREN
       
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