# taz.de -- Laura Karasek über ihre Show bei ZDFneo: „Unvorhersehbarkeit finde ich sexy“
       
       > Laura Karasek übernimmt für den Sommer den Sendeplatz von Jan Böhmermann.
       > Ein Gespräch über guten Fernsehtalk, Vorurteile und die Promiblase.
       
 (IMG) Bild: War sechs Jahre lang Anwältin und talkt den Sommer über bei ZDFneo: Laura Karasek
       
       taz: Frau Karasek, Sie waren sechs Jahre Anwältin in einer
       Wirtschaftskanzlei und dabei im „Team für Konfliktlösung“. Wie löst man
       denn einen Konflikt? 
       
       Laura Karasek: Indem man die besseren Argumente hat und die bessere Story
       erzählen kann. Vor Gericht geht’s ja darum, zu überzeugen, aber auch,
       erzählen zu können.
       
       Was haben Sie gelernt in Ihrer Zeit als Anwältin? 
       
       So eine Großkanzlei ist eine Schule fürs Leben. Man lernt, mit dem Druck
       umzugehen, extrem viel arbeiten zu können mit wenig Schlaf. Faulheit kann
       man sich nicht leisten. Aber auch sprachlich lernt man viel: Was macht
       einen guten Schriftsatz aus, wie überzeugt man die Richter.
       
       Wie schreibt man ein gutes Plädoyer? 
       
       Eine sehr präzise, aber nicht abgedroschene Sprache. Nicht in Floskeln
       verfallen, keine Füllwörter, zum Punkt kommen.
       
       Und jetzt also eine Talkshow auf ZDFneo. Werden Sie da eher Richterin sein,
       Verteidigerin oder Staatsanwältin? 
       
       Beklagte! (lacht) Nein, am ehesten würde ich sagen: Mediatorin. Was unsere
       Talkshow von anderen unterscheidet: Ich bin kein neutraler Moderator,
       sondern Teil der Runde. Ich werde auch meinen Senf dazugeben und meine
       Anekdötchen erzählen.
       
       Bisher waren Sie oft als Gast in Talkshows. Wie wird es Ihnen jetzt
       gelingen, Zuhörerin zu sein? 
       
       Ich muss es machen wie Papageno in der „Zauberflöte“: Schloss vor den Mund.
       Aber ich kann schon gut zuhören, vor allem, wenn mich die Geschichten
       interessieren. Mich faszinierten die Begegnungen, die meine Eltern als
       Journalisten hatten: mit Woody Allen, Steven Spielberg oder Elfriede
       Jelinek.
       
       Bei „Zart am Limit“ soll es drei Gäste pro Show geben, Gespräche und
       Spiele. Worum geht’s? 
       
       Die Ängste, Sorgen und Freuden des Jungseins. Social Media, Sexismus,
       Genderthemen, Karriere oder Work-Life-Balance, Land oder Stadt,
       Kinderkriegen. Wir laden Leute ein, die offen sprechen, nicht nur
       Promotermine machen. Das erste Thema ist: Klischees und Schubladen.
       
       Welche Vorurteile haben Sie? 
       
       Ich kann mich manchmal auch nicht davor schützen, dass ich Leute anhand
       ihrer Optik falsch einschätze. Nach dem Motto: So, wie die aussieht, kann
       die keine sein, die Michel Houllebec liest oder weiß, wer Kafka ist. Und so
       wurde ich eben auch schon für eine Spielerfrau gehalten. Das Gehirn geht
       manchmal diesen Weg. Aber ich hab Bock, mit Klischees zu brechen. Diese
       Unvorhersehbarkeit finde ich sexy.
       
       Würden Sie sagen, das ist eine feministische Strategie: ein Klischee erst
       zu bedienen, um es dann zu brechen? 
       
       Ja, vielleicht. Es ist auch eine Reaktion auf das Patriarchat. Wobei ich
       auch Vorurteile von anderen Frauen erlebe. Seit ich Mutter bin, wird noch
       viel mehr bewertet: „Wer ist denn jetzt bei den Kindern, wenn du unterwegs
       bist?“ oder „Warum trinkst du denn jetzt Wein, du bist doch Mutter!“ Aber
       vieles kommt tatsächlich von Männern. Deshalb ist es feministisch, zu
       sagen: Ich bin nicht das Blondie, für das ihr mich haltet. Aber ich gebe
       zu: Ich kann tatsächlich keinen Reifen wechseln.
       
       Ich auch nicht. Aber wie entscheiden Sie, welche Rolle Sie spielen? Sind
       Sie vor allem dann feministisch, wenn es sich für Sie lohnt? 
       
       Ich bin da Opportunist. (lacht) Also klar: Ich bin immer für die Freiheit
       der Wahl, für Chancengleichheit. Aber es gibt schon Situationen, in denen
       ich nicht damit übereinstimme, was andere Feministinnen schreiben oder
       sagen. Es gab ja mal diesen Vorschlag, Frauen sollten aufhören, sich zu
       schminken, weil sie das nur machen würden, um Männern zu gefallen. Da bin
       ich überhaupt nicht mit einverstanden. Mir macht das Spaß, und ich finde,
       jede Frau darf so sein, wie sie will. Auch mit Glitzerschuhen.
       
       Haben Sie denn Vorbilder in Sachen Feminismus? 
       
       Auf Comedian-Ebene mag ich sehr, was Martina Hill macht, ihre Frauenrollen.
       Ich habe in letzter Zeit auch viele Bücher von tollen Frauen gelesen,
       Virginie Despentes zum Beispiel. Gerade habe ich ein krasses Buch gelesen
       [1][von Leila Slimani] über eine sexsüchtige Frau [„All das zu Verlieren“,
       die Red.]. Die hat eine drastische Sprache.
       
       [2][Auf Instagram] kann man sehen, wie Sie mit Benjamin von Stuckrad-Barre
       zu Robbie Williams Song „Feel“ tanzen. Was war da los? 
       
       Das war nach seiner Lesung in Frankfurt, die war wie ein Popkonzert. Ich
       war als Gast da, der Sänger Clueso auch. Danach sind wir drei in eine
       Hotelbar gegangen, Clueso hat sich an den Flügel gesetzt, und Stucki und
       ich haben Turnübungen gemacht – nachts um fünf im Steigenberger in der
       Raucherbar. Benjamin ist ein Freund der Familie.
       
       Sie sind ja in einer Promi-Blase groß geworden. 
       
       Mich hat mal Thomas Gottschalk aus der Tanzschule abgeholt. Und ich habe
       Loriot noch kennengelernt! Meine Eltern hatten viele Schauspieler und
       Regisseure als Freunde, Helmut Dietl zum Beispiel. Aber als Kind checkst du
       das noch gar nicht so. Ich habe meinen Vater höchstens mal benutzt, um zu
       den Backstreet Boys zu kommen.
       
       Hellmuth Karasek hatte einen Draht zu den Backstreet Boys? 
       
       Er hat mir eine Einladung zu Echo oder Bambi besorgt, da habe ich ihn dann
       begleitet und mir Autogramme geholt als Dreizehnjährige.
       
       Ihre drei Brüder sind auch alle Kultur- und Medienschaffende. Welche Rolle
       hat da Vitamin B gespielt? 
       
       Netzwerken hilft immer. Der Name hilft. Aber er schadet auch. Mein Vater
       hatte ja auch Feinde in der Welt, die gesagt haben: Der Karasek ist ein
       Alpha-Angeber. Von daher konnte er die Tür aufmachen, aber durchgehen
       musste ich allein.
       
       Was nervt am meisten daran, immer als „Tochter von“ anmoderiert zu werden? 
       
       Die Reduktion nervt mich daran. In manchen Artikeln scheint es, als sei
       meine einzige Leistung mit Mitte dreißig, Tochter von Hellmuth Karasek zu
       sein. Dabei habe ich drei Bücher geschrieben, zwei Staatsexamen in Jura
       gemacht, und zwar mit sehr guten Noten. An sich nervt mich daran aber gar
       nichts, denn ich bin sein Kind, und ich freue mich, dass man sich seiner
       immer noch gern erinnert.
       
       Inzwischen haben Sie selbst zwei Kinder, einen Jungen und ein Mädchen.
       Welcher Beruf ist familienfreundlicher, das Justizwesen oder das
       Showbusiness? 
       
       Am familienfreundlichsten ist das Autorinnendasein, da schreibe ich nachts.
       Ansonsten ist beides so familienfreundlich, wie man es sich macht. Je
       nachdem, wie sehr man sich zerreißt, ob man Schuldgefühle hat. Die
       Selbstständigkeit erleichtert es mir, diese Freiheit hatte ich in der
       Kanzlei nicht.
       
       Liefert das ZDF da Hilfestellung, gibt es Kinderbetreuung beim Dreh? 
       
       Das habe ich bisher noch nie gebraucht, ich habe ja auch einen tollen Mann
       und meine Mutter hilft oft. Aber beim ZDF haben sie schon Verständnis, wenn
       ich sage: Leute, bitte nicht jeden Dreh aufs Wochenende legen. Da kommen
       sie mir entgegen.
       
       Ich habe gehört, dass Sie auch Gedichte mögen. Haben Sie einen Vers im
       Kopf, der zum Beginn der Sendung passt? 
       
       Vielleicht dieser von Ringelnatz: Fand meinen einen Handschuh wieder / Als
       ich den einen verlor, da warf ich den anderen ins Feuer / Und kam mir wie
       ein Verarmter vor / Schweinslederne sind so teuer / Als ich den anderen
       wiederfand / Shakehands, du ledernes Luder / Dein eingeäscherter Bruder /
       Und du und ich im Dreiverband / Da waren wir mächtig / Jetzt sind wir
       niederträchtig. Vor allem „Shakehands, du ledernes Luder“ passt doch super
       zu meiner Show!
       
       4 Jul 2019
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Dann-schlaf-auch-du-von-Leila-Slimani/!5450992
 (DIR) [2] https://www.instagram.com/laurakarasek/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Finn Holitzka
       
       ## TAGS
       
 (DIR) ZDFneo
 (DIR) Feminismus
 (DIR) Fernsehen
 (DIR) Jan Böhmermann
 (DIR) Rezension
 (DIR) Carolin Kebekus
 (DIR) heute show
 (DIR) Shahak Shapira
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Parteichef-Plan von Jan Böhmermann: SPD bestreitet Mitgliedschaft
       
       Der Satiriker Jan Böhmermann behauptet, die SPD-Mitgliedschaft in Köthen
       erlangt zu haben – um Parteichef zu werden. Sachsen-Anhalts SPD
       widerspricht.
       
 (DIR) „Zart am Limit“ auf ZDFneo: Popkulturelles Mau-Mau
       
       Mit den Worten „Ich bin das Sommerloch“ moderierte Laura Karasek die erste
       Folge ihrer neuen Talkshow an. Sie sollte Recht behalten.
       
 (DIR) Carolin Kebekus über „Pussy Terror TV“: „Mal kurz auf den Tisch scheißen“
       
       Feminismus ist nicht mehr bieder, sagt Carolin Kebekus. Die Komikerin
       reitet auf Tampons und will sich ihren Hang zum Vulgären unbedingt
       bewahren.
       
 (DIR) 10. Geburtstag der „heute-show“: Witzig, aber auf die gemütliche Art
       
       Vielen ist die ZDF-Satiresendung „heute-show“ zu seicht. Aber sie erreicht
       stabil gute Quoten – und hat anderen Formaten den Weg geebnet.
       
 (DIR) Shahak Shapira über „Shapira Shapira“: „Du musst auf die Fresse fallen“
       
       Shahak Shapira bekommt seine eigene Comedy-Show. Uns erklärt er, was den
       Deutschen zum Lustigsein fehlt und warum Nazi-Denke nichts mit Politik zu
       tun hat.