# taz.de -- Bluttest in der Schwangerschaft: Eine umstrittene Entscheidung
       
       > Hat ein Ungeborenes das Downsyndrom? Ein Bluttest für werdende Mütter
       > soll Kassenleistung werden – aber nur für Risikoschwangere.
       
 (IMG) Bild: Betroffene und Behindertenverbände protestierten gegen das Stellungnahmeverfahren
       
       Berlin taz | Vor fünf Minuten hat Lisa-Marie P. unterschrieben, vor sieben
       Minuten Tina S., vor einer Stunde Tim S. Sie unterschreiben die
       Internetpetition „Menschen mit Down-Syndrom sollen nicht aussortiert
       werden“. Mehr als 1.500 Leute haben schon unterzeichnet.
       
       Die 20-jährige Natalie Dedreux, die selbst das Downsyndrom hat,
       [1][startete die Petition]. Sie fordert, wie andere Aufrufe auch, dass ein
       umstrittener Bluttest bei Schwangeren zur Diagnose des Downsyndroms keine
       Leistung der gesetzlichen Krankenkassen werden soll.
       
       Der Gemeinsame Bundesausschuss G-BA, in dem Vertreter der Ärzte und
       Krankenkassen sitzen, beriet am Freitag genau darüber – ob nämlich die
       sogenannte [2][nichtinvasive Pränataldiagnostik] (NIPT) bei
       Risikoschwangerschaften künftig von der gesetzlichen Krankenkasse bezahlt
       werden soll. Nach den Beratungen leitete der Bundesausschuss am Freitag
       formell das sogenannte Stellungnahmeverfahren zu den geplanten
       Anwendungsmöglichkeiten des Tests ein.
       
       Wissenschaftliche Fachgesellschaften, die Bundesärztekammer, der Deutsche
       Ethikrat, die Gendiagnostik-Kommission und zahlreiche weitere
       Organisationen seien nun aufgefordert, die vorgesehenen Änderungen der
       Mutterschaftsrichtlinien fachlich zu prüfen, hieß es in der am Freitag
       veröffentlichten Erklärung des G-BA.
       
       Angesichts der Risiken der bisherigen kassenfinanzierten invasiven
       Untersuchungen sehe der G-BA eine „Anerkennung der NIPT“ als „im Einzelfall
       mögliche Leistung im Rahmen der Schwangerenbetreuung als medizinisch
       begründet an“, sagte Josef Hecken, Vorsitzender der G-BA, am Freitag. Es
       gehe „ausdrücklich um die Anwendung des Tests bei Schwangerschaften mit
       besonderen Risiken“ und „nicht um eine Reihenuntersuchung aller
       Schwangeren“. Ein ausschließlich statistisch begründetes Risiko der
       Trisomie 21, also des Downsyndroms, beispielsweise aufgrund des Alters der
       Schwangeren, sei nicht ausreichend, um den Test zulasten der gesetzlichen
       Krankenversicherung in Anspruch nehmen zu können, hieß es in der weiteren
       Erklärung des Ausschusses.
       
       Der Test, auch Praena-Test genannt, wird bisher schon in Praxen der
       Frauenärzte angeboten, wenn Schwangere dies wünschen. Er muss allerdings
       von den Frauen privat bezahlt werden und kostet ab 130 Euro aufwärts, je
       nach Umfang.
       
       Verbände befürchten, dass durch den kassenfinanzierten Bluttest Feten
       künftig noch stärker schon vor der Geburt „aussortiert“ werden könnten.
       „Die grundsätzliche Position der Lebenshilfe ist, dass der Test nicht zu
       einer Kassenleistung werden sollte“, erklärte Peer Brocke, Sprecher der
       Bundesvereinigung Lebenshilfe, im Gespräch mit der taz. Allerdings gebe es
       Stimmen innerhalb der Lebenshilfe, die den Bluttest bei Risikoschwangeren
       als Kassenleistung nicht ablehnen würden, so Brocke.
       
       Vor allem fürchtet man einen [3][wachsenden Rechtfertigungsdruck] auf
       Familien mit behinderten Kindern, sollten die Bluttests eine verbreitete
       Vorsorgemaßnahme werden. Diese Eltern „werden auf der Straße oder beim
       Einkaufen ganz regelmäßig gefragt, ob sie ‚es‘ denn nicht gewusst hätten.
       Klares Signal dafür, dass zum einen die Diagnose einer
       Trisomie-21-Behinderung vor der Geburt eigentlich selbstverständlich ist
       und als Konsequenz daraus ‚selbstverständlich‘ ein Schwangerschaftsabbruch
       erwartet wird“, heißt es in einer Stellungnahme der Lebenshilfe.
       
       ## Kein unmittelbares Risiko für den Fetus
       
       Dies kann auch Heike Meyer-Rotsch bestätigen, Vorsitzende des Vereins
       downsyndromberlin e.V. und Mutter eines Jungen mit Downsyndrom. Der
       „Rechtfertigungsdruck“, den Eltern eines Kindes mit Trisomie 21 jetzt schon
       verspürten, würde „noch verstärkt, wenn der Test Kassenleistung wird“,
       sagte sie der taz. Überall, auf Spielplätzen etwa, würden die Eltern mit
       der Frage konfrontiert, ob sie von der Behinderung nicht vorher hätten
       wissen können. „Dahinter steckt doch die Frage: Wäre es nicht besser, dein
       Kind wäre tot?“, so Meyer-Rotsch. Der Verein ist grundsätzlich dagegen,
       dass der Bluttest Kassenleistung wird.
       
       Natalie Dedreux erklärt in ihrer Petition: „Mein Leben mit Downsyndrom ist
       cool. Aber ich habe Angst, dass es weniger Menschen mit Downsyndrom geben
       wird, wegen dem Bluttest.“
       
       Hecken hatte zuvor schon in einem Interview mit dem Nachrichtendienst epd
       betont, der Test sei vor allem eine „Alternative zu bestehenden
       Untersuchungsmethoden, die mit großen Risiken für Mutter und Kind behaftet
       sind“. Das Downsyndrom konnte man vor Einführung des Tests 2012 in der
       vorgeburtlichen Diagnostik nur durch die Chorionzottenbiopsie oder durch
       die Amniozentese, die Fruchtwasseruntersuchung, diagnostizieren.
       
       Dabei kann der Fetus aber geschädigt werden. Bei 0,5 bis 1 Prozent der
       Schwangerschaften kam es dadurch zu Komplikationen für den Fetus, bis hin
       zur Fehlgeburt. Beim Bluttest wird nur Blut von der Mutter entnommen, ohne
       unmittelbares Risiko für den Fetus. Allerdings gibt es dabei auch falsch
       positive und falsch negative Ergebnisse.
       
       ## Gefahr eines „subtilen gesellschaftlichen Drucks“
       
       Hecken berichtete, viele Frauen und Paare, selbst wenn sie wenig Einkommen
       hätten, bezahlten den Test schon heute aus eigener Tasche. Er sehe aber
       auch die Gefahr, dass es einen „subtilen gesellschaftlichen Druck zu einem
       Screening“ geben werde und dass „Eltern behinderter Kinder gefragt werden:
       Wieso habt ihr den Test nicht gemacht?“
       
       Der Gemeinsame Bundesausschuss habe das Institut für Qualität und
       Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen beauftragt, eine
       Versicherteninformation zu dem Thema zu erarbeiten. Darin, so Hecken, müsse
       „alles zur Sprache kommen, was auch in einer
       Schwangerschaftskonfliktberatung gesagt wird: Was ist eine Trisomie, welche
       Hilfen gibt es für das Kind und die Eltern, welche Einschränkungen kann das
       Kind haben, welche nicht?“ Auch die Frage: „Will man testen lassen?“
       
       Wenn die Stellungnahme vorliegt, will der G-BA voraussichtlich im August
       2019 abschließend entscheiden. Ein Gesetzesverfahren gibt es dazu nicht. Im
       Bundestag ist aber im April eine „Orientierungsdebatte“ zu dem Thema
       geplant.
       
       22 Mar 2019
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://change.org/natalie
 (DIR) [2] /Nachwuchs-mit-Downsyndrom/!5519314
 (DIR) [3] /Praenatale-Diagnostik/!5444677
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Barbara Dribbusch
       
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