# taz.de -- Kommentar Migrationspolitik: Wanderung gehört zum Alltag
       
       > Migration innerhalb des Kontinents ist in Afrika weitaus weniger
       > umstritten als in Europa. Damit ist Afrika im Vorteil.
       
 (IMG) Bild: Angekommen im Sandsturm: Flüchtlingscamp in Dadaab an der keniaschien Grenze zu Somalia
       
       Es ist der uralte panafrikanische Freiheitstraum: offene Grenzen für alle.
       Wenn einmal die europäische Dominanz Afrikas überwunden ist, können auch
       die einst von europäischen Eroberern gezogenen Grenzen zwischen
       afrikanischen Staaten fallen, die künstlich Gesellschaften spalten und
       Brüder und Schwestern voneinander trennen.
       
       Während es in Europa beim Traum vom grenzenlosen Kontinent um das Einebnen
       der eigenen Nationalstaatlichkeit und damit auch tiefverwurzelter
       Identitäten geht, kann sich Afrika beim Niederreißen seiner Grenzen auf die
       Überwindung der Relikte einer verhassten kolonialen Fremdherrschaft berufen
       und auf die Rückkehr zu sich selbst. Deswegen sind Appelle der
       Afrikanischen Union, die Einheit des Kontinents herzustellen, in Afrika
       viel weniger umstritten, als es ähnliche Vorhaben in Europa je sein können.
       
       In der aktuellen globalen Migrationsdebatte ist Afrika gegenüber Europa
       damit entscheidend im Vorteil. Migration und Zuwanderung, ob freiwillig
       oder erzwungen, kann in afrikanischen Staaten nur in Ausnahmefällen zur
       identitätsgefährdenden Bedrohung hochstilisiert werden. Dass Wanderung, ob
       freiwillig oder erzwungen, zum Alltag und zur eigenen Geschichte gehört,
       haben die meisten afrikanischen Gesellschaften längst verinnerlicht – die
       meisten afrikanischen Gründungsmythen und Identitätsgewissheiten beruhen
       auf der Herkunft von anderswo, von Nomaden in den Savannen bis zu
       Wanderarbeitern in den Städten, und auch weltweit gehört die Entwurzelung
       mit der Erinnerung an das Trauma der Versklavung zum Kern schwarzer
       Identitätsstiftung.
       
       [1][Wenn jetzt die Afrikanische Union davon spricht, Migration als
       Normalität zu begreifen], ist dies auch ein Appell an Europa, im Hinblick
       auf Afrika einen Perspektivwechsel zu vollziehen. Wer in Afrika auf
       Abschottung und Migrationsverhinderung setzt, verbaut den Menschen die
       Zukunft.
       
       ## Noch sind in Afrika viele Diktatoren an der Macht
       
       Zwar sind auch in Afrika noch allzu viele Diktatoren am Werk, die genau das
       tun, um sich international einzuschmeicheln, und denen das Schicksal der
       eigenen Bevölkerung herzlich egal ist. Aber eine zukunftsorientierte
       europäische Afrikapolitik sollte sich andere Maßstäbe setzen – und auf
       zukunftsorientierte afrikanische Partner bauen, die es inzwischen ebenfalls
       an höchster Stelle gibt.
       
       Es sollte eigentlich nicht so schwer sein, dass eine Europa verpflichtete
       Europäische Union mit einer Afrika verpflichteten Afrikanischen Union auf
       Augenhöhe über Migrationsfragen spricht. Nicht zuletzt wäre das von
       europäischer Seite ein Akt der historischen [2][Wiedergutmachung für die
       Verbrechen Europas in Afrika]. Die gemeinsamen Herausforderungen eines
       schrumpfenden und alternden Europa und eines rasch wachsenden und
       dynamischen Afrika können nur gemeinsam gelöst werden.
       
       13 Feb 2019
       
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 (DIR) Dominic Johnson
       
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