# taz.de -- Militärmanöver „Trident Juncture 2018“: Elchtest für die Nato
       
       > Krieg spielen, aber ökologisch: Beim größten Nato-Manöver seit 28 Jahren
       > soll Stärke demonstriert werden – und Umweltbewusstsein.
       
 (IMG) Bild: Da geht es lang! Ursula von der Leyen im Camp Rødsmoen
       
       Oslo/Rena taz | Soll niemand sagen, Norwegen nehme es mit dem Umweltschutz
       nicht ernst. Die Drohung ist eindeutig: „Wer gegen die norwegische
       Umweltgesetzgebung verstößt, muss mit gesetzlichen und finanziellen
       Sanktionen rechnen“, warnt das norwegische Verteidigungsministerium in
       einer Broschüre mit dem Titel „Verantwortung für den Umweltschutz“.
       Veröffentlicht in sechs Sprachen, enthält sie auf zwanzig Seiten
       Anleitungen und Richtlinien, die alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer an
       „Trident Juncture 2018“ streng zu beachten haben.
       
       „Trident Juncture 2018“ – das ist der Name des größten Nato-Manövers seit
       dem Ende des Kalten Krieges, an dem 50.000 Soldatinnen und Soldaten
       beteiligt sind. Trainiert wird die gemeinsame Abwehr eines fiktiven
       Gegners. Doch bei dem großen Kriegsspiel sind einige Regeln zu beachten.
       Darauf besteht die norwegische Regierung. Egal, ob gerade die „roten
       Kräfte“ in der Offensive sind oder die „blauen Kräfte“ ihren Gegenangriff
       starten, stets gelte: „Der Umweltschutz ist manövertechnischen Bedürfnissen
       übergeordnet.“
       
       Das bedeutet: „Übungsmunition ist – wenn sie verwendet wurde – wieder
       einzusammeln.“ Auch solle kein Stacheldraht im Übungsgebiet hinterlassen
       werden. Außerdem: „Bereiche mit gepflanzten Nadelbäumen sind verbotenes
       Gelände.“ Und Achtung: „Die eigenmächtige Müllbeseitigung im Übungsgebiet
       ist streng verboten.“
       
       Nicht zu vergessen: „Größere Verschmutzungen sind der Feuerwehr unter Tel.
       110 zu melden.“ Auch die Nummer der Polizei ist in der Umweltbroschüre
       vermerkt. Es ist die 112. Ob die mehr als 8.000 BundeswehrsoldatInnen, die
       sich derzeit in Norwegen befinden, mit diesem für sie ungewohnten
       Zahlendreher zurechtkommen?
       
       Als Ursula von der Leyen am Mittwochmorgen auf dem Flughafen
       Oslo-Gardermoen landet, ist es nasskalt. Die Temperatur liegt knapp über
       dem Gefrierpunkt. Ein feiner Nieselregen ist dabei, den Schnee vom Vortag
       in Matsch zu verwandeln. Wetter- und anlassgerecht mit einer warmen braunen
       Daunenjacke und beigefarbenen Wanderschuhen ausgestattet, entsteigt die
       Bundesverteidigungsministerin der Regierungsmaschine.
       
       Ihr Ziel ist das 170 Kilometer nördlich von Oslo gelegene Örtchen Rena. Nur
       ein paar Minuten davon entfernt befindet sich Norwegens größter
       Truppenübungsplatz. Umrandet von riesigen Kiefernwäldern steht dort nun auf
       einem roten Schotterplatz das größte von 50 Feldlagern, die im ganzen Land
       für das „Trident Juncture“-Manöver aufgeschlagen worden sind. Bis zu 8.000
       SoldatInnen können im Camp Rødsmoen untergebracht werden. Zurzeit sind es
       knapp 4.000, davon 2.300 Deutsche.
       
       Wären da nicht die ganzen Panzer und das sonstige militärische Gerät,
       gliche das Camp einem überdimensionierten Pfadfinderlager: Geschlafen wird
       in großen weißen Zelten für bis zu 500 Personen, die unterteilt sind in
       kleinere Einheiten mit je sechzehn Feldbetten.
       
       Von der Leyen schaut sich auch eines der beiden großen Verpflegungszelte
       an, die bis zu 2.500 Leute fassen. Wer hineintritt, muss erst mal ein
       langes Desinfektionsbecken für die Hände passieren. Auf der Speisekarte
       steht die obligatorische Erbsensuppe, es gibt aber auch diverse Salate –
       und viel Lachs.
       
       Insgesamt hat Deutschland 8.000 SoldatInnen nach Norwegen verlegt und ist
       damit hinter den USA zweitgrößter Truppensteller. „Unsere Bundeswehr kann
       richtig stolz darauf sein, was sie hier leistet“, lobt von der Leyen bei
       ihrem Truppenbesuch.
       
       Der starke deutsche Anteil hängt damit zusammen, dass die Bundeswehr im
       kommenden Jahr die Führung der schnellen Eingreiftruppe der Nato, der „Very
       High Readiness Joint Task Force“ (VJTF), übernehmen wird. In Norwegen will
       sie unter Beweis stellen, dass sie für diese Aufgabe gerüstet ist.
       
       So stammen 4.000 der insgesamt 10.000 eingesetzten Militärfahrzeuge von der
       Bundeswehr, darunter 30 Leopard-Kampfpanzer, 28 Marder-Schützenpanzer und
       67 Fuchs-Transportpanzer. In der Luft ist sie mit vier Tornados, vier
       Eurofightern und einem militärischen Airbus-Transportflugzeug präsent. In
       den norwegischen Gewässern plätschert außerdem das Minenjagdboot Homburg.
       Es verdiene „Respekt und Anerkennung, was die Truppe hier auf die Beine
       stellt“, schwärmt von der Leyen.
       
       Darüber hinaus ist die deutsche Marine gerade auch noch beim parallel
       stattfindenden Seemanöver „Northern Coasts 2018“ vor Finnland mit einer
       Fregatte, einer Korvette sowie drei Minenabwehrbooten vertreten. Bei diesem
       Manöver, an dem 4.000 Soldaten aus 13 Nationen teilnehmen, soll die
       Sicherung der Seewege in der östlichen Ostsee trainiert werden.
       
       ## „Signal der Abschreckung“
       
       Krieg zu spielen ist ein teures Vergnügen. Über die Gesamtkosten von
       „Trident Juncture“ macht die Nato zwar keine Angaben. Bekannt ist
       allerdings, dass sich alleine Deutschland den Spaß etwa 90 Millionen Euro
       kosten lässt. Insgesamt hat das Verteidigungsministerium für die Teilnahme
       der Bundeswehr an multinationalen Übungen und Manövern in diesem Jahr rund
       298 Millionen Euro springen lassen. 2017 waren es 264 Millionen Euro.
       
       Aber welchen Sinn machen solche Manöver überhaupt? Mag „Trident Juncture“
       auch mit fiktiven Fronten arbeiten, lässt die Nato doch keinen Zweifel
       daran, auf wen das Planspiel abzielt: auf Russland. „Damit senden wir ein
       Signal der Abschreckung“, sagt der norwegische Nato-Generalsekretär Jens
       Stoltenberg. „Wir machen das, um Konflikte zu vermeiden, und nicht um einen
       Konflikt zu provozieren.“
       
       Die Putin-Administration spricht demgegenüber genau davon: von einer
       Provokation – und führt nun selbst seit Donnerstag Raketentests in den
       internationalen Gewässern vor Norwegens Westküste durch. Also dort, wo auch
       Kriegsschiffe der Nato kreisen. „Wir zählen auf Russlands
       Professionalität“, hofft Stoltenberg darauf, dass es zu keinem Zusammenstoß
       kommt.
       
       ## Erinnerung an den Kalten Krieg
       
       Tatsächlich hat es eine gewisse Brisanz, dass die Nato ausgerechnet solch
       eine Großübung in einem Land stattfinden lässt, das über eine gemeinsame
       Grenze mit Russland verfügt. Das erinnert an längst überwunden geglaubte
       Zeiten. Bis zur Auflösung des Warschauer Paktes führten die westlichen
       Verbündeten regelmäßig ein solches Schauspiel an der damaligen
       „Systemgrenze“ auf.
       
       Der Vorteil für die Bundeswehr war seinerzeit, dass sie es nicht so weit
       hatte. Return of Forces to Germany“, kurz Reforger, hieß das Nato-Event,
       das von 1969 an jährlich in Westdeutschland stattfand und 1988 mit 124.800
       beteiligten SoldatInnen seinen Höhepunkt fand. Für die Regulierung der
       angerichteten Flurschäden war die bundesdeutsche
       Verteidigungslastenverwaltung zuständig
       
       Das letzte Reforger-Manöver, das größer als „Trident Juncture“ war, fand
       mit 57.300 TeilnehmerInnen im Januar 1990 statt, also wenige Monate nach
       dem Mauerfall. Nach Ende der Sowjetunion kam solch militärische
       Kraftmeierei aus der Mode.
       
       Allerdings darf nicht unterschlagen werden, dass es auch in Russland eine
       Renaissance des Säbelrasselns gibt. Unter Beteiligung chinesischer und
       mongolischer Streitkräfte veranstaltete die Putin-Administration ihrerseits
       erst im September in Sibirien mit „Wostok 2018“ eine riesige Militärübung.
       
       Es sei „so etwas wie die Wiederholung von ‚Sapad 81‘, aber in mancherlei
       Hinsicht sogar noch größer“, schwärmte der russische Verteidigungsminister
       Sergei Schoigu. „Sapad 81“ gilt mit 150.000 Beteiligten als das größte
       Militärmanöver des Warschauer Paktes und fand im September 1981 in Polen
       und Kaliningrad statt.
       
       ## Smalltalk und Händeschütteln
       
       Ob „Wostok 2018“ oder „Trident Juncture“: Deeskalierend wirkt das eine so
       wenig wie das andere. Aber darüber spricht Ursula von der Leyen am Mittwoch
       nicht im Camp Rødsmoen. Stattdessen lobt sie, wie „hochmotiviert“ und
       „hochprofessionell“ die BundeswehrsoldatInnen zu Werke gingen.
       
       Etwa zwei Stunden dauert der Besuch der Ministerin. Dann verlässt sie nach
       etlichen Smaltalks und noch mehr geschüttelten Händen das Lager und fährt
       zurück nach Oslo, wo sie noch kurz ein Logistikcamp der Bundeswehr besucht.
       Am späten Nachmittag steigt sie wieder in ihren Regierungsflieger.
       
       Für die Soldatinnen und Soldaten geht das Manöver noch rund eine Woche
       weiter. Eine ganz besondere Herausforderung sind dabei die in Norwegen
       lebenden Hirsche, Rentiere und Elche. Es sei „sehr wahrscheinlich“, während
       der Übung auf sie zu treffen, heißt es in der norwegischen Umweltbroschüre.
       
       Für diesen Fall gibt es die eindringliche Empfehlung: „Man sollte
       vermeiden, die Tiere dazu zu bringen, sich zu bewegen.“ Wenn „gestresste
       Tiere“ beobachtet werden, sei dies unverzüglich der Schadens- und
       Umweltschutzgruppe zu melden.
       
       Noch bis zum 7. November ist das Camp Rødsmoen in Betrieb. Wenn die weiße
       Zeltstadt abgebaut ist, soll das Gelände wieder aufgeforstet werden, hat
       das norwegische Verteidigungsministerium angekündigt.
       
       1 Nov 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Pascal Beucker
       
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