# taz.de -- Kolumne So nicht: Wenn es „rutscht“ und „wackelt“
       
       > Das Land wackelt, rutscht und kippt, alles scheint kaputt. Die
       > Schriftstellerin Sibylle Berg ruft dazu auf, in Parteien einzutreten –
       > aber was ist mit der Straße?
       
 (IMG) Bild: Was ist wackeliger: die Bundesrepublik oder diese Wippe?
       
       Es könnte dieser Tage das Gefühl entstehen, nicht Indonesien, sondern
       Deutschland sei von einer Naturkatastrophe getroffen worden. Einer, die
       allerdings nicht erst seit ein paar Wochen oder Monaten, sondern schon seit
       einigen Jahren anhält.
       
       Wahlweise „kippt“ das Land (spätestens seit der Bundestagswahl), die
       Stimmung (spätestens seit Sommer 2015), die „Stimmung im Land“, die
       Kanzlerin oder gerne auch einfach „alles“ (schon immer).
       
       Was noch nicht gekippt ist, ist auf jeden Fall schon mal „ins Rutschen
       geraten“. Meistens ist es das „Etwas“. Das „Etwas“ ist nämlich sehr schön
       vage und noch viel vager als „das Land“ oder „die Stimmung“. Und Vages
       macht sich im Populismus immer gut. Populisten sind natürlich immer die
       anderen und nie man selbst.
       
       Es war der Vorsitzende der Innenministerkonferenz Markus Ulbig (CDU,
       Sachsen), der im Frühjahr 2017 bei der Vorstellung der Kriminalstatistik
       2016 raunte: „In Deutschland ist etwas ins Rutschen geraten.“ Was ist
       dieses Etwas? Hat es eine Meldeadresse und sitzt öfter mal in Talkshows?
       
       ## Schnell gestopptes Rutschen
       
       Wie auch immer, im Jahr darauf wurden 10 Prozent weniger Verbrechen
       registriert. Medien erklärten schnell, die polizeiliche Kriminalstatistik
       (PKS) sei nur begrenzt aussagefähig, weil nur Taten abgebildet würden, um
       die sich die Polizei [1][„gerade besonders kümmert“]. Aha.
       
       Der Minister hatte seine Diagnose zu 2016 mit „Angriffen auf Polizisten und
       Vollzugsbeamte“ begründet. Entweder war also seine Stellungnahme zur PKS
       2016 maßlos übertrieben oder das Rutschen konnte innerhalb eines Jahres
       gestoppt werden. Dann wäre es aber auch wirklich vorbei.
       
       Dass viele zurechnungsfähige Menschen, Politiker und Journalisten es
       trotzdem überall als rutschig empfinden und die Kanzlerin weiter „wackeln“
       lassen, ist nur mit Glatteis zu erklären, auf das sie sich von den
       Populisten haben führen lassen. In der taz lautete schon 2012 eine
       Überschrift „[2][Die Kanzlerin wackelt]“. Die Deutsche Welle fragte da
       immerhin noch „Wackelt die eiserne Euro-Kanzlerin?“
       
       ## Die Straße den Rechten
       
       Wo es wackelt, rutscht und kippt, gibt es in der Regel einen Handwerker,
       der die Dinge repariert. Derzeit scheint es immer mehr Leute zu geben, die
       gern mithandwerkern würden. Das ist ja eigentlich toll. Die
       Schriftstellerin Sibylle Berg [3][ruft nun dazu auf], politisch aktiv zu
       werden und in „etablierte, nicht perfekte Parteien“ wie die „Grünen“
       einzutreten.
       
       Nichts dagegen. Aber warum sollte ein Parteieintritt ausgerechnet bei den
       Grünen das Rutschen, Wackeln und Kippen effektiver beenden, als wenn man
       sie einfach wählt? Früher hätte man politisch aktiv so verstanden, dass man
       Dinge außerhalb des Bundestags organisiert, Happenings, krasses Theater,
       Demos, solche Dinge. Aber fast scheint es so, dass man die Straße heute
       lieber den Rechten überlässt.
       
       2 Oct 2018
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.spiegel.de/panorama/justiz/polizeiliche-kriminalstatistik-so-gefaehrlich-ist-es-in-ihrer-region-a-1144617.html
 (DIR) [2] /!609372/
 (DIR) [3] http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/kampf-gegen-rechts-ran-an-die-arbeit-kolumne-von-sibylle-berg-a-1230421.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Doris Akrap
       
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