# taz.de -- Erste Höfe mit bioveganem Siegel: Kugelmann hat ausgemistet
       
       > Bernd Kugelmann ließ Tierdünger im Labor prüfen und fand: Keime,
       > Schwermetalle, Antibiotika. Seitdem arbeitet sein Bauernhof ohne die
       > Tierreste.
       
 (IMG) Bild: Biobauer Bernd Kugelmann mit seinem veganen Dung
       
       Kandel taz | Die Stunde der Wahrheit schlägt beim Kroaten. Bernd Kugelmann
       ist einer von zwei Bauern in Deutschland, die das Siegel für
       „biozyklisch-veganen Anbau“ erhalten haben – das erste unabhängig geprüfte
       Gütezeichen für biovegane Landwirtschaft. Aber jetzt bestellt Kugelmann
       Pizza „Rossa“ mit Käse, scharfer Salami und obendrauf noch Parmesan.
       
       Kugelmann, 52, stämmig, wohlbeleibt, ist ein bioveganer Bauer, der Fleisch
       verspeist. Ist er ein Heuchler?
       
       Veganer lehnen die kommerzielle Tierhaltung ab. Doch auch pflanzliche
       Nahrung wie Gemüse wird oft mit Mitteln erzeugt, die aus der Viehhaltung
       stammen: zum Beispiel mit Mist aus Ställen, der im Ackerbau als Dünger
       benutzt wird. Anders als konventionelle Landwirte dürfen Biobauern aber
       nicht auf Kunstdünger ausweichen. Kugelmanns vegane Biolandwirtschaft soll
       der Ausweg aus diesem Dilemma sein.
       
       Kugelmanns Hof befindet sich am Rand der rheinland-pfälzischen Stadt
       Kandel, nicht weit entfernt von Frankreich. Einer seiner Äcker liegt
       zwischen zwei riesigen Windkraftanlagen. Man hört den eisigen Wind um die
       Rotoren sausen. Auf dem hellbraunen feuchten Lehmboden stehen wenige
       Zentimeter hohe Pflanzen mit grünen Blättern: Feldsalat. Arbeiter aus
       Rumänien schneiden die Pflänzchen mit einem Messer ab und legen sie in
       Plastikkästen. „Die Qualität ist gut, die Menge auch“, sagt Kugelmann
       zufrieden.
       
       ## Kein Mist tierischer Herkunft im Silo
       
       Das geht nur, weil die Pflanzen Nährstoffe auch aus Dünger bekommen. Anders
       als in der Biolandwirtschaft üblich bringt Kugelmann aber keinen Mist
       tierischer Herkunft aus. Stattdessen setzt er auf Kompost. Drei bis vier
       Meter hoch lagert er die schwarzbraune Masse in einem offenen Silo. Wenn
       man die Hand in den Kompost steckt, fühlt man, wie warm es da drinnen ist.
       Die Mikroben, die hier ihr Werk tun, zersetzen die Gartenabfälle, die
       Kugelmann von der Gemeinde bekommen hat, zu fruchtbarer Erde. Die verteilt
       Kugelmann dann auf seinen Feldern.
       
       Auf diese Ideen kam Kugelmann nach dem Ausbruch des Ehec-Keims im Jahr
       2011. Damals starben mehr als 50 Menschen, weil Sprossen mit Bakterien
       verseucht waren. Während der Epidemie ging die Vermutung um, dass der Keim
       über den Mist auf die Felder und so in das Gemüse gekommen sei. Noch bevor
       sich das als falsch herausstellte, habe eine große Supermarktkette eine
       Garantie verlangt, dass er sein Gemüse ohne tierische Dünger erzeugt,
       erzählt Kugelmann. „Da habe ich gedacht: Irgendetwas ist da faul.“
       
       „Ich hatte tatsächlich ‚Pellets 105‘ hier: Das sind Schweineborsten mit
       Federmehl gemischt“, sagt Kugelmann. Diesen Stickstoffdünger habe er dann
       im Labor untersuchen lassen. „Und da war wirklich alles Mögliche drin:
       Keimbelastungen ohne Ende, Schwermetalle und natürlich auch
       Antibiotika-Rückstände.“
       
       Solche Dünger aus Tierresten sind auch in der Biolandwirtschaft erlaubt,
       auch wenn ihr Rohmaterial aus konventionellen Schlachthöfen kommt. „Da wird
       zum einen das System der Massentierhaltung unterstützt“, sagt Kugelmann.
       „Und zum anderen ist das auch eine gesundheitliche Frage: Die Leute, die
       Biolebensmittel kaufen, gehen natürlich nicht davon aus, dass solche
       Rückstände im Gemüse drin sein könnten.“ Es gebe Studien, wonach etwa die
       Antibiotika-Rückstände von den Kulturpflanzen aufgenommen werden, „also die
       Möhre oder der Kohl enthält dann eben auch Reste von diesen Stoffen“.
       
       Ob die Mengen tatsächlich gefährlich sind, ist unklar. Das
       Bundeslandwirtschaftsministerium zitiert in einer Stellungnahme für die taz
       eine Einschätzung von 2009, dass „auf Basis der bisher vorliegenden Daten“
       und nur „aus toxikologischer Sicht“ kein Risiko für den Verbraucher zu
       erwarten sei. Allerdings hielten Fachleute dabei ausdrücklich fest:
       Inwieweit Antibiotika-Resistenzen entstehen, wenn Menschen lange Zeit
       geringen Dosen der Medikamente ausgesetzt werden, sei „nicht abschließend
       einschätzbar“.
       
       ## Weg von der Tierhaltung – warum?
       
       Kugelmann stört an diesem Dünger auch, dass er energieaufwändig produziert
       wird. Die Schweineborsten zum Beispiel müssten erst getrocknet werden.
       „Dann kommt das Zeugs teilweise aus Südostasien, weil die es noch billiger
       anbieten. Im Endeffekt hat das nichts mehr mit Bio zu tun. Der Dünger ist
       umweltschädlicher als Kunstdünger von BASF und dann noch gefährlicher.“
       Kugelmanns Konsequenz: „Seit der Ehec-Krise habe ich nichts mehr gekauft,
       was tierische Inhaltsstoffe hat.“
       
       Schon während seiner Ausbildung ging Kugelmann auf Distanz zur
       profitorientierten Tierhaltung. „Ich musste zu einem Schweinezuchtbetrieb
       mit Ferkeln“, erinnert er sich. Die Sauen waren in Metallgerüsten
       eingesperrt. Dennoch erdrückten sie Ferkel, wenn sie sich hinlegten – so
       eng ist es in modernen Ställen, so zahlreich sind die Würfe der
       hochgezüchteten Schweinerassen. „Das kleinste hatte sowieso null
       Überlebenschance. Jeden Morgen hast du dann die erdrückten Tiere
       rausgetragen“, sagt Kugelmann. „Nein. Das ist so ein Elend. Damit will ich
       nichts zu tun haben. Deshalb habe ich gesagt: Ich mache hier einen
       Gemüsebaubetrieb.“
       
       Nun könnte man denken: Na, der wird doch bestimmt mehr für sein veganes
       Gemüse kassieren.
       
       Aber Kugelmann bestreitet das. Wenn die Arbeiter in seiner Packhalle all
       den Chinakohl, die Zucchini oder Lauch verpacken, dann kleben sie das
       Bio-Siegel, aber nicht das grün-weiße Logo des biozyklisch-veganen Anbaus
       auf die Ware. Weder seine konventionellen Kunden wie Edeka, Real oder Netto
       noch Biofächhändler wollten das, sagt der Landwirt. Sie hätten Angst, dass
       neben bioveganer die übrige Ware schlecht aussehen würde.
       
       ## Kritik kommt aus der Biobranche
       
       Kugelmann hofft jetzt, dass vegane Organisationen dem Siegel zum Durchbruch
       verhelfen. Außerdem baut er einen Onlineshop auf. Und er hat den Verein
       Biozyklisch-Veganer Anbau gegründet. In Deutschland kontrolliert die
       Biokontrollstelle Lacon bei Betrieben, die zertifiziert werden wollen, ob
       sie die Regeln einhalten.
       
       Aber in der Biobranche stößt Kugelmann auf Ablehnung. Kritiker wie Bioland
       argumentieren mit dem Prinzip des Nährstoffkreislaufs: Demnach sollen
       Ökobetriebe so wenig wie möglich Stoffe von außen zuführen. Das soll
       umweltschädliche Verluste wertvoller Nährstoffe vermeiden.
       
       „Mit Tierhaltung, vor allem mit Wiederkäuern, sind die Kreisläufe nach
       unseren Vorgaben besser zu erreichen“, sagt Bioland-Präsident Jan Plagge.
       Um auf natürlichem Wege Stickstoff in ihren Betrieb zu bringen, säen viele
       Bioackerbauern Kleegras, das den Nährstoff im Boden fixiert. Biovegane
       Landwirte müssen es auf dem Feld liegen lassen. Sie können es nicht
       verfüttern an Kühe zum Beispiel.
       
       „Viele Biobetriebe schließen ihren Betriebskreislauf überhaupt nicht,
       sondern kaufen Dünger aus Asien“, kontert Kugelmann solche Einwände. Ein
       Viertel aller Biobetriebe habe kein Vieh.
       
       „Wenn sie die Regeln der biozyklisch-veganen Landwirtschaft einhalten,
       werden solche Betriebe genauso nachhaltig sein wie andere viehhaltende und
       viehlose Biobetriebe“, urteilt Ralf Loges, Agrarwissenschaftler der
       Universität Kiel. Die Humusbilanz von Kugelmanns Hof sei gut. Loges sagt:
       „Hut ab vor der veganen Wirtschaftsweise, das löst viele Umweltprobleme.“
       
       Allerdings sei „biozyklisch“, was einen geschlossenen Kreislauf suggeriert,
       hier „eine bisschen irreführende Werbung: Es ist nicht ganz okay, mit
       ‚biozyklisch‘ als Waffe in den Kampf zu ziehen und genauso wie alle anderen
       von außen Nährstoffe zu kaufen.“
       
       ## Kugelmann, der Pragmatiker
       
       Aber Kugelmann ist eben pragmatisch. Ökonomisch funktioniert seine
       biovegane Landwirtschaft. Sein Hof ist mit 50 Hektar für einen
       Biogemüsebetrieb groß. Er kann sich Angestellte und Urlaub leisten, keine
       Selbstverständlichkeit in der Landwirtschaft. „Die Ernten sind auch nicht
       schlechter geworden, seit wir biovegan produzieren“, sagt Kugelmann.
       
       Pragmatisch ist auch Kugelmanns Definition von veganer Landwirtschaft. Ein
       Beispiel: Die Bauern dürfen Nützlingsinsekten einsetzen. Es ist also
       erlaubt, etwa Blumenwanzen zu kaufen und sie dann auf die Blattläuse auf
       dem Feld loszulassen. „Es gibt halt Zwänge“, sagt Kugelmann. „Denen muss
       man sich aussetzen. Sonst wird es zu kompliziert. Man muss Kompromisse
       finden.“
       
       Dieser Maxime folgt er auch im kroatischen Restaurant. Seine Begleitung,
       eine überzeugte Veganerin, studiert lange die Speisekarte und befragt den
       Kellner. Aber das Ergebnis sieht nicht so verlockend aus. Kugelmann
       bestellt lieber Pizza mit Fleisch. Es sei natürlich „ein Zwiespalt“, wenn
       er vegan anbaue und Fleisch esse. „Aber es gibt hier einfach zu wenig
       vegane Angebote.“
       
       Er bezeichnet sich auch gar nicht als Veganer. „Ich bin dafür, den
       Fleischkonsum zu reduzieren“, sagt der Bauer. Und zu weniger Tierhaltung
       trägt er ja auch bei – zumindest auf seinem Hof.
       
       9 Feb 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jost Maurin
       
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