# taz.de -- Gendergerechte Sprache international: Der * Die * Das * Wer * Wie * Was?
       
       > Deutsche Leser*innen und Schreiber_innen haben zahlreiche Möglichkeiten,
       > Sprache gendergerecht zu benutzen. Wie sieht das in anderen Ländern aus?
       
 (IMG) Bild: Ob mit Binnen-I oder Gender-Sternchen, Klammeraffe oder Pünktchen: Gendern Sie drauf los!
       
       Hebräisch 
       
       Wie funktioniert's ? 
       
       Im Hebräischen ist alles gegendert, selbst das Verb in der Ich-Form, „ich
       tanze“, heißt für einen Mann ani roked, für eine Frau ani rokedet. Subjekt,
       Prädikat, Adjektiv und sogar Personalpronomen sind im Hebräischen immer
       weiblich oder männlich. Das eigentliche Problem aber ist, dass nahezu
       ausschließlich die männliche Form angewandt wird, und sie die sprachlich
       richtige ist; sobald auch nur ein Mann zur Gruppe gehört, von der gerade
       die Rede ist, helfen Tausend Frauen nicht, um die weibliche Pluralform zu
       rechtfertigen.
       
       Was geht sonst? 
       
       Die Regel zu ignorieren, ist der einzige Weg des Protestes. Entweder frau
       nutzt nur noch die weibliche Endung oder sie vermischt die beiden und macht
       es mal so, mal so. Möchte man beide Formen in einem Wort darstellen, wäre
       das ani roked/et oder im Plural anachnu rokdim/ot. Die wenig verbreitete,
       dafür feministischere Schreibweise wäre mit Punkt und der weiblichen Form
       zuerst: rokdot.im.
       
       Wer sagt was? 
       
       Die sozialdemokratische Abgeordnete Merav Michaeli kämpft seit fünf Jahren
       allein in der Knesset für eine gendergerechte Sprache. Dass sie im Plural
       überwiegend die weiblichen Endungen nutzt, findet der israelische
       Journalist Jossi Verter „dumm und kindisch“, denn es sei falsches
       Hebräisch. Die Frauenzeitschrift At (Du, feminin) entschied allerdings
       kürzlich, ihre Leserinnen gendergerecht anzusprechen. Nur wenn es ums
       Kochen, um die Kindererziehung oder den Hausputz geht, bleibt die männliche
       Pluralform. [1][(SUSANNE KNAUL)]
       
       ***
       
       Spanisch 
       
       Wie funktioniert's ? 
       
       Auf Spanisch gibt es das el (er) und das la (sie), todos meint alle, egal
       ob nur Männer oder Männer und Frauen – oder auch einen Mann und viele
       Frauen. In einer reinen Frauengruppe sind alle todas.
       
       Was geht sonst? 
       
       Es gibt Versuche, el und la oder todos und todas mit dem Einfügen eines @
       oder eines X zu vereinen. Diese sind aber noch immer linken und
       feministischen Kreisen vorbehalten; die Formen tod@s und l@s oder todxs und
       lxs sind wenig verbreitet.
       
       Wer sagt was? 
       
       Die Feminisierung des argentinischen Castellano, also der Schriftsprache,
       steht nicht auf der gesellschaftlichen Tagesordnung. Zwar ist die spanische
       Sprache eindeutig männerdominiert, trotzdem hat die Sichtbarkeit der Frauen
       zugenommen. Befördert hat dies der unterschwellige ideologische Streit
       während der beiden Amtszeiten von Expräsidentin Cristina Kirchner (2007 bis
       2015). Während Kirchners Anhängerschaft von ihrer presidenta sprach, blieb
       der Großteil der Opposition stur beim presidente. [2][(JÜRGEN VOGT)]
       
       ***
       
       Türkisch 
       
       Wie funktioniert's ? 
       
       Sternchen und Binnen-I braucht die türkische Sprache nicht, weil Pronomen
       und auch die meisten Nomen genderfrei sind. Mit einem schlichten o kann er
       oder sie gemeint sein, kann von einer Krankenschwester, einem
       Krankenpfleger, einer Krankheit oder aber von einer kranken Sau gesprochen
       werden. Bu kadın çiftçi heißt: „Diese Frau ist eine Landwirtin.“ Bu adam
       çiftçi heißt: „Dieser Mann ist ein Landwirt.“
       
       Was geht sonst? 
       
       Gendergerecht verwendet wird die Sprache deswegen noch lange nicht. Obwohl
       die türkische Grammatik das gendergerechte Denken ermöglicht, wird die
       Sprache sehr frauenfeinlich, homo- und transphob verwendet. Das Wort adam
       zum Beispiel bedeutet Mann und steht für positive Eigenschaften. „Die Frau
       ist wie ein Mann“ (Adam gibi kadın) meint, dass sie je nach Kontext stark,
       geschickt oder ehrlich ist.
       
       Wer sagt was? 
       
       Feministische und LGBTIQ*-Aktivist*innen versuchen seit den 90er Jahren,
       eine gendergerechte Verwendung der türkischen Sprache durchzusetzen. Die
       Gezi-Proteste haben diesen Bemühungen zwar Auftrieb verschafft, doch selbst
       in der linken Szene ist die patriarchale Sprache noch immer die dominante.
       [3][(SIBEL SCHICK)]
       
       ***
       
       Französisch 
       
       Wie funktioniert's ? 
       
       Die französische Sprache kennt grundsätzlich zwei Geschlechter: männlich
       und weiblich. Das Neutrum existiert nur mit dem etwas anonymen on (man).
       Ein Landwirt ist ein agriculteur, eine Landwirtin eine agricultrice. Auch
       Adjektive oder reflexive Verben lassen erkennen, ob eine Person männlich
       oder weiblich ist; bei einer Gruppe ist die Anwesenheit eines einzelnen
       Mannes ausschlaggebend.
       
       Was geht sonst? 
       
       Ein kleiner Punkt in der Mitte verhilft dem Französischen zu einer
       inklusiven Form, die versucht, beide Formen in einem Wort zu vereinen; so
       wäre das französische Pendant zu „Landwirt_in“ beispielsweise
       agriculteur·rice. „Die Männer und Frauen haben sich getroffen“ wäre
       demnach: Les hommes et les femmes se sont rencontré·e·s.
       
       Wer sagt was? 
       
       In einem zentralisierten Land wie Frankreich, das mit der von Kardinal
       Richelieu gegründeten Académie française oberste Hüter des korrekten
       Schreibens hat, ist die Regelung der Sprache eine klare Männerdomäne.
       Entsprechend wird seit dem 17. Jahrhundert die maskuline Dominanz in der
       Grammatik verbissen verteidigt. Eine Abgeordnete wird also als Madame le
       député angesprochen. Als ein Schulbuchverlag kürzlich die oben beschriebene
       inklusive Schreibform vorschlug, löste dies bei diesen Wächtern der
       Tradition [4][eine Welle der Empörung aus]. Der Regierungschef persönlich
       hat im amtlichen Französisch den Gebrauch dieser Schreibweise verboten, die
       sich in der ebenfalls französischsprachigen Schweiz oder im kanadischen
       Québec bereits durchsetzt. [5][(RUDOLF BALMER)]
       
       ***
       
       Schwedisch 
       
       Wie funktioniert's ? 
       
       Grundsätzlich halten es die SchwedInnen – wie es sich für das Land ja
       gehört – neutral. Schwedische Personalpronomen unterscheiden sich nur in
       der 3. Person Singular. „er“ und „sie“ wird übersetzt mit han und hon. Sehr
       viele Berufsbezeichnungen sind neutral: Bauer wie Bäuerin heißt bonde, die
       entsprechenden TV-Dating-Sendungen also „Bonde söker fru“ und „Bonde söker
       man“; „Bauer/Bäuerin sucht Frau/Mann“.
       
       Was geht sonst? 
       
       Soweit Berufsbezeichnungen nicht sowieso neutral sind, werden sie gern
       neutral gemacht. Statt der Endung -man oder -kvinna, kann man -person
       benutzen. So wird etwa aus dem talesman (Sprecher/Sprecherin) zunehmend
       eine talesperson, für byggherre (Bauherr) wird byggaktör vorgeschlagen.
       Manchmal wurde auch die jeweils andere Geschlechtsform neu gebildet: Neben
       dem früheren idrottsman (für Sportler und Sportlerin) gibt es schon länger
       die idrottskvinna (Sportlerin). Bezüglich der Pronomen wurde 2015 das
       geschlechtsneutrale hen als Alternative zu han und hon in die Wortliste der
       Schwedischen Akademie aufgenommen.
       
       Wer sagt was? 
       
       Nach der Definition des Språkrådet (Sprachenrats), der offiziellen
       schwedischen Sprachpflegeinstitution, kann hen als Alternative zu han und
       hon verwendet werden, wenn die Geschlechtsidentität unbekannt oder
       unwesentlich ist, unklar bleiben soll oder für Personen, die nicht in den
       Gruppen „Mann“ und „Frau“ kategorisiert werden wollen. Hen war seit den
       1960er Jahren immer mal wieder diskutiert worden, 1975 erstmals auch im
       Parlament. Seit Mitte der Nullerjahre hatte es sich vor allem im Netz
       ausgebreitet. Im Jahr 2014 wurde hen erstmals in einem Gewerkschaftsstatut
       und 2015 in einem Gesetzestext verwendet. [6][(REINHARD WOLFF)]
       
       22 Jan 2018
       
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