# taz.de -- Geldsegen in der Hauptstadt: Auch Reiche haben Probleme
       
       > Tilgen oder investieren? Die rot-rot-grüne Koalition muss zu Jahresbeginn
       > über anderthalb Milliarden Euro entscheiden – zusätzlich zum gerade erst
       > beschlossenen Doppelhaushalt.
       
 (IMG) Bild: Finanzsenator, Bausenatorin: ratlos
       
       Erst seit einer Woche ist der Doppelhaushalt für die Jahre 2018 und 2019
       beschlossen – und doch noch in Bewegung. Dafür sorgt eine Nachricht, die
       grundsätzlich eine positive ist: Das aktuelle Haushaltsjahr wird nämlich
       absehbar mit einem Überschuss von rund anderthalb Milliarden Euro enden.
       Das stellt die rot-rot-grüne Regierungskoalition vor die Frage: Was tun mit
       dem Geld? Stärker Schulden tilgen, lautet die Antwort von Finanzsenator
       Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) – mehr investieren, meint dagegen die
       Linksfraktion.
       
       Der am 14. Dezember beschlossene Etat sieht für das Jahr 2018 Ausgaben von
       28 Milliarden Euro, für 2019 von 29 Milliarden Euro vor, jeweils 80
       Millionen Euro davon für die Schuldentilgung. Dieser Betrag steht als
       Mindestsumme im Koalitionsvertrag von SPD, Linkspartei und Grünen – weniger
       darf Berlin nicht tilgen, weil es weiter Hilfen vom Bund und von anderen
       Bundesländern erhält.
       
       ## 59 Milliarden Euro Altschulden
       
       Denn das Land braucht zwar – anders als bis zum Jahr 2011 – keine neuen
       Kredite mehr aufzunehmen, um seinen Haushalt zu stemmen, hat aber weiter
       über 59 Milliarden alter Schulden. Und dafür fallen Zinsen an.
       
       Vor allem die Linkspartei hatte die Festlegung im Koalitionsvertrag
       durchgesetzt: Sie hatte jahrelang dem Milliarden tilgenden rot-schwarzen
       Vorgängersenat vorgeworfen, über dem Schuldenabbau die Investitionen zu
       vernachlässigen. Der neue Doppelhaushalt enthält darum auch Investitionen
       in bislang nicht gekannter Höhe, etwa für Schulbau und -sanierung.
       
       Die besagten anderthalb Milliarden hingegen stehen noch unverplant im Raum,
       sie kommen wie ein Nachschlag daher. Zum kleineren Teil sind sie dadurch
       entstanden, dass geplante Vorhaben nicht verwirklicht wurden und das dafür
       vorgesehene Geld deshalb nie die Haushaltskasse verließ – etwa weil Planer
       oder Baufirmen fehlten. Zum größeren Teil aber sind noch niedrigere
       Zinszahlungen als erwartet und vor allem Steuereinnahmen, die deutlich über
       den Prognosen liegen, dafür verantwortlich.
       
       ## Linke will investieren
       
       Für die Linksfraktion ist das kein Argument, mehr Schulden zu tilgen. Sie
       geht von der Annahme aus, dass jede Investition Schulden von morgen
       vermeidet: weil eine vor sich hin rottende Infrastruktur künftig mehr Geld
       kosten würde als eine, in die man regelmäßig investiert. „Wir sind nach wie
       vor der Auffassung, das gilt, was im Koalitionsvertrag steht: mindestens 80
       Millionen“, sagte der haushaltspolitische Sprecher der Linksfraktion,
       Steffen Zillich, der taz.
       
       Davon abweichen will er nur, wenn Berlin Gefahr läuft, in ein so genanntes
       strukturelles Defizit zu geraten – eine komplizierte Berechnung, auf die
       der Finanzsenator regelmäßig verweist. Zillich will deshalb erst die
       Jahresabrechnung abwarten, die im Januar erwartet wird – dann werde man
       genau sehen, was bleibt. „Der Schwerpunkt sollte aber auf Investitionen
       liegen“, sagt er.
       
       Von SPD-Mann Kollatz-Ahnen heißt es, er würde als Finanzsenator zwar auch
       investieren, aber die Festigung des Haushalts, die sogenannte
       Konsolidierung, nicht aus den Augen verlieren wollen. Seine
       Senatsverwaltung bestätigte der taz eine angestrebte Tilgung von bis zu 900
       Millionen Euro, die aber noch auf einer Prognose beruhe. Das wären fast
       zwei Drittel der erwarteten 1,5 Milliarden Euro Überschuss. Hintergedanke
       dabei ist, möglichst viele Schulden zu tilgen, bevor die Zinsen wieder
       steigen und jährlich nicht mehr wie derzeit 1,3 Millionen Euro an
       Zinszahlung fällig sind, sondern wieder das Doppelte – wie noch vor zehn
       Jahren.
       
       ## Grüne wollen alles
       
       Die Grünen als dritter Koalitionspartner nehmen offenbar eine
       Mittelposition ein. Haushaltspolitiker Daniel Wesener, zugleich
       parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen-Fraktion, hält ein
       Entweder-oder für ein Relikt aus Zeiten, als noch weit weniger Geld zur
       Verfügung stand „Wir können sowohl die Investitionen hochfahren als auch
       die Tilgung“, sagte er der taz. Dass mehr als die vorgesehenen 80 Millionen
       in den Schuldenabbau gehen müssen, steht für ihn fest: „Wir werden mehr
       tilgen.“
       
       Seiner Fraktion schwebt zudem vor, Geld in die Versorgungsrücklage für
       pensionierte Beamte zu stecken – ist da nicht genug drin, gibt es bei der
       anstehenden Pensionierungswelle Probleme. Grundsätzlich sind für Wesener
       auch Investitionen Schuldenabbau: „Ein Sanierungsstau sind versteckte
       Schulden.“ Er verweist aber auch darauf, dass es nicht weiter führe, wenn
       das Geld allein als Investition verbucht werde – „es muss ja auch
       ausgegeben werden, und da hat Berlin hat das bekannte Umsetzungsproblem.“
       
       Regierungschef Michael Müller (SPD) hat bei der abschließenden Debatte vor
       dem Haushaltsbeschluss eine klare Botschaft an seine Koalition gesandt.
       „Wir müssen die guten Jahre auch nutzen, um von den 59 Milliarden Euro
       Schulden los zu kommen“, sagte er vor einer Woche im Abgeordnetenhaus. Ende
       Januar will der Senat in Klausur gehen. Der Umgang mit auch künftig zu
       erwartenden Überschüssen könnte dort eine wichtige Rolle spielen.
       
       22 Dec 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Stefan Alberti
       
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