# taz.de -- Holocaustleugner im Gefängnis: Freiheit für Horst Mahler?
       
       > Er wollte nach Ungarn fliehen, jetzt sitzt Horst Mahler wieder im
       > Gefängnis. Gut möglich, dass er dort stirbt. Ist das richtig? Ein
       > Haftbesuch.
       
 (IMG) Bild: Horst Mahler wartet am Flughafen Budapest auf seine Abschiebung nach Deutschland, Juni 2017
       
       BRANDENBURG AN DER HAVEL taz | Man habe ihn umbringen wollen, sagt er. Vor
       zwei Jahren, als er in Haft zusammenbrach, sei er nicht richtig behandelt
       worden. Und nun, da das nicht geklappt habe, wolle man ihn einsperren, für
       immer. „Ich weiß doch, was los ist.“
       
       Horst Mahler streicht über die Tischkante aus hellem Holz. Seine ruhige
       Stimme gerät ins Spöttelnde. Aber gut, sagt er. Er sei ja im Kampf. „Ich
       wäre doch ein Depp, wenn mich das umwerfen würde. Ich rechne mit allem, bis
       zum bitteren Ende.“
       
       Jetzt ist er also wieder hier. JVA Brandenburg, hinter hohen grauen Mauern
       und Stacheldraht. Fünf schwere Türschlösser müssen aufgehen, bis man zu ihm
       vordringt. Horst Mahler war Anwalt, Ikone der Achtundsechziger,
       RAF-Kämpfer, dann nach rechts abgedrifteter NPD-Mann. Zuletzt war er auf
       der Flucht, vom Berliner Vorort Kleinmachnow nach Ungarn. Mit 81 Jahren.
       
       Nun sitzt Mahler im Besucherraum der JVA Brandenburg. Grelles Licht,
       grau-rote Wände, sonst nur fünf Tische und ein leerer Garderobenständer.
       Ein JVA-Bediensteter hatte Mahler im Rollstuhl in den Raum geschoben.
       Mahler sieht etwas blass aus, aber rüstig. Weiße Bartstoppeln, Glatze,
       randlose Brille, wacher Blick. Sein beiger Pullover, den alle Inhaftierten
       tragen, hat einen ausgebeulten Kragen. Aus Mahlers linkem Hosenbein ragt
       eine silberne Prothese hervor. Im Sommer 2015 haben Ärzte ihm den
       Unterschenkel wegen einer Wundentzündung und Blutvergiftung amputiert.
       Mahler leidet an Diabetes, auch sein Herz und seine Nieren sind
       angegriffen.
       
       Mahlers Stimme ist etwas vernuschelt, seine Worte aber wägt er mit höchstem
       Bedacht. Er kann energisch werden, schlägt mit der flachen Hand auf den
       Tisch. Er ist die zwei Stunden des Treffens immer auf „Hab acht!“ Wie’s ihm
       gerade gehe? „Es geht so.“
       
       ## Briefe in akkurater Schönschrift
       
       Mahler hatte das Gespräch zugesagt, dann wieder abgesagt, dann nur unter
       der Bedingung zugelassen, dass kein JVA-Bediensteter dabei ist. Es klappt,
       als darauf auch die taz besteht. Eingefädelt wurde dies über Briefe, von
       Mahler in akkurater Schönschrift verfasst.
       
       Horst Mahler ist verurteilt wegen Volksverhetzung. Weil er im Internet „zum
       Kampf der Deutschen gegen die Juden“ aufrief und den Holocaust leugnet,
       immer und immer wieder. In Berlin, Hamburg, München und Potsdam stand er
       vor Gericht. Teils hatte er sich selbst angezeigt. Am Ende wurde Mahler zu
       einer Gesamtstrafe verurteilt: zehn Jahren und zwei Monaten. Als Mahler im
       Jahr 2006 eine erste Haftstrafe antrat, tat er dies mit einem Hitlergruß.
       Nochmal elf Monate Gefängnis oben drauf. Sein Haftentlassungstermin, Stand
       jetzt: Oktober 2020.
       
       In der JVA schrieb Mahler ein neues antisemitisches Pamphlet. Die
       Staatsanwaltschaft Cottbus klagt ihn dafür an. Wird Mahler verurteilt,
       dürfte er weitere Jahre Haft vor sich haben. Vielleicht wird er das
       Gefängnis nicht mehr lebend verlassen.
       
       Man kann sagen: Horst Mahler wollte es so, er hat alles dafür getan. Es
       gibt aber auch andere Stimmen, von früheren Weggefährten wie Otto Schily,
       die politisch längst mit ihm gebrochen haben, die Zweifel haben: Muss man
       für ein Meinungsdelikt für viele Jahre hinter Gitter?
       
       Mahler sagt natürlich: Ihm geschehe großes Unrecht. Der Staat setze auf
       eine biologische Lösung. „Das ist pure Willkür.“ Deshalb sei er nach Ungarn
       geflohen. Mahler sagt das ruhig, aber bestimmt. Er will keineswegs
       verzweifelt klingen.
       
       Im Sommer 2015 war Mahler freigekommen, ein Strafausstand nach der
       Unterschenkelamputation, wegen seiner schlechten Gesundheit. Dann aber zog
       der Rechtsextreme wieder los und hielt Vorträge. „Es herrscht Krieg gegen
       das deutsche Volk, gegen die weiße Rasse“, sagte er bei einem in
       Ludwigshafen. Man müsse kämpfen, gegen die „totale Verknechtung“ durch die
       „Judenheit“. Die Staatsanwaltschaft hob Mahlers Haftunfähigkeit auf, im
       April diesen Jahres sollte er zurück in die JVA. Er setzte sich ab.
       
       Im Grunde sei es einfach gewesen, berichtet Mahler. Nach Ungarn sei er
       geflohen, weil er dort Freunde habe. Welche? Sagt er nicht. Vorher ließ er
       noch zwei Videos drehen. In einem ätzte er wieder gegen Juden, im zweiten
       nannte Mahler die Haftanordnung gegen ihn „politische Verfolgung ohne
       rechtliche Grundlage“. Er erbitte nun politisches Asyl in einem
       „aufnahmebereiten souveränen Staat“. Später offenbarte er seinen Anhängern
       in einer E-Mail: Er ist in Ungarn, dem zurzeit am weitesten rechts
       stehenden EU-Mitgliedsland, berüchtigt für seine Antiflüchtlingspolitik.
       
       Er habe sich ins Auto gesetzt und wurde nach Sopron gefahren, gleich hinter
       der österreichischen Grenze. Von wem? Sagt er auch nicht. Die Stadt, 60.000
       Einwohner, barocke Altstadt mit deutscher Minderheit, liegt acht
       Autostunden von Kleinmachnow entfernt. Dort wohnt er in einer Pension,
       einem mintgrünem Eckhaus nahe dem Stadtzentrum mit deutschsprachiger
       Hausherrin. Die Freunde vor Ort hätten sich „ein bisschen gekümmert“.
       Einmal sei sein Sohn Axel gekommen. Einen Journalisten wollte Mahler im
       Hotel Pannonia treffen, vier Sterne, so schien es ihm angemessen. So weit
       kam es nicht mehr.
       
       Am 15. Mai standen morgens ungarische Beamte vor Mahlers Pensionstür. Einer
       sprach deutsch und verkündete die Verhaftung. Mahler war nicht schwer zu
       finden: Er hatte über sein Handy mit seiner Familie telefoniert. Damit war
       seine Flucht nach 27 Tagen vorbei.
       
       Ungarn prüfte nicht mal Mahlers Asylantrag: Für EU-Bürger gibt es kein Asyl
       in einem EU-Land. Einen Monat später wurde Mahler nach Deutschland
       abgeschoben. Seitdem sitzt er wieder in der JVA Brandenburg.
       
       Hat er als Jurist das mit dem Asyl innerhalb der EU nicht gewusst? Mahler
       verzieht keine Miene. „Ich hatte keine Wahl.“ Also war es mal wieder ein
       politischer Stunt? „Das können Sie bewerten, wie Sie wollen.“
       
       Horst Mahler braucht Aufmerksamkeit. Er war mal ein großer Name in diesem
       Land. Mahler ist Sohn eines Zahnarztes und Nationalsozialisten, der sich
       das Leben nahm, als der Junge 13 Jahre alt war. Später steht der Junganwalt
       in der ersten Reihe der APO-Proteste, vor Gericht vertritt er Kommunarden.
       Er wird ein Gesicht des Widerstands. Immer radikaler argumentiert Mahler,
       verteidigt Militanz – bis er 1970 die RAF mitgründet und die Befreiung von
       Andreas Baader im selben Jahr mitplant. Er taucht unter, zum ersten Mal.
       
       In Jordanien, in einem Camp der PLO, lässt sich Mahler an der Waffe
       ausbilden. Wenige Monate später wird er in Berlin festgenommen, trotz
       Perücke. Er wird verurteilt für die Gründung einer kriminellen Vereinigung
       und Bankraub. Bis 1980 sitzt er hinter Gittern.
       
       ## Ein Völkchen Verirrter
       
       Mahler erkämpft sich seine Anwaltszulassung zurück, mit Hilfe seines
       Anwalts Gerhard Schröder, dem späteren Bundeskanzler. Dann wird es still um
       ihn. Bis er auf der anderen politischen Seite auftaucht. Schon zuvor war er
       von früheren Positionen abgerückt, hatte die Zerstörung der Tradition durch
       die Achtundsechziger beklagt. Die Deutschen wüssten nicht mehr, wer sie
       seien. Mahler tritt 2000 in die NPD ein, verteidigt diese erfolgreich im
       ersten Verbotsverfahren. Danach tritt er aus und entdeckt das
       Holocaustleugnen für sich.
       
       Jahrelang, heißt es in der Familie, habe Mahler umgetrieben, wie sein
       Vater, den er geliebt habe, überzeugter Nationalsozialist gewesen sein
       könne. Nun bringt es Horst Mahler in Einklang: Er ist selbst einer. Es gebe
       keinen Bruch, behauptet er heute. Ihm sei es stets um die Freiheit gegangen
       und darum, „ein guter Deutscher“ zu sein. So legt er sich das zurecht.
       
       Mahler hat noch immer seine Anhänger. Ende Mai hielten sie zuletzt
       Kundgebungen für ihn ab in Berlin, München, Erfurt und Düsseldorf. Statt
       der Tausenden, die in den Sechzigern mit Mahler demonstrierten, forderten
       jetzt nur je 50 Leute seine Freiheit, allesamt Neonazis. Kein Volk, mit dem
       sich eine Revolution machen lässt, sondern ein Völkchen Verirrter. Aber:
       Ganz vergessen ist Mahler nicht. Als sich die AfD Sachsen-Anhalt im August
       zu einem Russlandkongress traf, führte ein Gastredner Mahler als Beweis an,
       dass es auch in Deutschland „politische Gefangene“ gebe. Er erntete
       Applaus.
       
       Immer wieder bekommt Mahler Briefe von Bewunderern ins Gefängnis. Von
       „zahlreicher Korrespondenz mit Personen ähnlicher oder gleicher rechter
       Gesinnung“ ist in JVA-Unterlagen die Rede. Mahler schreibt fleißig zurück.
       Es ist jetzt sein Tagewerk.
       
       Ein Einzelgänger sei Mahler in Haft, heißt es in den Papieren der JVA. An
       Freizeitangeboten nehme er nicht teil, seine Aufschlusszeiten nutze er fast
       ausschließlich zum Telefonieren. Sein Haftraum sei unaufgeräumt, er neige
       zum Horten von Lebensmitteln. Als der Bundestag gewählt wurde, ging das
       auch von der JVA aus. Mahler beteiligte sich nicht. Das Parlament habe
       „unter Fremdherrschaft“ nichts zu entscheiden.
       
       Die Gefängnisleitung attestiert Mahler eine „verfestigte kriminelle
       Persönlichkeitsstruktur“. Er stehe „unbeirrt zu seiner Gesinnung“, eine
       „Mitarbeit am Vollzugsziel ist von seiner Seite nicht gegeben“. Gespräche
       mit dem Sozialdienst lehnt Mahler ab. Einmal wies er einen Sozialarbeiter
       mit dem Spruch ab: „Fragen Sie den Zentralrat der Juden.“
       
       Warum kann er es nicht lassen, seinen Antisemitismus auszubreiten? Mahler
       sagt, er lehne den Begriff ab. Und legt dann wieder los. Es gebe eine
       „absolute Feindschaft zwischen der Judenheit und dem Deutschtum“. Er holt
       aus, zitiert Hegel, den er seit Jahrzehnten studiert, zitiert aus dem
       Talmud. Es gehe letztlich darum, das Deutschtum „auszulöschen“.
       
       Es durchzieht das ganze Gespräch in der JVA. Die Flüchtlingseinreisen? Von
       den Juden gesteuert. Der Krieg in Syrien? „Da stecken überall die gleichen
       Kräfte hinter.“ Der AfD-Einzug in den Bundestag? „Ein Hoffnungsschimmer.“
       Aber die Partei werde bald zerstört. „Von den Juden.“ Helfen könne nur noch
       der Führerstaat. Ein zweiter Hitler? „Im Prinzip ja.“ Von Hitler werde man
       in 500 Jahren noch sprechen. „Die Welt hat gestaunt.“ Und der Holocaust?
       Plötzlich wird Mahler aufbrausend. „Lassen Sie doch diese Frage! Ich
       brauche mich darüber nicht mehr äußern.“
       
       Es ist klar: Mahler ist abgedreht, verfangen in Gedankenspiralen, die am
       Ende bei erstaunlich plumpem Hass enden. Ein Mann, den Freund und Feind
       einst als genialen Anwalt anerkannten. Der Hegel, Descartes und Spinoza
       zitiert. Den die JVA-Leitung in Schriftsätzen als „sehr intelligent,
       belesen, philosophisch argumentierend“ beschreibt. Und feststellt, dass
       sein Judenhass eine „unerklärliche Neigung“ bleibe.
       
       Dabei kennt Mahler Auschwitz sogar aus seiner Familie: Die Großmutter
       seiner Frau Elzbieta, einer gebürtigen Polin, war in dem
       Konzentrationslager eingesperrt. Aber nicht als Jüdin, wirft Mahler schnell
       ein. Als Großbäuerin wegen illegalen Schlachtens eines Schweins. Elzbieta
       Mahler äußert sich nicht: Sie führe keine Gespräche mit der Presse über
       ihren Mann.
       
       „Er tut mir leid“, sagt Otto Schily. Schily war nach Mahlers RAF-Zeit
       dessen Verteidiger, er brachte ihm die Hegel-Gesamtausgabe ins Gefängnis.
       Viele Jahre später wurde Schily Bundesinnenminister für die SPD, heute
       arbeitet der 85-Jährige wieder als Anwalt. Politisch hat Schily schon lange
       mit Mahler gebrochen. Dennoch trug er sich mit dem Gedanken, ihn in der JVA
       zu besuchen. Er ließ es bisher bleiben. Weil er keine Lust hat, sich von
       Mahlers Anhängern vereinnahmen zu lassen.
       
       Mahlers Schicksal aber bewegt Schily. „Das Leugnen von Auschwitz ist absurd
       und abscheulich. Aber ist wirklich etwas gewonnen, wenn wir einen
       Verrückten für Jahre ins Gefängnis werfen?“ Die Strafe laufe völlig ins
       Leere. Er könne die Hinterbliebenen der Holocaustopfer verstehen, die von
       Mahlers Hetze getroffen seien, sagt Schily. Aber: „So viele Jahre Haft für
       ein Meinungsdelikt, das ist unverhältnismäßig.“
       
       Es ist Paragraf 130 im Strafgesetzbuch, nach dem Mahler verurteilt wurde:
       die Volksverhetzung. Bestraft wird, wer die Verbrechen der
       Nationalsozialisten öffentlich „billigt, leugnet oder verharmlost“ – allen
       voran den Holocaust. Strafmaß: bis zu fünf Jahre Haft.
       
       Es ist nicht nur Schily, der mit dem Paragrafen hadert. Auch der
       Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele, in den Sechszigern ein Vertrauter
       Mahlers und dessen Kollege im Sozialistischen Anwaltskollektiv, sagt,
       Mahler tue ihm leid. „Ich bedauere, dass er so lange in Haft ist.“ Mehr
       möchte er öffentlich nicht sagen.
       
       ## „Ignorieren kann man das auch nicht“
       
       Deutlicher wird Klaus Eschen, auch er einst im Anwaltskollektiv, später
       Verfassungsrichter. Mahler sei längst nicht mehr ernst zu nehmen. „Mich
       bedrückt, dass jemand, der in Deutschland den Holocaust leugnet, sich nicht
       lächerlich macht, sondern bestraft werden muss. In welchen Gefahren ist
       diese Gesellschaft?“
       
       Ulrich Preuß, auch aus dem Anwaltskollektiv, dann Richter und
       Rechtsprofessor, sieht es anders. Auch er hält zehn Jahre Haft für ein
       Meinungsdelikt für zu viel. Aber: „Ignorieren kann man das auch nicht. Der
       Mann ist intelligent, er weiß, was er tut.“ Die Leugnung der Geschichte
       könne man nicht akzeptieren. Und Mahler gehe es noch um etwas anderes: die
       Herausforderung des Rechtsstaats. „Er will ihn bloßstellen, ihn
       unterminieren. Das darf der Rechtsstaat nicht dulden.“
       
       Im Grunde aber teilen alle früheren Gefährten Ratlosigkeit. Was hat Mahler
       geritten? Warum nutzte er nicht seine Chance, die Haftverschonung, und
       hielt die Klappe? „Ich weiß mir da keinen Rat“, sagt Otto Schily.
       
       Wer Horst Mahler in der JVA erlebt und hört, wie selbstgefällig er seine
       Parallelwelt erklärt und seinen „Kampf“, bekommt eine Idee, warum der
       einstige APO-Anführer hier sitzt. Weil ihm die Rolle gut gefällt. Weil er
       hier den Ungebeugten geben kann, der immer noch gegen den Staat in die
       Schlacht zieht – nun eben von rechts statt von links. Der dafür Fanpost und
       Kundgebungen von Bewunderern erhält. Der also nicht einfach nur ein Rentner
       ist, der in seinem Häuschen in Kleinmachnow sitzt und über den niemand mehr
       redet. Sein Sohn Axel Mahler widerspricht dem nicht.
       
       Er zögert, dann sagt er: Ja, es gebe da wohl die Sorge seines Vaters, in
       der Öffentlichkeit nicht mehr die Rolle zu spielen wie früher. Im
       Gefängnis, so erscheine es ihm bisweilen, fühle sich sein Vater wie im
       Kloster, in dem er seinen Gedanken nachgehen könne.
       
       Axel Mahler selbst sieht es weniger romantisch. „Meine Befürchtung ist,
       dass er in Vergessenheit gerät und im Kerker verschimmelt.“ Der Sohn, ein
       Informatiker, Ende fünfzig, steht hinter seinem Vater, auch wenn er sagt,
       dass er dessen politische Mission nicht teile. Weiter will er sich dazu
       nicht äußern. Wohl aber sagt Axel Mahler, es sei „erbärmlich“, dass sein
       Vater wegen einer „geistigen Auseinandersetzung“ im Gefängnis sitze.
       
       ## Ein Opfer seiner selbst
       
       Seinen Vater kennzeichne schon immer, dass er „wirklich stur“ sein könne,
       sagt Axel Mahler. Die Familie habe dem Vater zum Innehalten geraten. „Aber
       er war noch nie jemand, der für einen guten Rat offen ist. Er wird das
       kompromisslos durchziehen. Es ist seine Mission.“ Und, ergänzt Axel Mahler:
       „Sonst wäre der ganze Leidensweg ja umsonst gewesen.“
       
       Mahler, das Justizopfer? Eher ein Opfer seiner selbst. Schon 1975, während
       seiner ersten Haftzeit, zog er das Gefängnis der Freiheit vor. Als die
       Bewegung 2. Juni den CDU-Politiker Peter Lorenz entführte, wollte sie auch
       Mahler freipressen. Der lehnte ab: Es brauche eine Revolution der Masse,
       keinen Terror, um ihm Gerechtigkeit zu verschaffen.
       
       Mahler hat sich in seiner Märtyrerrolle eingerichtet. Als er 2015 in Haft
       zusammenbrach, soll er den Transport in die Klinik zuerst verweigert haben.
       Erst seine Frau habe ihn umstimmen können. Fragt man Mahler, wie er mit der
       Aussicht umgehe, in der JVA zu sterben, zuckt er mit den Schultern. Er habe
       sich darüber Gedanken gemacht: „Und ich habe gesagt: Okay, trotzdem.“ Er
       werde sich seine Meinung nicht verbieten lassen, sei mit sich im Reinen.
       
       Mahler tut alles, um weiter in Haft zu bleiben. Ende Juli, zehn Wochen nach
       seiner Flucht, ließ das Landgericht Potsdam die neue Anklage wegen
       Volksverhetzung gegen ihn zu. Wegen seines Buchs, das er in der Haft
       verfasste, 235 Seiten lang.
       
       Von der „Holocaust-Religion“ schreibt er dort und dem Nationalsozialismus
       als „Rettung aus der judaisierten Welt“. Als Titel wählte Mahler für sein
       Pamphlet: „Das Ende der Wanderschaft“ und ließ es auf einem USB-Stick aus
       der Haft schmuggeln. Dafür nahm die JVA ihm den Computer weg.
       
       3 Nov 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Konrad Litschko
       
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