# taz.de -- Höchststrafe für Beate Zschäpe gefordert: „Sie hat alles mitgetragen“
       
       > Die Bundesanwaltschaft plädiert im NSU-Prozess dafür, dass Zschäpe eine
       > lebenslängliche Haftstrafe erhält – mit anschließender
       > Sicherungsverwahrung.
       
 (IMG) Bild: Sie haben nun ihr Urteil über Beate Zschäpe gefällt: Bundesanwalt Herbert Diemer (v. l. n. r.), Oberstaatsanwältin Anette Greger und Bundesanwalt Jochen Weingarten
       
       MÜNCHEN taz | Beate Zschäpe schaut starr durch ihre Brille auf Bundesanwalt
       Herbert Diemer, lässt ihren Blick nicht von ihm ab. Ihre Hände liegen
       gefaltet auf dem Tisch, die Lippen sind zusammengepresst. Zschäpe verzieht
       keine Miene, aber es ist dieser Moment, in dem ihr klar werden dürfte: Es
       wird bitter.
       
       Denn Diemer fordert am Dienstag, nach 382 Verhandlungstagen im NSU-Prozess,
       für Zschäpe die Höchststrafe: lebenslange Haft mit besonderer Schwere der
       Schuld und anschließender Sicherungsverwahrung. Zschäpe habe einen „Abgrund
       an Menschen- und Staatsfeindlichkeit“ offenbart, sagt Diemer. „Sie hat
       alles gewusst, alles mitgetragen und auf ihre Art mitgesteuert.“ Deshalb
       sei die Höchststrafe „unumgänglich“.
       
       Die Strafmaßforderung Diemers markiert das Ende eines achttägigen Plädoyers
       der Bundesanwaltschaft im NSU-Prozess. Mehr noch: Sie markiert einen ersten
       Endpunkt in einem historischen Prozess, der zunächst kein Ende zu nehmen
       schien. Viereinhalb Jahre lang wurde bis hierhin verhandelt, rund 600
       Zeugen befragt. Nun zieht die Bundesanwaltschaft ihren Schlussstrich. Und
       sie sieht ihre Anklage von 2012 voll bestätigt.
       
       Schon damals hatte sie Beate Zschäpe die volle Schuld für alle Verbrechen
       des NSU angelastet – obwohl die 41-Jährige an keinem Tatort gesehen worden
       ist. Neun Migranten hatte die Rechtsterroristen von 2000 bis 2006
       erschossen – Enver Şimşek, Abdurrahim Özüdoğru, Süleyman Taşköprü, Habil
       Kılıç, Mehmet Turgut, İsmail Yaşar, Theodoros Boulgarides, Mehmet Kubaşık,
       Halit Yozgat. Der letzte Mord erfolgte 2007, an der Polizistin Michèle
       Kiesewetter. Dazu gab es zwei Bombenanschläge in Köln und 15 Raubüberfälle.
       
       Zschäpe habe von allen Taten gewusst und diese auch unterstützt,
       unterstreicht nun Diemer, eine Koryphäe der Bundesanwaltschaft, seit 30
       Jahren im Amt. Sie sei „mitsteuernde Tatgenossin“ gewesen. „Ein eiskalt
       kalkulierender Mensch, für den Menschenleben keine Rolle spielen, wenn es
       um die Durchsetzung ihres Willens geht.“ Für jeden der zehn Morde, für die
       zwei Anschläge und auch für einen Banküberfall, bei dem Zschäpes Kumpanen
       Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt um sich schossen, fordert Diemer jeweils
       lebenslange Haft. Gleiches für Zschäpes letzte Tat: das Anzünden des
       NSU-Unterschlupfs in Zwickau im November 2011, das eine betagte Nachbarin
       in Lebensgefahr brachte.
       
       Bis heute habe Zschäpe weder glaubhafte Reue noch eine Abkehr von ihrer
       rechtsextremen Ideologie gezeigt, sagt Diemer. Vielmehr habe sie auch nach
       dem Tod von Böhnhardt und Mundlos noch die zynische Bekenner-DVD des Trios
       verschickt. Es sei nicht ausgeschlossen, dass Zschäpe ihre terroristischen
       Absichten weiter vertritt, betont Diemer. Eine Sicherungsverwahrung sei
       daher zwingend – um Zschäpe Zeit für eine Läuterung zu geben und die
       Allgemeinheit vor ihr zu schützen.
       
       ## Viele Jahre hinter Gitter
       
       Mit der geforderten Höchststrafe könnte Zschäpe nun für viele Jahre hinter
       Gitter verschwinden – wenn die Richter der Bundesanwaltschaft folgen.
       Bisher jedenfalls ließ der Vorsitzende Richter Manfred Götzl im Prozess
       nicht durchblicken, dass er an der Anklage Zweifel hat.
       
       Diemer fordert auch für die vier Mitangeklagten teils hohe Strafen. Für den
       als Beschaffer der Česká-Mordwaffe beschuldigten Ralf Wohlleben plädiert er
       auf eine zwölfjährige Haftstrafe. Holger G., der dem Trio eine Waffe
       zustellte und Papiere überließ, soll für fünf Jahr ins Gefängnis. Milder
       wird es für Carsten S., der die Česká den Untergetauchten überbrachte: Für
       ihn fordert Diemer drei Jahre Haft nach Jugendstrafrecht – weil der
       Szeneaussteiger zur Tatzeit noch Jugendlicher war und die Ermittler erst
       durch sein umfassendes Geständnis überhaupt auf seine Fährte kamen.
       
       Ganz anders als André E.: Dem NSU-Trio hielt der überzeugte Neonazi bis zum
       Schluss die Treue. Er besorgte Wohnungen, Wohnmobile und Papiere. Bis heute
       schweigt E. darüber – und hoffte so, glimpflich davonzukommen. Diemer aber
       fordert nun auch für ihn eine 12-jährige Haftstrafe und die sofortige
       Festnahme.
       
       André E. wirkt überrumpelt, sein Verteidiger protestiert erfolglos: Noch im
       Saal wird E. vorläufig festgenommen. Bis zum Mittwoch will das Gericht nun
       beraten, ob es tatsächlich einen Haftbefehl erlässt. Immer wieder hatte
       André E. den Prozess grinsend verfolgt. Nun schüttelt er den Kopf, schreibt
       aufgeregt SMS – und wird dann abgeführt.
       
       Im Saal verfolgt die Szenen auch Yvonne Boulgarides, Witwe des 2005 in
       München erschossenen Theodoros Boulgarides. Gerechtigkeit werde es für sie
       nach dem Mord nicht geben, sagt sie. Auch weil so viele Fragen noch offen
       seien. Aber heute, mit den hohen Strafforderungen, „da spüre ich etwas
       Genugtuung“.
       
       Ab Donnerstag sollen nun die Opfer eine Stimme im Prozess bekommen – mit
       den Plädoyers der Nebenklage. Auch diese werden sich über Wochen ziehen: 55
       Anwälte der Betroffenen wollen Schlussworte halten. Erst danach folgen die
       Plädoyers der Verteidiger – und dann das Urteil.
       
       Dieser Artikel wurde am 12.9.2017 um 17.13 Uhr aktualisiert.
       
       12 Sep 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Konrad Litschko
       
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