# taz.de -- Dreckige Diesel jetzt offiziell dreckiger: Absurd, aber legal
       
       > Diesel-Pkws überschreiten die Grenzwerte für Stickoxide bis zum
       > Sechsfachen. Das Umweltbundesamt hat jetzt erstmals realitätsnah
       > gemessen.
       
 (IMG) Bild: Entdeckung: Autos verursachen Abgase
       
       Berlin taz | Dieselautos auf deutschen Straßen belasten die Luft noch
       stärker als bislang befürchtet. Bei halbwegs realistischen Messungen stoßen
       die Diesel-Pkws der verschiedenen Schadstoffklassen das Fünf- bis
       Sechsfache der jeweils erlaubten Mengen an Stickoxiden (NOx) aus, die
       Atemwege reizen und zu chronischen Krankheiten führen. Das zeigt das neue
       „Handbuch für Emissionsfaktoren“ (HBFEA), das das Umweltbundesamt (UBA) am
       Dienstag präsentiert hat.
       
       „Unsere Daten zeigen ein deutlich realistischeres und leider noch
       unerfreulicheres Bild der Stickoxidbelastung“, sagte UBA-Präsidentin Maria
       Krautzberger. Der durchschnittliche Ausstoß der gesamten Dieselflotte im
       Land ist demnach von 575 (2016) auf 767 Milligramm NOx gestiegen. Anders
       als im offiziellen Normtest hat das UBA die Pkws bei realistischen
       Außentemperaturen und teilweise auf der Straße gemessen.
       
       Hinten rausgekommen sind Werte, die weit über allem liegen, was der
       Gesetzgeber vorschreibt, aber bisher nur unter unrealistischen Methoden
       testen lässt: Am dreckigsten sind demnach alte Fahrzeuge der
       Schadstoffklasse „Euro-Diesel 5“: Hier liegt der durchschnittliche Ausstoß
       bei 906 Milligramm NOx pro Kilometer, der Grenzwert bei 180 mg. Noch ältere
       Diesel-4-Motoren kommen auf im Schnitt 674 mg gegenüber einem Grenzwert von
       250 mg. Und die neuesten Modelle „Euro 6“ liegen im Mittel bei 507 mg,
       während der Grenzwert 80 mg beträgt. Gemessen wurden 27 „Diesel-5“ und 25
       „Diesel-6“-Autos vom Klein- bis zum Geländewagen. „Die neuen Werte bilden
       die Diesel-Pkw-Emissionen in Deutschland repräsentativ ab“, erklärt das
       UBA.
       
       Die Lücke zwischen Wunsch und Realität ist noch legal. Denn bislang müssen
       die Fahrzeuge die Abgaswerte nur auf dem Prüfstand erbringen – wie viel
       giftige Schadstoffe sie im realen Leben ausstoßen, ist für ihre Zulassung
       egal. Diese Überschreitungen und die unrealistischen Prüfbedingungen werden
       schon lange von Umwelt- und Verkehrsgruppen moniert. So werden die Hälfte
       aller Kilometer in Deutschland nach UBA-Angaben bei Temperaturen unter 10
       Grad Celsius gefahren, was den NOx-Ausstoß massiv erhöht.
       
       „Wir brauchen schnelle Entlastung für die vielen hunderttausend Menschen,
       die in Innenstädten unter den Folgen der viel zu hohen Dieselabgase
       leiden“, sagte Krautzberger. Das soll ab September zumindest bei neuen
       Autos der Fall sein. Dann dürfen Diesel-Pkws nach Straßenbedingungen nur
       noch höchstens 168 mg pro Kilometer ausspucken. Die Autos müssen dazu mit
       neuer Technik ausgestattet werden. Eigentlich war ein scharfer Grenzwert
       von 80 mg nach Straßenmessungen geplant. Aber weil vor einem Jahr die
       europäische Autoindustrie auf die Barrikaden ging, wurden diese scharfen
       Werte durch einen „Konformitätsfaktor“ für eine Übergangszeit von einigen
       Jahren verwässert.
       
       „Die Autoindustrie muss endlich ihre Diesel in Ordnung bringen“, forderte
       Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD), das sei deren
       „Verantwortung für die Menschen“. Sie erwarte, dass die Hersteller ihre
       Wagen auf eigene Kosten nachbesserten und den NOx-Ausstoß „mindestens
       halbieren.“ Auch müsste in Zukunft schärfer kontrolliert werden.
       
       Alle diese Regeln fallen allerdings in die Zuständigkeit des
       Verkehrsministeriums. Ob sie ihre eigene Forderung nach einer „blauen
       Plakette“ im Licht der neuen Untersuchung zurückziehe, beantwortete
       Hendricks nicht. Damit sollte es freie Fahrt für „Diesel-6“-Pkws geben –
       die nun aber ebenfalls alle Grenzwerte sprengen.
       
       Vom Bundesverkehrsministerium gab es auch auf Anfrage keine aktuelle
       Reaktion auf die Messungen. Es hieß nur, das Haus von Minister Alexander
       Dobrindt (CSU) habe Typzulassungen und Kontrollverfahren „deutlich
       verschärft.“ Außerdem habe „kein anderes Land in der Abgasaffäre so
       weitreichende Konsequenzen gezogen wie Deutschland“. Die USA, wo der
       Skandal aufflog, wo Milliardenstrafen verhängt wurden, Manager vor Gericht
       landen und Verbraucher entschädigt werden, fehlen offenbar auf der
       Landkarte des Ministeriums.
       
       25 Apr 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernhard Pötter
       
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