# taz.de -- Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Verbände fordern faire Asylverfahren
       
       > Zeitdruck, politische Vorgaben, unerfahrene Mitarbeiter: Die Qualität der
       > Asylverfahren ist für Pro Asyl, Diakonie & Co nicht mehr hinnehmbar.
       
 (IMG) Bild: Brachte eine „andere Denke“ in die Nürnberger BAMF-Zentrale: Frank-Jürgen Weise
       
       Berlin taz | Deutsche Wohlfahrtsverbände und Menschenrechtsorganisationen
       haben am Mittwoch in Berlin an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
       (BAMF) appelliert, faire Asylverfahren für Flüchtlinge in Deutschland
       sicherzustellen.
       
       „Wir sind mit dem Bundesamt in Kontakt und wertschätzen dessen
       Anstrengungen“, sagte Günter Burkhardt, Geschäftsführer von Pro Asyl.
       „Dennoch erkennen wir strukturelle Fehlentwicklungen, die mit den
       politischen Rahmenbedingungen zusammen hängen.“ So seien Tausende
       AnhörerInnen und EntscheiderInnen neu eingestellt, aber nur in zwei oder
       drei Wochen ausgebildet worden. Zudem stünden BAMF-MitarbeiterInnen unter
       Druck, eine hohe Zahl von Asylentscheidungen zu liefern.
       
       2015 ist die Zahl der Erstanträge auf 441.000 gestiegen. 2016 wurden bis
       September sogar 643.000 Asylanträge gestellt. Mehr als eine halbe Million
       Anträge sind noch nicht entschieden. Diese soll das BAMF schnellst möglich
       abarbeiten.
       
       Mit Frank-Jürgen Weise als neuen BAMF-Chef sei eine „andere Denke“ in die
       Nürnberger Zentrale eingekehrt, sagte Katharina Stamm von der Diakonie
       Deutschland. Die neu eingerichteten Entscheidungszentren hätten Vorgaben,
       eine bestimmte Zahl an Asylanträgen pro Tag zu entscheiden.
       
       ## Eklatante Fehlentscheidung
       
       Dies führe „in vielen Fällen“ zu eklatanten Fehlentscheidungen. So haben
       beispielsweise eine von den Taliban bedrohte Afghanin und deren Familie bei
       einer Anhörung bei der BAMF-Außenstelle Ingelheim/Bingen ihre Fluchtgründe
       dargelegt und wurden abgelehnt. „Aus dem Sachantrag der Antragsteller
       ergibt sich weder eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgungshandlung,
       noch ein flüchtlingsrechtlich relevantes Anknüpfungsmerkmal“, hieß es in
       der Begründung.
       
       Die zwölf Verbände – darunter auch Amnesty International, der Deutsche
       Anwaltsverein oder die Caritas – kritisieren, dass der Bescheid aus reinen
       „Textbausteinen“ zur angeblich sicheren Lage vor Ort bestehe, die die
       individuelle Gefahrensituation für das afghanische Ehepaar vor Ort schlicht
       ignoriere und relevante Sachverhalte fehlerhaft darstelle. So wird die
       Hebamme als Sunnitin und Tadschikin bezeichnet, obwohl sie Schiitin und
       Hazara ist.
       
       Die Taliban hatten die geflüchtete Hebamme beschuldigt, absichtlich eine
       Totgeburt bei der Frau ihres lokalen Anführers herbeigeführt zu haben. Auch
       ihr Mann wurde bedroht, weil er für die afghanische Polizei gearbeitet hat.
       All dies hat die Afghanin dem Anhörer erzählt.
       
       ## Entscheider haben Flüchtlinge nie getroffen
       
       Dennoch wurde die Einzelfallgeschichte in der Entscheidung nicht
       berücksichtigt. Günter Burkhardt führt dies auf die Praxis zurück, dass
       AnhörerInnen und EntscheiderInnen nicht mehr wie früher üblich ein und
       dieselbe Person seien. Unter dem BAMF-Chef Weise sei die Trennung nun
       flächendeckend. So könne auch eine sorgfältige Anhörung zu fehlerhaften
       Entscheidungen führen.
       
       In dem [1][„Memorandum für faire und sorgfältige Asylverfahren in
       Deutschland“], das die Organisationen vorlegten, stellen sie weitere
       Missstände bei Asylverfahren fest. So werden Dolmetscher mit 25 Euro die
       Stunde gering vergütet, gleichzeitig aber werde deren Leistung ungenügend
       kontrolliert. Zudem erheben BAMF-MitarbeiterInnen im Asylverfahren keine
       Beweismittel und beraten AsylbewerberInnen mangelhaft über deren Rechte und
       Pflichten. Auch fehle es an BAMF-internen Beschwerde- und
       Kontrollmechanismen.
       
       Deshalb fordern die zwölf Verbände die „uneingeschränkte Gewährleistung der
       asylrechtlichen Verfahrensgarantien“: So soll das BAMF beispielsweise
       Anhörungen vollständig protokollieren und für AsylbewerberInnen
       rückübersetzen, um für alle Beteiligten eine bessere Kontrolle zu gewähren.
       
       Bei der Frage, inwieweit das BAMF die politischen Vorgaben der
       Bundesregierung umsetzt, sind die Verbände aber zurückhaltender. Zwar gebe
       es dafür klare Indizien wie der sprunghafte Anstieg des subsidiären
       Schutzes für SyrerInnen auf 72 Prozent – für die Gruppe hatte das Parlament
       den Familiennachzug im Februar ausgesetzt – oder die gesunkenen Schutzquote
       für Afghanen – seit einem Jahr stellt die Bundesregierung das Land als
       teilweise sicher dar –, jedoch sei der interne Ablauf im BAMF schwer zu
       beurteilen.
       
       „Letztlich macht das aber keinen Unterschied“, sagt Günter Burkhardt von
       Pro Asyl. „Wir sehen, dass sich die Entscheidungsquote bei Syrern und
       Afghanen verändert. Da kann man sich eins und eins zusammenreimen.“
       
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       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.proasyl.de/wp-content/uploads/2015/12/Memorandum-f%C3%BCr-faire-und-sorgf%C3%A4ltige-Asylverfahren-in-Deutschland-2016.pdf
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Pauli
       
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