# taz.de -- Kommentar Steinmeiers Türkei-Besuch: Vermeintliche Solidarität
       
       > Die Bundesregierung will Erdoğan als Torwächter Europas halten.
       > Steinmeiers Soli-Signale an die türkische Opposition sind eine Farce.
       
 (IMG) Bild: Unterwegs in Ankara: Frank-Walter Steinmeier
       
       Frank-Walter Steinmeier, der künftige Bundespräsident, ist ein honoriger
       Mann. Höflich, geduldig, immer konstruktiv. Ein Mann des Dialogs. Alles
       Tugenden, die einen Diplomaten auszeichnen und im normalen politischen
       Geschäft sicher hilfreich sind. Mit politischen Inhalten haben sie
       allerdings nichts zu tun.
       
       [1][Bei seinem gestrigen Besuch in Ankara] hat Steinmeier ein klassisches
       Beispiel für „links blicken und rechts abbiegen“ abgeliefert. Steinmeier
       hat sich während seines Besuches mit Vertretern der Zivilgesellschaft und
       Abgeordneten der verfolgten kurdisch-linken HDP getroffen, um ihnen zu
       signalisieren: Wir sind bei euch.
       
       In Deutschland und in Europa, wo eine Mehrheit der Menschen über die
       Aushebelung der Demokratie und der Verfolgung der Demokraten empört ist,
       sollten diese Treffen wiederum zeigen, wie sehr doch die Bundesregierung
       sich um die Opfer der Repressionspolitik der türkischen Regierung sorgt.
       Tatsächlich blieben diese Treffen völlig folgenlos. Denn die vermeintliche
       Solidarität mit der türkischen Opposition findet da ein Ende, wo ein
       größeres Interesse der Bundesregierung gefährdet erscheint.
       
       Steinmeier und seine Kanzlerin Angela Merkel wollen um jeden Preis
       verhindern, dass der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan das
       Flüchtlingsabkommen mit der EU aufkündigt und dann erneut im kommenden
       Frühjahr jeden Tag tausende Syrer, Iraker und Afghanen an den Küsten
       Europas landen. Deshalb hat er sich von seinem türkischen Kollegen
       beschimpfen lassen, deshalb hat er sich geduldig über zwei Stunden die
       Tiraden Erdoğans angehört.
       
       Während im Europaparlament eine Abstimmung vorbereitet wird, mit der ein
       Ende des Beitrittsprozesses der Türkei eingeleitet werden soll und Erdoğan
       seinerseits damit droht, Europa per Volksabstimmung aus der Türkei zu
       verabschieden, hört sich Steinmeier stoisch alles an – um letztlich zu
       befinden, es seien doch gute, „ehrliche“ Gespräche gewesen. Solange Erdoğan
       als Torwächter Europas weiterhin funktioniert, ist eben alles andere
       Nebensache.
       
       16 Nov 2016
       
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