# taz.de -- Beitrittsgespräche EU-Türkei: Ein Appell an den Rechtsstaat
       
       > Es ist ein Akt mit starker Symbolkraft: Das Europaparlament spricht sich
       > für das Einfrieren der Verhandlungen mit der Türkei aus.
       
 (IMG) Bild: Die Entscheidung der Aabgeordneten ist nicht bindend – und interessiert Erdoğan wenig
       
       Straßburg dpa | Mit breiter Mehrheit hat das Europaparlament ein
       vorübergehendes [1][Einfrieren der EU-Beitrittsgespräche] mit der Türkei
       gefordert. Von 623 Parlamentariern stimmten 479 am Donnerstag in Straßburg
       dafür, nicht weiter mit Ankara über offene Verhandlungskapitel zu sprechen
       und keine neuen Kapitel zu eröffnen.
       
       Die Resolution ist eine Aufforderung an die Mitgliedstaaten und die
       EU-Kommission, die für die Beitrittsgespräche zuständig ist. Rechtlich ist
       sie nicht bindend, ihr kommt aber eine hohe Symbolkraft zu. Sie ist eine
       Reaktion auf die [2][Verhaftungswelle in der Türkei] nach dem Putschversuch
       Mitte Juli.
       
       Nach Medienangaben wurden über 36.000 Menschen in der Türkei in
       Untersuchungshaft genommen. Mehr als 75.000 zivile Staatsbedienstete und
       Angehörige der Sicherheitskräfte wurden entlassen, Tausende weitere
       suspendiert. Die türkische Regierung wirft ihnen Verbindungen zur Bewegung
       des in den USA lebenden Predigers Fethullah Gülen vor, die sie für den
       Putschversuch verantwortlich macht.
       
       Die EU-Abgeordneten forderten zudem, dass eine Wiedereinführung der
       Todesstrafe automatisch eine formale Suspendierung der
       Beitrittsverhandlungen zur Folge haben solle. Für eine Wiederaufnahme der
       Gespräche bräuchte es danach einen einstimmigen Beschluss der EU-Länder.
       Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat mehrfach die
       Wiedereinführung der Todesstrafe ins Spiel gebracht.
       
       ## Türkei zeigt wenig Interesse
       
       Wichtig war den Europapolitikern, dass es sich um eine temporäre Forderung
       handelte. Sie wollen ihre Position überprüfen, sobald die Türkei den
       Ausnahmezustand aufgehoben hat. Entscheidend soll dann sein, inwieweit die
       Türkei zu rechtsstaatlichen Verhältnissen und einer Achtung der
       Menschenrechte zurückgekehrt ist.
       
       Erdoğan hatte bereits im Vorfeld angekündigt, die Entscheidung des
       Europaparlaments interessiere ihn nicht: „Diese Abstimmung hat überhaupt
       keinen Wert, egal welches Ergebnis herauskommt“, sagte der türkische
       Präsident bei einem Treffen der Organisation für Islamische Zusammenarbeit
       (OIC) in Istanbul.
       
       Ddie türkische Regierung hat die Forderung des Europaparlaments scharf
       kritisiert und zugleich als irrelevant abgetan. „Diese Entscheidung hat
       überhaupt keine Bedeutung für uns“, sagte Ministerpräsident Binali Yıldırım
       am Donnerstag in Ankara. „Die Beziehungen mit der Europäischen Union sind
       ohnehin nicht so eng. Das ist eine Beziehung, die mit Mühe und Not und
       widerwillig läuft.“
       
       Yıldırım warf dem EU-Parlament „Doppelmoral“ vor und attestierte ihm, „arm
       an Demokratie“ zu sein. Der türkische EU-Minister Ömer Çelik sagte an die
       Adresse der Abgeordneten: „Sie sollten sich vom türkischen Volk über
       Demokratie belehren lassen.“ Çelik nannte die Resolution „null und
       nichtig“. Die EU selber befinde sich in einer „Wertekrise bezüglich
       Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit, Islamophobie und Antisemitismus“,
       die sie nun an der Türkei auslasse.
       
       24 Nov 2016
       
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