# taz.de -- CDU-Vize Laschet über Flüchtlingspolitik: „Mutige Führung statt Jammerei“
       
       > Alle Demokraten sollten sich von der AfD abgrenzen, fordert Armin
       > Laschet. In Nordrhein-Westfalen will er im Mai 2017 mit dem Thema „innere
       > Sicherheit“ punkten.
       
 (IMG) Bild: „Legale Wege der Zuwanderung schaffen“: Flüchtlinge in der zentralen Registrierungsstelle in NRW
       
       taz: Herr Laschet, wenn man sich Ihre Haltung in der Flüchtlingspolitik
       anschaut: Sind Sie noch in der richtigen Partei? 
       
       Armin Laschet: Meine Haltung zur Flüchtlingskrise ist die Haltung der
       Bundeskanzlerin und des Bundesparteitags der CDU in Karlsruhe, wo fast
       einstimmig genau diese Linie beschlossen wurde. Also die richtige Partei.
       
       Sie waren Vorsitzender einer Expertenkommission, die im April 2016
       Vorschläge zur Flüchtlingspolitik vorgelegt hat. Zu diesen Vorschlägen
       gehörte, im Rahmen temporärer Aufnahmeprogramme in diesem und im nächsten
       Jahr mehrere Hunderttausend Flüchtlinge per Kontingent direkt aus Ländern
       wie der Türkei aufzunehmen. Was ist aus dieser Idee geworden? 
       
       Noch nichts, aber Europäische Union und Bundesregierung unterstützen diesen
       Grundsatz: illegale Zuwanderung und Schleppertum nachhaltig bekämpfen,
       legale Wege der Zuwanderung schaffen.
       
       Dass niemand mehr für eine stärkere Aufnahme von Flüchtlingen ist, zeigt
       doch, wie sehr die Debatte von Angst geprägt ist. Warum ist es so schwer,
       mit einer anderen Haltung in den Wahlkampf zu gehen? 
       
       Ich finde das gar nicht so schwer. Ich mache die Erfahrung, dass die
       Menschen mitgehen, wenn man offen und ehrlich eine Herausforderungen
       beschreibt und für Lösungen wirbt, von denen man überzeugt ist. Gerade in
       solchen Zeiten braucht es eine klare und mutige Führung gegen die Jammerei
       und Angstmacherei, die spaltet und lähmt und das Klima vergiftet.
       
       Sie haben Gaulands Bemerkung über den Fußballspieler Boateng als „Rassismus
       pur“ bezeichnet. Wie stark muss sich die CDU im Wahlkampf von den
       Rechtspopulisten der AfD abgrenzen? 
       
       Alle Demokraten sollten sich stark abgrenzen. Bei allem Streit über
       Wirtschaft, innere Sicherheit oder Bildung gibt es Gemeinsamkeiten der
       Demokraten. Die AfD aber schürt Ressentiments. Gegen Europa. Gegen den
       Euro. Gegen das Zusammenleben der Religionen und Kulturen. Und bei den
       Punkten werden wir ihnen massiv widersprechen. Die AfD schadet aber nicht
       nur uns, sondern auch der SPD im Ruhrgebiet. Und die ist gleichermaßen in
       der Pflicht, sich abzugrenzen.
       
       Ein Drittel der Deutschen glaubt, Flüchtlinge gefährden Deutschlands
       Zukunft. Jeder zweite fürchtet erhöhte Terrorgefahr. Müssen Sie da nicht
       auch dieser Stimmung Rechnung tragen? 
       
       Nein, das ist eine gesellschaftlich schwierige Diskussionslage, von der
       selbst Frau Wagenknecht und Teile der Linken infiziert sind. Noch 2015 war
       das anders, die Gesellschaft war fast in einem blauäugigen Rausch, dass
       alles nur toll war …
       
       … und dann kam die Kölner Silvesternacht. 
       
       Zuerst kamen die steigenden Zahlen Ende des Jahres und dann die Kölner
       Silvesternacht. Jetzt schlägt die Stimmung ins absolute Gegenteil um.
       
       Wie geht man damit um? 
       
       Auszusprechen, wenn Migranten Straftaten begehen, ist zunächst mal richtig.
       Aber nun jede einzelne Straftat auf Religion und Migranten hin zu
       untersuchen und so zu tun, als sei das nur ein migrantisches Problem, das
       ist das Neue im Moment. Nun hat der Bundestag das Gesetz beschlossen, „Nein
       ist Nein“…
       
       Sie meinen die Reform des Sexualstrafrechts? 
       
       Ja, und das gilt für die gesamte Gesellschaft. Es ist ja nicht so, dass es
       ohne Zuwanderer keine sexuellen Übergriffe in Deutschland gab und dass erst
       Migranten kritisch über Homosexuelle geredet haben. Bis vor wenigen
       Jahrzehnten war Homosexualität in Deutschland strafbar. Also, dass man so
       tut, als gäbe es seit hundert Jahren eine liberale, tolerante, aufgeklärte
       deutsche Gesellschaft, wo jeder wie selbstverständlich zum Christopher
       Street Day geht und erst Migranten jetzt Vorbehalte hätten – das ist eine
       arg verkürzte Darstellung der deutschen Lebenswirklichkeit.
       
       Im Mai 2017 wird in Nordrhein-Westfalen gewählt. Ministerpräsidentin
       Hannelore Kraft (SPD) setzt schon jetzt auf einen personalisierten
       Wahlkampf. Was ist Ihre Strategie? 
       
       Wir haben bei der vergangenen Wahl das schlechteste Ergebnis unserer
       Geschichte überhaupt zu verschmerzen gehabt. Die CDU in Nordrhein-Westfalen
       hat sich seither inhaltlich vorbereitet und sich das erste
       Grundsatzprogramm gegeben. Wir gehen mit den Schwerpunkten Wirtschaft und
       Arbeitsplätze, Bildung und innere Sicherheit in den Wahlkampf. Unser Land
       ist bei diesen Themen immer auf den Schlusslichtplätzen. Das muss sich
       ändern.
       
       Sie fordern verstärkte Polizeipräsenz, Bodycams, mehr Videoüberwachung. Wie
       geht das einher mit der Vorstellung einer offenen Gesellschaft? 
       
       Sehr gut. Ich bin leidenschaftlich für die offenen Grenzen in Europa. Aber
       deshalb brauchen wir Schleierfahndung, die auch hinter der Grenze
       verdachtsunabhängige Kontrolle ermöglicht. Offene Grenzen ja, aber auch die
       grenzüberschreitende Kriminalität wirkungsvoll zu bekämpfen ist richtig.
       
       Ist das die Konsequenz, die Sie aus der Kölner Silvesternacht ziehen: das
       Thema „innere Sicherheit“ in den Fokus zu rücken? 
       
       Das ist auch schon vorher ein Thema gewesen. Die Einbruchszahlen bei uns in
       Nordrhein-Westfalen sind besonders hoch, die Zahl der Salafisten hat sich
       in wenigen Jahren verfünffacht, wir haben mehr rechts- und
       linksextremistische Gewalttaten. Es gab die rechte Hooligan-Demo in Köln,
       die aus dem Ruder lief. Viele, die eine multikulturelle Gesellschaft
       wollen, wollen zugleich sicher über die Straße gehen.
       
       Die Umfragen deuten auf eine Große Koalition hin. Würden Sie gern der
       Juniorpartner von Frau Kraft sein? 
       
       Wir müssen nach dem heutigen Stand davon ausgehen, dass sechs Parteien im
       Landtag sein können. Wir kämpfen dafür, stärkste Partei zu werden. Die AfD
       und die Linke scheiden für uns als Partner aus. Am Ende müssen Demokraten
       eine Regierung bilden, wie auch immer, damit es weitergeht.
       
       Welche Schnittmengen sehen Sie mit den NRW-Grünen? 
       
       Ich habe bei den Grünen viele Freunde und schätze manches, was sie sagen.
       Aber es gibt auch Themen, wo wir echte Probleme haben. Bei unserer hohen
       Arbeitslosigkeit ist die soziale Frage unter- und die ökologische Frage
       überbewertet. Es gibt oft zu viel Bürokratie, und das grüne
       Umweltministerium schafft viele Probleme.
       
       Zum Beispiel? 
       
       Wir haben 16 Prozent Arbeitslosigkeit im Ruhrgebiet und man versucht, eine
       große Industrieansiedlung in der Emscher-Lippe-Region zu verhindern. Ein
       überzogen detaillierter Klimaschutzplan ist angesichts europäischer
       Klimapolitik wirkungslos. Wir haben jetzt schon 14 Prozent der von der
       Wirtschaft und der Landwirtschaft genutzten Fläche in NRW zu
       Naturschutzzwecken entzogen, mehr als im Bundesschnitt. Das neue
       Landesnaturgesetz sieht 20 Prozent vor. Mit einem so schlechten
       Wirtschaftswachstum wie in Nordrhein-Westfalen sind das die falschen
       Schwerpunkte.
       
       Bei Umfragen liegt die CDU gleichauf mit der SPD. Warum profitieren Sie
       nicht mehr von den Fehlern der Regierung? 
       
       Die CDU hatte bei der letzten Wahl 26 und die SPD 39 Prozent der Stimmen –
       also da finde ich es schon ganz ordentlich, dass man jetzt Kopf an Kopf
       liegt. Während der Flüchtlingskrise haben wir einige Prozente verloren.
       Aber einige kommen auch wieder zurück, weil die Menschen spüren, dass die
       europäische Lösung insbesondere zwischen Griechenland und der Türkei wirkt.
       Es sind aber noch neun Monate bis zur Wahl.
       
       28 Aug 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Claudia Hennen
       
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